Baden-Württembergs Kulturlandschaft beherbergt rund 50.000 heimische Tier- und Pflanzenarten. Doch ihre Zahl ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen – rund 46 Prozent gelten heute als gefährdet.
Die Ursachen für den Artenrückgang sind vielfältig: Der Verlust und die Trennung der einzelnen Lebensräume spielen dabei eine große Rolle. Viele Lebensräume sind dadurch für die Arten zu klein und zu isoliert geworden.
Um dem Artenrückgang entgegenzuwirken, setzt Baden-Württemberg auf ein Netz miteinander verbundener Lebensräume für Tiere und Pflanzen im Offenland – den Biotopverbund. Dieses Netz besteht aus Kernflächen und Trittsteinen: Die Kernflächen sind ökologisch wertvolle Lebensräume, in denen sich Arten aufhalten und fortpflanzen können, ausreichend Nahrung finden und Versteckmöglichkeiten nutzen können.
Damit die Arten diese Kernflächen erreichen, brauchen sie Wegenetze. Dabei spielen Trittsteine eine zentrale Rolle. Sie dienen den Arten als vorübergehende Zwischenstationen, sei es zur Rast, zur Nahrungsaufnahme oder als Versteck.
Durch dieses Netz wird es den Arten ermöglicht, zu wandern und in andere Gebiete auszuweichen. Um dieses Vorhaben umzusetzen, hat sich die Landesregierung verpflichtet, bis 2030 auf 15 Prozent der Offenlandfläche Baden-Württembergs geeignete Lebensräume und Verbindungen zu schaffen.
Ziele und aktueller Stand
Bis 2023 wurde das Etappenziel, 10 Prozent der Offenlandfläche als Biotopverbundfläche auszuweisen, mit 10,9 Prozent erreicht. Dies war nur durch das Engagement verschiedener Akteurinnen und Akteure aus den Naturschutzverwaltungen und Landschaftserhaltungsverbänden, den Kommunen, der Landwirtschaft, den Naturschutzverbänden und vieler weiterer Beteiligter möglich.
Um die Ziele beim Ausbau des Biotopverbunds im Offenland zu erreichen, startete die Landesregierung 2019 eine landesweite Initiative zur Stärkung des funktionalen Biotopverbunds, die finanzielle und personelle Unterstützung bereitstellt. Seitdem werden die Planung und Umsetzung von Biotopverbundmaßnahmen mit einem hohen Fördersatz finanziell unterstützt. Zusätzlich wurden seit 2020 in allen 35 Landkreisen und seit 2024 auch in den neun Stadtkreisen, Biotopverbundbotschafterinnen und Biotopverbundbotschafter bei den Landschaftserhaltungsverbänden (LEV) beziehungsweise den Unteren Naturschutzbehörden angestellt. Diese koordinieren die Biotopverbundplanungen, vermitteln zwischen Flächeneigentümerinnen und Flächeneigentümern, Landnutzenden, Privatinitiativen, Vereinen oder Naturschutzverbänden und Verwaltung und erleichtern die landeseinheitliche Umsetzung beim Biotopverbund.
Die genauen Fortschritte, Herausforderungen und Leuchtturmprojekte, die den Biotopverbund in Baden-Württemberg voranbringen, sind im Bericht „Biotopverbund in Baden-Württemberg – Bericht zum Ausbau des Biotopverbunds 2023/2024“ dokumentiert. Der Bericht wurde in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) erstellt und bietet umfassende Einblicke in die Entwicklung des Biotopverbunds.
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Das nächste Etappenziel ist bereits gesteckt: Bis 2027 soll der Biotopverbund auf 13 Prozent der Offenlandfläche ausgeweitet werden.
