Klima und Energie

„Nichts ist teurer als die Folgen eines ungebremsten Klimawandels“

Warum sollten Kommunen trotz knapper Kassen weiter in Klima- und Energieprojekte investieren? Im Interview mit dem Magazin die:gemeinde spricht Ministerin Thekla Walker über das Klimagesetz, Bürokratie und die Schlüsselrolle der Kommunen.

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Neubaugebiet in Plochingen, Baden-Württemberg

die:gemeinde: Liebe Frau Walker, Sie sind seit Mai 2021 Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Ihre Amtszeit endet Anfang kommenden Jahres. Welche Bilanz ziehen Sie – was haben Sie in den Bereichen Umwelt, Klima und Energie erreicht?

Thekla Walker: Wir haben uns vorgenommen, bis 2040 klimaneutral zu werden. Das müssen wir angehen, um unabhängig zu werden von fossilen Autokratien, für unseren Wohlstand und für den Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg. Dass hierfür weitere Anstrengungen nötig sind, ist klar. Doch gerade im Bereich Energie haben wir schon viel erreicht. Bei der Windkraft und dem Solarausbau sind wir aktuell auf Klimaziel-Kurs.

Durch die Beschleunigung und Vereinfachung von Verfahren ist uns der Turnaround bei der Windkraft gelungen. In keinem anderen Bundesland gab es einen solchen Antragsboom in 2025 wie in Baden-Württemberg. Beim Ausbau der Solarkapazitäten übertreffen wir bereits die Klimaziele.

Außerdem ist Baden-Württemberg bundesweit Vorreiter bei der kommunalen Wärmeplanung und stellt sich mit dem Masterplan Wasserversorgung vorausschauend drohenden Trinkwasserengpässen entgegen.

die:gemeinde: Und mit Blick auf die Kommunen: Ist es Ihnen gelungen, deren Anstrengungen zu unterstützen?

Thekla Walker Den Kommunen kommt beim Klimaschutz eine Schlüsselrolle zu. Sie klagen zu Recht über die schwierige finanzielle Situation. Deswegen habe ich mich in den Haushaltsverhandlungen dafür eingesetzt, dass mehr Mittel aus dem Kommunalen Investitionsfonds in kommunale Klimaschutzmaßnahmen fließen. Mit der aktuellen Fortschreibung des Klimapakts ist dies gelungen. Für die Förderprogramme Klimaschutz-Plus und KLIMOPASS wird ein Fördervolumen für 2025 von circa 20 Millionen Euro und für 2026 von circa 30 Millionen Euro für investive Vorhaben bereitgestellt. Zusätzlich gibt es für die investiven Vorhaben und Beratungstatbestände in beiden Programmen ein Fördervolumen aus Landesmitteln von jeweils circa 16 Millionen Euro. Wir brauchen eine faire Lastenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Daher fordere ich vom Bund, dass die Infrastrukturmilliarde bei den Kommunen ankommt.

die:gemeinde: Klima- und Umweltschutz gelten heute als unbestritten wichtig. Zugleich wird er oft mit Bürokratie und Verzögerungen in Verbindung gebracht – etwa beim Wohnungsbau. Kommunen kritisieren oft eine Überbewertung naturschutzfachlicher Aspekte in Abwägungs- und Ausgleichsverfahren sowie komplizierte Förderprozesse. Lassen sich Bürokratieabbau und effizientere Verfahren mit Umwelt- und Klimaschutz vereinbaren? Und wenn ja, wie?

