Gewässerökologie

Fließgewässer

Der Neckar bei Ludwigsburg-Poppenweiler

Durch die natürliche Gliederung unserer Landschaft lassen sich an größeren Flüssen meist drei Abschnitte mit abnehmendem Gefälle unterscheiden: Der ursprungsnahe, oft reißend fließende, steinig-kiesige und kühlere Oberlauf, der rasch fließende, sandige Mittellauf und der Unterlauf mit höherer Temperatur, träger Strömung und Schlammablagerungen.

Zu den natürlichen ökologischen Rahmenbedingungen eines Gewässers gehören die Art des Gewässerbetts, das Gefälle und die Fließgeschwindigkeit, die wiederum die Sauerstoffaufnahme über die Oberfläche und die Schwebstofffracht beeinflussen. Auch die Licht- und Temperaturverhältnisse bestimmen die Lebensbedingungen im Fließgewässer. Hinzukommen die chemischen Verhältnisse, vor allem Salzgehalt, Wasserhärte und Säuregrad.

Die in den Gewässern siedelnden Lebewesen gehören fast allen systematischen Gruppen des Tier- und Pflanzenreichs an, von mikroskopisch kleinen Bakterien und Algen bis zu den Fischen. Aufgrund ihrer verschiedenen Lebensansprüche können nicht alle diese Organismenarten in jedem Gewässertyp leben und sich vermehren. Viele stellen besondere Ansprüche an die Temperatur oder die Chemie des Wassers. Für einige sind ganz bestimmte andere Organismen existenznotwendig, weil diese als Nahrung, Siedlungsraum oder für die Vermehrung unverzichtbare Partner in der Lebensgemeinschaft sind.

Produzenten, Konsumenten und Reduzenten

Nach ihrer Ernährungsart lassen sich alle Organismen des Tier- und Pflanzenreichs den folgenden drei Gruppen zuordnen:

  • den Produzenten (Aufbauenden)
  • den Konsumenten (Verzehrenden)
  • den Reduzenten (Abbauenden)

Zu den Produzenten gehören alle ein- und vielzelligen Pflanzen mit grünem Farbstoff (Chlorophyll), aber auch die meisten nicht grünen, durch bräunliche, rote oder blaugrüne Farbstoffe ausgezeichneten Algen. Alle diese Organismen besitzen die Fähigkeit, unter der Einwirkung des Sonnenlichts und unter Verwendung der im Gewässer gelösten Mineralstoffe organische Substanzen wie zum Beispiel Zucker, Fette und Eiweiß aufzubauen (Photosynthese).

Für die gesamten Vorgänge im Wasser ist von Bedeutung, dass bei der Photosynthese am Tage Kohlenstoffdioxid verbraucht, Sauerstoff dagegen erzeugt wird. Nachts läuft der Vorgang in umgekehrter Richtung. Das führt in nährstoffreichen (eutrophen) Gewässern zu deutlichen Sauerstoffschwankungen.

Die Konsumenten gehören fast ausschließlich dem Tierreich an. Sie sind darauf angewiesen, ihren Nährstoff-und Energiebedarf aus der von den Produzenten erzeugten Pflanzenmasse zu decken. Bei den meisten Konsumenten ist die Verdauung der Pflanzen unvollständig.

Die halbverdauten Nahrungsreste und die abgestorbenen Pflanzen und Tiere bilden den Nährboden der Reduzenten, die nahezu ausschließlich Bakterien und Pilze umfassen. Sie zersetzen die organischen Stoffe durch ihren Stoffwechsel wieder in die Grundbestandteile Kohlenstoff, Stickstoff und Wasser. Bei dieser Abbautätigkeit verbrauchen die Reduzenten Sauerstoff (aerober Abbau).

Ökologisches Gleichgewicht von Temperatur abhängig

Das Verhältnis der drei Organismengruppen zueinander ändert sich vom Quellgebiet zur Mündung eines Fließgewässers. In den ursprungsnahen, zumeist kälteren und wenig belichteten Bächen ist die Produktion noch gering, vor allem wegen der meist unbedeutenden Nährstoffzufuhr (Phosphor und Stickstoff) aus den Waldböden.

Ihr Sauerstoffgehalt wird allein von temperaturabhängigen Sättigungsvermögen des Wassers bestimmt und ist deshalb praktisch kaum Schwankungen unterworfen. Das Sättigungsvermögen beträgt zum Beispiel bei 10 Grad Celsius = 11 Milligramm pro Liter Sauerstoff.

Durch die Erwärmung des Gewässers im Mittel- und Unterlauf wird das Sauerstoff-Sättigungsvermögen vermindert. Es beträgt zum Beispiel bei 25 Grad Celsius nur noch 8 Milligramm pro Liter. Andererseits werden die Stoffwechselvorgänge der Organismen und damit der Sauerstoffverbrauch bei einer Temperaturzunahme von zum Beispiel 10 Grad Celsius um das zwei- bis vierfache beschleunigt. In erwärmten Gewässern verschiebt sich damit das ökologische Gleichgewicht.