Rechtliche Grundlage
Bereits seit 2002 ist der Biotopverbund im Paragraf 20 Bundesnaturschutzgesetz verankert und verpflichtet dazu, einen Biotopverbund auf mindestens zehn Prozent der Landesfläche zu schaffen. Baden-Württemberg hat 2015 den Fachplan Landesweiter Biotopverbund in das Naturschutzgesetz des Landes (Paragraf 22) aufgenommen, der seither bei allen Planungen verbindlich berücksichtigt werden muss.
Ausgehend vom Volksbegehren „Rettet die Bienen“ wurde 2019 ein Eckpunktepapier entwickelt, das dem Biotopverbund eine enorme Bedeutung für den Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenarten beimisst. In der Novelle des Naturschutzgesetzes verpflichtet sich das Land, bis 2030 mindestens 15 Prozent der Offenlandfläche als Biotopverbundfläche auszuweisen.
Für die Umsetzung erstellen die Gemeinden auf Grundlage des Fachplans Biotopverbundplanungen oder passen ihre Landschafts- oder Grünordnungspläne entsprechend an (Paragraf 22 Naturschutzgesetz).
Von der Planung zur Umsetzung
Der Fachplan Landesweiter Biotopverbund bildet die Grundlage für den Ausbau des Biotopverbunds in Baden-Württemberg. Er enthält die wichtigsten Lebensräume als Ausgangsorte für Arten und zeigt Möglichkeiten zur Vernetzung dieser Flächen auf. Erstmals 2012 veröffentlicht, wurde der Fachplan 2020 auf Basis aktueller Kartierungen und Daten aktualisiert.
Die Planung umfasst drei zentrale Bestandteile:
- Biotopverbund Offenland (inklusive Raumkulisse für Feldvögel)
- Biotopverbund Gewässerlandschaften
- Generalwildwegeplan
Tiere und Pflanzen haben unterschiedliche Anforderungen an ihren Lebensraum. Der Fachplan berücksichtigt daher spezifische Grundlagen für trockene, mittlere und feuchte Standorte, mit besonderem Fokus auf wenig mobile Arten wie Insekten oder Amphibien.
Der Fachplan gewährleistet eine einheitliche Planungsgrundlage, die überörtliche Zusammenhänge erkennen lässt und die Basis für Maßnahmen darstellt. Ziel ist es, ökologische Wechselbeziehungen zu bewahren, wiederherzustellen oder zu entwickeln und dadurch heimische Arten sowie ihre Lebensräume dauerhaft zu vernetzen und zu sichern.
Weitere Informationen
Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: Infomaterialien und Arbeitshilfen zum Biotopverbund
Information zur Karte
Ausschnitt aus dem Fachplan Biotopverbund Offenland mit Generalwildwegeplan: Kernflächen, Kernräumen, Suchräumen (500 Meter, 1000 Meter) für trockene, mittlere und feuchte Standorte sowie ein Wildtierkorridor sind dargestellt.
© Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (Kartengrundlagen: RIPS, ATKIS © Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg, Aktenzeichen: 2851.9-1/19, und Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg)
Der Aufbau und der Schutz des Biotopverbunds sind nach Paragraf 9 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) Aufgabe der Landschaftsplanung auf allen Planungsebenen: landesweit, regional und kommunal.
Auf Landesebene legt der Landesentwicklungsplan (LEP) 2002 überregional bedeutsame Landschaftsräume als Grundlage für einen Freiraumverbund fest. Derzeit wird der LEP neu aufgestellt, wobei der Biotopverbund berücksichtigt wird.
In der Regionalplanung ergänzen die Landschaftsrahmenpläne der zwölf Regionalverbände den landesweiten Biotopverbund um regionale Daten und Schwerpunkte (beispielsweise Kernräume, Achsen), die durch geeignete Maßnahmen gesichert werden.
Auf kommunaler Ebene erstellen die Gemeinden Biotopverbundplanungen auf Grundlage des Fachplans Landesweiter Biotopverbund oder passen die Landschafts- oder Grünordnungspläne an. Dabei geht es nicht nur um eine Vergrößerung der Flächen, sondern auch um den Erhalt und die gezielte Aufwertung wertvoller Lebensräume und deren räumlich-funktionale Vernetzung.