Thekla Walker: Ja, auf jeden Fall. Ganz aktuell haben wir die Abwicklung der Förderprogramme Klimaschutz-Plus und KLIMOPASS erheblich vereinfacht. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass bürokratische Auseinandersetzungen vermieden werden. Zum Beispiel bei Konflikten zwischen Projektierern von Erzeugungsanlagen für Erneuerbare Energien und Naturschützern. Mit dem von uns geförderten Programm „Dialogforum Energiewende und Naturschutz“ bieten wir frühzeitig die Möglichkeit eines Austauschs und unterstützen bei der Konfliktlösung. Das Projekt hat bereits viele fruchtbare Prozesse zum naturverträglichen Ausbau der erneuerbaren Energien im Land angestoßen und begleitet.

die:gemeinde: Baden-Württemberg will bis 2040 klimaneutral sein – fünf Jahre früher als der Bund und zehn Jahre vor der EU. Kritische Stimmen halten das für überambitioniert, etwa wegen fehlender Fachkräfte, hoher Kosten und unrealistischen Sanierungsraten. Zudem kämpfen die Kommunen mit knappen Kassen, Klimaschutz erfordert schließlich dort oft Eigenleistungen. Sind Sie mit dem Ziel der Klimaneutralität nicht zu optimistisch – und wie wollen Sie sicherstellen, dass es nicht zum bloßen Symbol wird?

Thekla Walker Nichts ist teurer als die Folgen eines ungebremsten Klimawandels. Extremwetter nehmen zu. Heftiger Starkregen zerstört unsere Infrastruktur, längere Dürreperioden gefährden Ernten und die Sicherheit unserer Trinkwasserversorgung. Diese Entwicklungen werden sich in Zukunft fortsetzen – mit gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt. Umso wichtiger sind in der Gegenwart sowohl ein ehrgeiziger Klimaschutz als auch Anpassungsmaßnahmen an Klimaextreme.

Vor kurzem hat die Stadt Hamburg über die Klimaziele abgestimmt. Das Ja zum Zukunftsentscheid zeigt deutlich, dass sehr vielen Menschen konsequenter und ambitionierter Klimaschutz wichtig ist. Sie wollen eine vorausschauende mutige Politik und mehr Klimaschutz! Nur damit kann man als attraktiver Wirtschaftsstandort in Zukunft bestehen. Das 2040-Ziel ist somit auf der Höhe der Zeit. Diskussionen um Zielverschiebungen in die Zukunft sind gefährlich und verantwortungslos. Insbesondere unsere Wirtschaft braucht Planungssicherheit. Baden-Württemberg ist eine der innovativsten Regionen Europas. Wir wollen Taktgeber sein – gerade bei Zukunftstechnologien und Greentech.

die:gemeinde: Nach der Novellierung des Klimaschutzgesetzes ist vorgesehen, dass Kommunen bei der Erstellung von Anpassungskonzepten finanzielle und fachliche Unterstützung erhalten. Auch kleinere Kommunen mit unter 20.000 Einwohnern sollen entlastet werden. Können Sie konkret erläutern, wie diese Hilfe durch das Land aussehen soll?

Thekla Walker: Wir haben für die Umsetzung der Vorgaben aus dem Bundes-Klimaanpassungsgesetz einen schlanken Rahmen gesetzt, der Spielraum für interkommunale Zusammenarbeit lässt. Dieser Prozess für die flächendeckende Erstellung kommunaler Anpassungskonzepte wird auskömmlich vom Land finanziert. Die großen Kreisstädte und Stadtkreise erhalten eine Finanzierung, die sich an der Einwohnerzahl orientiert bis maximal 200.000 Euro für die Neuerstellung und maximal 100.000 Euro für die Überarbeitung eines bestehenden Anpassungskonzeptes. Die Landkreise erstellen sowohl für ihren Zuständigkeitsbereich als auch für ihre kreisangehörigen Gemeinden die Anpassungskonzepte und können hierbei Synergien nutzen, insbesondere durch die Bildung von Konvois. Der Aufwand für die einzelnen Kommunen ist dabei sehr gering.

die:gemeinde: Die kommunale Wärmeplanung gilt als einer der wichtigsten Bausteine auf dem Weg zur Klimaneutralität. Deren Umsetzung erweist sich jedoch als eine Mammutaufgabe, nicht zuletzt wegen der finanziellen Risiken. Wie will das Land hier konkret unterstützen? Kommen etwa Landesbürgschaften infrage?

