Im Zeitalter erneuerbarer Energien müssen nicht nur konventionelle Kraftwerke und Speicher die Versorgungssicherheit gewährleisten, sondern auch neue Stromnetze. Warum deren Ausbau notwendig ist, zeigt ein Blick auf die Veränderungen im Energiesystem.
Unser bisheriges Energiesystem entstand zur Zeit der Industrialisierung: Fossile Großkraftwerke wurden in der Nähe von oder direkt in Ballungszentren gebaut, also da, wo am meisten Strom verbraucht wurde – beispielsweise im Ruhrgebiet. Kohlekraftwerke wurden an Flüssen gebaut. Beides hatte wirtschaftliche Gründe: Kurze Wege bedeuten geringe Transportkosten, und auf Flüssen lässt sich Kohle verhältnismäßig günstig und in große Mengen zu den Kraftwerken transportieren.
Fossile Großkraftwerke können immer Strom produzieren, insbesondere dann, wenn er am meisten benötigt wird („Lastspitzen"). Strom aus erneuerbaren Energien hingegen fluktuiert: Wenn der Wind weht, wird Strom produziert, ob der Bedarf da ist oder nicht. Das führt beispielsweise dazu, dass zu besonders windreichen Zeiten, wenn gleichzeitig wenig Strom vor Ort abgenommen werden kann, der von Windkraftanlagen erzeugte Strom die Netzkapazitäten überfordert.
Dann ist das immer und ausnahmslos notwendige Gleichgewicht zwischen Einspeisung (Erzeugung) und Ausspeisung (Verbrauch) in Gefahr – und damit die Versorgungssicherheit. Derzeit fehlen notwendige Kapazitäten in den Übertragungsnetzen, die den Strom bei starkem Wind und geringem Verbrauch im Norden und Osten in ausreichendem Umfang in die wirtschaftlichen Ballungszentren im Süden und im Westen bringen.
Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa soll der Anteil der erneuerbaren Energien steigen. In Deutschland wird mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bis 2030 ein regenerativer Anteil von mindestens 80 Prozent am Bruttostromverbrauch angestrebt. Im Stromsektor müssen entsprechend die bestehenden grenzüberschreitenden Netze ausgebaut werden, um die Energieversorgung gesamteuropäisch zu sichern.
Ausbaubedarf besteht auf allen Netzebenen. Die Übertragungsnetze der vier Betreiber 50Hertz Transmission, Amprion, Tennet TSO und TransnetBW (für Baden-Württemberg) transportieren den Strom mit der Höchstspannung von 220 bis 380 Kilovolt über weite Strecken zu den Verbrauchsschwerpunkten. In der Verteilnetzebene mit Hoch-, Mittel- und Niederspannungsebenen verteilen bundesweit rund 866 Netzbetreiber (Quelle: Bundesnetzagentur, Bundeskartellamt: Monitoringbericht 2023 [PDF], Seite 20), davon 123 in Baden-Württemberg (Stand: Mai 2024), den Strom immer feingliedriger bis zum Endverbraucher.
Übertragungsnetz
Wo, welche und wie viele Übertragungsnetze aus- und neu gebaut werden, wird in einem zeitaufwändigen Planungsverfahren in mehreren Schritten unter Mitwirkung der Bevölkerung festgelegt. Das Ergebnis dieses Verfahrens ist der Netzentwicklungsplan, der die Optimierungs-, Verstärkungs- und Ausbaumaßnahmen der Übertragungsnetze für die nächsten zehn Jahre enthält und im zweijährigen Turnus fortgeschrieben wird.
Der Netzentwicklungsplan ist Grundlage für das Bundesbedarfsplangesetz, das im Juli 2013 in Kraft getreten ist. Es umfasst rund 100 energiewirtschaftlich notwendige Leitungsbauvorhaben, 14 davon zum Teil landesübergreifend in Baden-Württemberg. Die Trassenkorridore, in denen die Leitungen einmal verlaufen, werden in aufwendigen Verfahren bestimmt.
Länderübergreifende Trassen werden dabei in der sogenannten Bundesfachplanung durch die Bundesnetzagentur genehmigt. Für Projekte innerhalb Baden-Württembergs findet ein Raumordnungsverfahren mit anschließendem Planfeststellungsverfahren bei den Regierungspräsidien statt.
Verteilnetz
Der Ausbau und die Weiterentwicklung der Verteilnetze zu intelligenten Netzen spielen eine wichtige Rolle für die Versorgungssicherheit im Land. Zur Integration des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms sind die Netze auch auf den Nieder-, Mittel- und Hochspannungsebenen auszubauen. Nur so ist es möglich, die zukünftig weiter steigende Strommenge aus dezentralen Erzeugungsanlagen aufzunehmen.
Einen Überblick über den Ausbaubedarf der baden-württembergischen Verteilnetze gibt die vom Umweltministerium in Auftrag gegebene Verteilnetzstudie [PDF; 04/17; 3,2 MB; nicht barrierefrei].
Um das hohe Niveau der Versorgungssicherheit in Baden-Württemberg weiter gewährleisten zu können, werden moderne und leistungsfähige Übertragungsnetze und Verteilnetze im Land benötigt.
Wo, welche und wie viele Übertragungsnetze und Verteilnetze geplant sind, können Sie den folgenden Grafiken entnehmen.
Zu den Grafiken
Vorhaben im Übertragungsnetz in Deutschland
Das Umweltministerium veröffentlicht das Memorandum of Understanding zur Netzintegration erneuerbarer Energien in Baden-Württemberg, das in Zusammenarbeit mit den am Netzanschluss von EE-Anlagen beteiligten Akteuren verfasst wurde. Das Memorandum identifiziert und definiert konkrete Herausforderungen, Zielsetzungen und Maßnahmen zur Netzintegration erneuerbarer Energien und bietet den Akteuren die Grundlage für eine effiziente und zielgerichtete Zusammenarbeit.
Die Energiewende und der damit verbundene Ausbau der Stromnetze ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt. Sie kann nur gelingen, wenn Politik, Wirtschaft, Verbände, Kommunen sowie Bürgerinnen und Bürger sich gemeinsam einbringen. Deshalb spielt eine umfassende und frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Möglichkeiten sich zu beteiligen, gibt es dabei sowohl bei der Ausbaubedarfsermittlung in der Netzentwicklungsplanung, im Genehmigungsprozess auf Bundesebene in der Bundesfachplanung und im Genehmigungsverfahren der Länder mit Raumordnung und Planfeststellung.