Die Umsetzung des Fachplans wird durch die Einbindung in die Landschaftsplanung konkretisiert, planerisch festgeschrieben und rechtlich abgesichert.
Informationen zur Karte
Karte mit Maßnahmen zur Verbesserung des Biotopverbunds für den Schwarzfleckigen Ameisenbläuling: Im Luftbild mit Kernflächen und einem 500-Meter-Suchraum zeigen Pfeile und Markierungen Optimierung und Vergrößerung der Habitate, Anreicherung mit Strukturen wie Säumen, Steinriegeln und Brachen sowie die Schaffung größerer Trittsteinbiotope und Auflichtung von Waldbereichen.
© Rüdiger Jooß (Kartengrundlagen: RIPS, ATKIS © Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg, Aktenzeichen: 2851.9-1/19, und Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg)
Der Biotopverbund wird von öffentlichen Planungsträgern wie Regierungspräsidien, Landratsämtern, Städten und Gemeinden und von Landbewirtschaftenden, Stiftungen, Privatinitiativen, Vereinen oder Naturschutzverbänden umgesetzt. Besonders die Städte und Gemeinden sind verpflichtet, Biotopverbundplanungen zu erstellen und rechtlich abzusichern. Zur Unterstützung der Umsetzenden wurden die Fördersätze der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) auf 90 Prozent für Planungen und 70 Prozent für Umsetzungsprojekte erhöht.
Bis September 2024 sind knapp die Hälfte aller Gemeinden in Baden-Württemberg (543 Kommunen) aktiv geworden und haben Biotopverbundplanungen abgeschlossen, in Auftrag gegeben oder stehen kurz davor.
Die Landwirtinnen und Landwirte spielen eine zentrale Rolle, da sie den größten Teil der Maßnahmen umsetzen. Sie pflegen und entwickeln die Kernflächen und Trittsteine des Biotopverbunds, zum Beispiel durch extensive Wiesenbewirtschaftung oder Beweidung, Anlage von mehrjährigen Blühbrachen, Altgrasbestände oder Heckenpflege. Landnutzende können über das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klima und Tierschutz (FAKT) oder die Landschaftspflegerichtlinie (LPR) Mittel für die Umsetzung von Biotopverbund-Maßnahmen beantragen. Auch bei Stiftungen wie der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg können Projekte beantragt werden.
So entsteht in den kommenden Jahren ein landesweites Netz verknüpfter Lebensräume, das den Austausch zwischen Arten ermöglicht und Populationen stabilisiert – insbesondere mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels.
In Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren wurden zahlreiche erfolgreiche Biotopverbundprojekte umgesetzt. Sie konzentrieren sich auf die Aufwertung, Wiederherstellung und Vernetzung artenreicher Lebensräume im Offenland wie Magerrasen, Wacholderheiden, Streuobstbestände, Feuchtbiotope, Tümpel, Trockenmauern und Kräuterwiesen. Zudem werden gefährdete Arten wie der Laubfrosch, die Kreuzotter, die Ziest-Schlürfbiene und der Randring-Perlmutterfalter geschützt.
Die Maßnahmen reichen von Schafen als Landschaftspfleger und Taxis für Pflanzensamen über spektakuläre Bagger- und Hubschraubereinsätze und Entdolungen von Bächen bis hin zu aufwendigen Sanierungen von Trockenmauern. Häufig geht es um die Auflichtung, Entbuschung und Freistellung von Lebensräumen unserer offenen Kulturlandschaft, was auch dem Landschaftsbild und unserer Lebensqualität zugutekommt.
Weitere Details zu herausragenden Leuchtturmprojektes finden Sie im Bericht „Biotopverbund in Baden-Württemberg – Bericht zum Ausbau des Biotopverbunds 2023/2024“ [PDF; 12/24].