Thekla Walker: Wir in Baden-Württemberg sind Vorreiter in Sachen Wärmewende – die kommunale Wärmeplanung läuft aktuell auf Hochtouren. Neben 104 verpflichteten Stadtkreisen und großen Kreisstädten haben sich rund 550 Gemeinden freiwillig auf den Weg der Wärmeplanung begeben, viele davon unterstützt durch ein Landesförderprogramm. Im Juli 2023 haben wir mit dem Wärmegipfel einen Dialogprozess mit allen wesentlichen Stakeholdern gestartet.

Uns ist bewusst, dass die hohen Ausgangsinvestitionen für beispielsweise Wärmenetze Gemeinden, Stadtwerke wie auch größere Energieversorger vor große Herausforderungen stellen. Deshalb setzen wir uns seit langer Zeit für eine Verstetigung wie auch Aufstockung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) ein, über die ein Großteil der Maßnahmen realisiert wird. Außerdem erwarte ich vom Bund, dass der im Koalitionsvertrag angekündigte „Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur“ zügig auf den Weg gebracht wird.

Darüber hinaus prüft das Land, inwieweit die finanziellen Rahmenbedingungen für Investitionen in Wärmenetze auf Landesebene verbessert werden können. Dies beinhaltet zum Beispiel die Mobilisierung von privatem Kapital. Eine Investition in ein Wärmenetz verursacht nicht nur Schulden, sondern wird für die Gemeinde zu einer zukünftigen Einnahmequelle.

die:gemeinde: Die Kommunalen Landesverbände kritisieren § 18 des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes (KlimaG): Gemeinden müssen ihren Energieverbrauch jährlich detailliert erfassen, melden und Einsparpotenziale ableiten. Viele halten das für ein untaugliches Instrument – der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen, Sanierungspläne ließen sich nicht allein aus Verbrauchszahlen ableiten. Warum streicht das Ministerium in Zeiten des geforderten Bürokratieabbaus ein solches Instrument nicht aus dem Gesetz?

Thekla Walker Das KlimaG fordert, dass alle Gemeinden, Städte und Landkreise ihre Energieverbräuche jährlich in einer vom Land bereitgestellten elektronischen Datenbank eintragen. Diese Datenerfassung schafft Transparenz und Erkenntnisgewinn. Das ist ein erster sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Energiemanagement. Dieses Instrument erleichtert es den Gemeinden, ihre Einsparpotenziale wahrzunehmen und wichtige Zukunftsentscheidungen treffen zu können. Es ist als Hilfsmittel angelegt. Ziel ist es, in der Folge den kommunalen Energieverbrauch zu senken sowie die Liegenschaften energieeffizienter zu betreiben und gemeinsam die Energiewende anzupacken. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass die öffentliche Hand hier Vorbild ist.

die:gemeinde: Ursprünglich war vorgesehen, die Kommunen zu verpflichten, jährlich zwei Prozent ihres Endenergieverbrauchs einzusparen – strenger als die EU-Vorgaben. Diese Verpflichtung aus der Energieeffizienz-Richtlinie steht weiterhin im Raum. Kritiker halten das für zu starr: Städte und Gemeinden seien sehr unterschiedlich aufgestellt – ein klimaneutrales Bioenergiedorf könne kaum noch Einsparungen erzielen. Wie soll mit wachsendem Immobilienbestand und damit steigendem Energieverbrauch umgegangen werden? Wäre es nicht sinnvoller, die Vorgaben flexibler zu gestalten, statt sich zu sehr an Zahlen zu orientieren?

