70er Jahre bis heute

Gewässerüberwachung in Baden-Württemberg

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Siebzigerjahre: Weniger als die Hälfte aller Binnengewässer verfügen über eine gute Wasserqualität

Die erste Gewässergütekarte Baden-Württembergs stammt aus dem Jahr 1974. Ende der 1960er-Jahre hatte die Gewässerverschmutzung in ganz Deutschland ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen. In den Aufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der Gewässerschutz mit der Ausweitung der industriellen Tätigkeit nicht Schritt halten. Die wesentliche Aufgabe der Gewässer bestand im Abtransport von Abwässern aus Industrie und Haushalten. Flüsse waren keine lebendigen Lebensräume mehr, sondern dienten vielmehr als Kanäle für Abwässer aus Haushalten und Industrie.

Fehlende Kläranlagen führten zu einer hohen organischen Belastung in den Gewässern mit häufigem Fischsterben. Weniger als die Hälfte der Gewässer in Baden-Württemberg waren im Jahr 1974 nicht oder nur gering belastet, nämlich 41 Prozent. Als „sehr stark verschmutzt“ wurden in der Gewässergütekartierung 13,1 Prozent der Gewässer kategorisiert. Betroffen war in erster Linie der mittlere Neckar. Aber auch Abschnitte der Donau und der Unterlauf der Schussen waren in einem schlechten Gütezustand. Der Abbau der organischen Belastung in den Gewässern führte häufig zu einem Sauerstoffdefizit, das wiederum Fischsterben zur Folge hatte.

Mit dem Bau neuer Kläranlagen, dem Ausbau der Regenwasserbehandlung und dem optimierten Betrieb der Kläranlagen verbesserte sich die Situation entscheidend. Allerdings können Verbesserungen der Gewässergüte erst einige Jahre nach dem Ausbau der Kläranlagen festgestellt werden. Denn es braucht einige Zeit, bis sich die Gewässerbiologie auf die verbesserte Wasserqualität einstellt.

Obwohl Ende der 1980er-Jahre über 95 Prozent der Bevölkerung an mechanisch-biologische Kläranlagen angeschlossen waren, lag der Anteil der nicht defizitären Untersuchungsstellen 1991 in Baden-Württemberg erst bei 71,2 Prozent. Erst im Jahr 2007 wurden bei 90 Prozent der Untersuchungsstellen keine Defizite hinsichtlich organischer Belastungen festgestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Nutzung von Waschmaschinen für immer breitere Massen möglich. Die damit verbundenen Phosphorfrachten wurden zu einem Gewässerproblem. Das pflanzenverfügbare Orthophosphat überdüngte die Gewässer und führte zu einem ungehemmten Algenwachstum. Der Abbau der organischen Substanz wiederum verstärkt das Sauerstoffproblem im Gewässer: Zahlreiche Gewässer kippten um.

Gesetzliche Verschärfungen im Wasser- und Chemikalienrecht und verschiedene Anstrengungen in der kommunalen Abwasserbehandlung führten zu einer Verbesserung der Gewässergüte. Allerdings ist die Phosphorbelastung der Gewässer gerade im Neckareinzugsgebiet weiterhin problematisch, so dass sowohl in den Kläranlagen als auch in der Landwirtschaft weitere Maßnahmen zur Verbesserung erforderlich sind.

Achtzigerjahre: Internationaler Warn- und Alarmplan für den Rhein

Der Chemieunfall bei der Firma Sandoz in Basel im November 1986 – im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe – war eine der größten Umwelthavarien in Deutschland. Die Giftwelle, die von Basel bis an die Nordsee schwappte, löschte nicht nur den gesamten Aalbestand aus, sondern gefährdete auch die Trinkwasserentnahme am Niederrhein. Die grenzüberschreitende Information gehörte damals noch nicht zum Standard. Entsprechend wurde die Informationen zu den Einleitungen nur scheibchenweise weitergegeben.

Der Unfall führte in der Folge zur Einrichtung des internationalen Warn- und Alarmplans Rhein. Am Rhein wurde eine Reihe von Hauptmessstationen errichtet, die eine kontinuierliche chemische Überwachung des Rheins gewährleisten. Bei Störfällen erfolgt eine umfassende Information der Unterlieger. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg betreut die Gütemessstation in Karlsruhe, führt die meisten Untersuchungen in ihren eigenen Laboren durch und koordiniert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Rheinüberwachung für Baden-Württemberg.

Europäische Wasserrahmenrichtlinie im Jahr 2000: vom sauberen Wasser zum guten ökologischen Zustand

Mit der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft, die am 22.12.2000 in Kraft getreten ist, erfolgte ein Dogmenwechsel: Das Ziel „sauberes Wasser“ wurde durch das Ziel „guter ökologischer Zustand" ersetzt. Dadurch änderten sich auch die Anforderungen an die Überwachung der Fließgewässer grundlegend. Heute wird der Gewässerzustand mit vier biologischen Komponenten überwacht:

  • Phytoplankton (im Freiwasser schwebende Algen)
  • Makrophyten und Phytobenthos (Wasserpflanzen und Aufwuchsalgen)
  • Makrozoobenthos (wirbellose Tiere der Gewässersohle)
  • Fische

Mit einer Vielzahl weiterer Parameter wie beispielsweise Pflanzenschutzmittel und Industriechemikalien wird der chemische Zustand der Gewässer bewertet. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg koordiniert diese Untersuchungen in Baden-Württemberg entsprechend der Wasserrahmenrichtlinie und übermittelt die Ergebnisse an die Europäische Union.

Spurenstoffe

Durch die verbesserte Analytik wurde es in den letzten Jahren möglich, Stoffe in einer sehr geringen Konzentration von weniger als einem zehnmillionstel Gramm (kleiner 0,1 µg/l) zu bestimmen, sogenannte Spurenstoffe. Trotz ihrer scheinbar geringen Konzentration beeinträchtigen viele dieser Stoffe Fauna und Flora. Das sind beispielsweise Arzneimittel, Röntgenkontrastmittel, Flammschutzmittel (PCB) oder perfluorierte Tenside (PFT).

Diese Stoffe, die sowohl von der Industrie als auch von privaten Haushalten in das Abwasser gelangen, finden sich inzwischen in zahlreichen Oberflächengewässern. Dies wurde gerade in einem Sondermessprogramm der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg bestätigt. In den letzten 40 Jahren sind in Baden-Württemberg immer wieder neue Schadstoffe in den Fokus der Gewässerüberwachung gerückt. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg entwickelte immer wieder neue Messprogramme.