Kernkraftwerk Philippsburg, Block 2

Abweichung von Festlegungen im Betriebshandbuch bei Freischaltungen im Kernkraftwerk Philippsburg (Block 2)

Erkenntnisdatum

15.11.2021

Sachverhalt

In dem in Stilllegung befindlichen Kernkraftwerk Philippsburg Block 2 befinden sich noch abgebrannte Brennelemente im Lagerbecken. Es muss weiterhin aktiv gekühlt werden. Durch das Abklingen der Radioaktivität hat sich jedoch die abzuführende Nachzerfallswärme seit der endgültigen Abschaltung deutlich reduziert. In diesem Zustand dürfen gemäß kerntechnischem Regelwerk bestimmte Anforderungen an die drei Kühlkreisläufe reduziert werden. Der Betreiber führte daher ein Änderungsverfahren durch, mit dem die Vorschriften in seinem Betriebshandbuch entsprechend angepasst werden sollten. Das geänderte Betriebshandbuch trat am 12.11.2021 in Kraft.

Bei einer routinemäßigen Instandhaltung an einem der Kühlkreisläufe am 15.11.2021 erkannte der Betreiber, dass das geänderte Betriebshandbuch die Instandhaltung dieses Kühlkreislaufs nicht mehr erlaubt. Die Instandhaltung war noch gemäß dem alten Betriebshandbuch eingeplant worden.

Einstufung durch den Genehmigungsinhaber

Meldekategorie N (Normalmeldung)
INES 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung)

Maßnahmen des Genehmigungsinhabers

Der Betreiber brach die Instandhaltung ab und machte den freigeschalteten Kühlkreislauf noch am 15.11.2021 wieder funktionsbereit.

Sicherheitstechnische Bewertung des Umweltministeriums Baden-Württemberg

Beim jetzigen Anlagenzustand ist jeder einzelne der drei Kreisläufe für die Kühlung des Brennelementlagerbeckens ausreichend. Es ist grundsätzlich regelwerkskonform und sicherheitstechnisch zulässig, einen beliebigen der drei Kühlkreisläufe für eine Instandhaltung freizuschalten, wenn die anderen beiden Kühlkreisläufe verfügbar sind.

Im Widerspruch dazu wurden die Verfügbarkeitsanforderungen an die Kühlkreisläufe im geänderten Betriebshandbuch so gestaltet, dass einer aus sicherheitstechnischer Sicht als nicht mehr existent zu betrachten ist. Damit konnte nur noch dieser Kühlkreislauf für eine Instandhaltung freigeschaltet werden, für die anderen beiden Kühlkreisläufe bestand diese Möglichkeit nicht mehr.

Damit die Verfügbarkeitsanforderungen an das Beckenkühlsystem wieder regelwerkskonform dargestellt sind und sicherheitstechnisch notwendige Instandhaltungsmaßnahmen im Einklang mit dem Betriebshandbuch durchgeführt werden können, ist eine erneute Änderung des Betriebshandbuchs erforderlich. Die unzureichenden Betriebsvorschriften, die geändert werden müssen, begründen die Meldepflicht dieses Ereignisses.

Bei der Analyse der Ursachen, die zu diesem Ereignis geführt haben, ist insbesondere zu untersuchen, warum die Unzulänglichkeiten der neuen Betriebsvorschriften nicht bereits im Änderungsverfahren erkannt wurden, und warum die Instandhaltungsmaßnahme vom Betreiber freigegeben wurde, obwohl sie dem gültigen Betriebshandbuch widersprach.