Thekla Walker: Bei der Einsparvorgabe geht es um die Umsetzung neuen EU-Rechts. Artikel 5 der EU-Energieeffizienzrichtlinie gibt vor, dass der Gesamtendenergieverbrauch aller öffentlichen Einrichtungen eines Mitgliedsstaats zusammen gegenüber dem Jahr 2021 jährlich um mindestens 1,9 Prozent gesenkt wird. Zu diesen öffentlichen Einrichtungen gehören auch die Kommunen. Grundlage für den Nachweis der Einsparung ist dann die jährliche Energieverbrauchserfassung, die also zukünftig auch europarechtlich vorgegeben ist.

die:gemeinde: Die KLIMOPASS-Förderung soll Städte und Gemeinden bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen. Derzeit steht das Programm vor einer Neuauflage. Wann können die Kommunen mit neuen Fördermöglichkeiten rechnen – und welche Schwerpunkte wird es geben?

Thekla Walker: Die KLIMOPASS-Förderung ist aktuell gestartet. Der Schwerpunkt liegt auf der Förderung von blau-grüner Infrastruktur in Kommunen, wie zum Beispiel Dach- und Fassadenbegrünung an kommunalen Gebäuden oder Baumpflanzungen an öffentlichen Straßen und Plätzen mit Regen- oder Grauwasser- gespeisten Bewässerungsanlagen. Auch für blau-grüne Maßnahmen auf Schulhöfen stellen wir einen besonderen Baustein zur Verfügung. Wenn die Kommunen ihre Schulgebäude sanieren oder Wärmenetze bauen, können sie flankierende Förderungen für die Klimaanpassung beantragen und damit Synergien zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung nutzen. Ergänzend können auch Fachkonzepte wie Hitzeaktionspläne oder Entsiegelungskonzepte, aber auch innovative Modellprojekte gefördert werden.

die:gemeinde: Viele Kommunen kämpfen mit wirtschaftlichen Problemen und finanziellen Engpässen. Warum plädieren Sie trotzdem dafür, weiter in Energie- und Klimaschutz zu investieren? Und welchen Rat geben Sie den Kommunen dabei?

Thekla Walker: Der Nutzen von Klimaschutz und Klimawandelanpassung ist konkret sichtbar für Bürgerinnen und Bürger. Klimaschutz verbessert unsere Lebensqualität. Die energetische Sanierung eines Schulgebäudes sorgt dafür, dass die Schüler im Sommer nicht in einer Hitzeblase lernen. Die Entsiegelung von Ortskernen und die Anpassung an Klimawandel durch Wasserrückhalt und mehr Grün machen die Orte resistenter gegen Starkregen und Dürre und zugleich lebenswerter.

Menschen packen sich Solar aufs Dach und sparen dadurch mittelfristig Geld. Landwirte investieren in Agri-PV und fahren eine doppelte Ernte ein. Kommunen bauen Wärmenetze aus und schützen ihre Bürger damit vor fossilem Preis-Roulette. Wo Menschen einen konkreten Nutzen sehen, unterstützen sie den Klimaschutz. Daher ist es wichtig, dass wir uns klarmachen: Klimaschutz machen wir für uns, für unsere Lebensqualität und auch für unseren Wohlstand.

Förderung von kommunalen Klimaschutzmaßnahmen

Aktualisierung des Klimagesetzes – das kommt auf die Gemeinden zu

Die KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA-BW) hat alle wichtigen Änderungen im Bereich Wärmeplanung auf ihrer Landingpage zum KlimaG mit aufgenommen. Auf der Internetseite können interessierte Kommunen alle bestehenden und neuen Verpflichtungen, nach Paragrafen geordnet, einsehen. Dazu zählen auch das Klima-Berücksichtigungsverbot, der CO2-Schattenpreis, Nachhaltiges Bauen in Förderprogrammen, Erfassung des Energieverbrauchs und vieles mehr.

Quelle: Verbandsmagazin des Gemeindetags Baden-Württemberg, die:gemeinde (Ausgabe 11/2025), erschienen am 10.11.2025. Das Interview führte Fabian Stetzler.