Angesichts der Klimakrise und der Energiekrise besteht eine doppelte Dringlichkeit, für einen zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien und dabei insbesondere auch der Windenergie an Land zu sorgen. Zugleich ist die Biodiversitätskrise neben der Klimakrise die zweite globale ökologische Krise, die die natürlichen Lebensgrundlagen bedroht.
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz kommt dem Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung und der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien – wie der Windkraft – eine besondere Bedeutung zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts zu. Eine klimafreundliche Energieproduktion kann die Folgeschäden der Klimaverschiebungen in Natur und Landschaft abmildern und für die betroffenen Arten verträglicher gestalten.
Wie bei allen anderen Plänen und Projekten, die in Natur und Landschaft eingreifen, müssen auch bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen die gesetzlichen Vorgaben nach dem Bundesnaturschutzgesetz und weiteren gesetzlichen Regelungen beachtet werden. Hierbei sind insbesondere die Belange des Gebiets- und Artenschutzes zu berücksichtigen.
Bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen gilt es, die Anforderungen des Natur- und Artenschutzes mit den technischen Anforderungen der Anlagen in Einklang zu bringen. Nachfolgend sind zu den Belangen Gebietsschutz, Artenschutz und Landschaftsbild weitergehende Informationen zu finden. Aktuelle Informationen über die Anforderungen bei Windkraftprojekten in Baden-Württemberg stellt die Gewerbeaufsicht Baden-Württemberg zur Verfügung.
In Nationalparken, Naturschutzgebieten, Kernzonen von Biosphärengebieten sowie Bann- und Schonwäldern dürfen wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit dieser Gebiete in der Regel keine Windenergieanlagen errichtet werden. In Europäischen Vogelschutzgebieten mit Vorkommen windkraftempfindlicher Arten sind Windenergieanlagen nur dann zulässig, wenn erhebliche Beeinträchtigungen der geschützten Vogelarten ausgeschlossen werden können.
Windenergieanlagen im unmittelbaren Umfeld dieser Gebiete können auch zu einer Beeinträchtigung der Gebiete führen und damit unzulässig sein. In weiteren Schutzgebieten, wie Fauna-Flora-Habitat-Gebieten und geschützten Waldgebieten, sind besondere naturschutzrechtliche Restriktionen zu beachten. Hier bedarf es einer sorgfältigen Prüfung, ob Standorte für Windenergieanlagen im Einzelfall geplant und zugelassen werden können.
Innerhalb von Landschaftsschutzgebieten ist die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen nicht verboten, wenn sich der Standort in einem Windenergiegebiet nach Paragraf 2 Nummer 1 des Windenergieflächenbedarfsgesetzes befindet. Dies gilt auch, wenn die jeweilige Landschaftsschutzgebietsverordnung entgegenstehende Bestimmungen (Bauverbote) enthält.
Darüber hinaus ist die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen in Landschaftsschutzgebieten auch außerhalb von für die Windenergienutzung ausgewiesenen Gebieten nicht verboten,
- solange das jeweilige Land den im Windenergieflächenbedarfsgesetz länderspezifisch festgelegten Flächenbeitragswert nicht erreicht hat, oder
- der jeweilige regionale oder kommunale Planungsträger ein daraus abgeleitetes Teilflächenziel nicht erreicht hat.
Im Windenergieflächenbedarfsgesetz ist festgelegt, dass das Land Baden-Württemberg bis spätestens 31. Dezember 2032 den länderspezifisch festgelegten Flächenbeitragswert von 1,8 Prozent der Landesfläche erreichen muss. Diese Öffnung der Landschaftsschutzgebiete gilt nicht, wenn der Anlagenstandort zugleich in einem Natura 2000-Gebiet oder einer Welterbestätte im Sinne des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt befindet.
Neben dem Gebietsschutz sind die artenschutzrechtlichen Vorgaben zu beachten. Im Mittelpunkt stehen hierbei die windkraftempfindlichen Vogel- und Fledermausarten. Ob eine Art windkraftempfindlich ist, hängt von artspezifischen Besonderheiten in Biologie und Verhalten ab.
Um Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen an Land zu vereinfachen und zu beschleunigen, hat der Bundesgesetzgeber im Jahr 2022 bundeseinheitliche Standards für die in diesem Zusammenhang durchzuführende artenschutzrechtliche Prüfung im Bundesnaturschutzgesetz verankert. Darin werden die kollisionsgefährdeten Brutvogelarten gesetzlich abschließend aufgelistet. Somit liegt ein bundeseinheitlicher Rahmen vor, der die Prüfung des artenschutzrechtlichen Tötungs- und Verletzungsrisikos vereinheitlicht und von dem die Länder nicht abweichen können.
Diese Liste umfasst insgesamt 15 Brutvogelarten, von denen aktuell 10 in Baden-Württemberg brüten. Nicht gelistet sind störungsempfindliche Brutvogelarten, Ansammlungen (insbesondere Kolonien, bedeutende Brut- und Rastgebiete sowie Schlafplatzansammlungen) von kollisionsgefährdeten oder störungsempfindlichen Brut- und Rastvogelarten und der Vogelzug. Ebenfalls nicht gelistet sind die windkraftempfindlichen Fledermausarten. Insoweit bleiben die bisherigen Regelungen der Länder und fachwissenschaftliche Standards unberührt.
Die in Baden-Württemberg über das Bundesnaturschutzgesetz hinaus als windkraftempfindlich eingestuften Vogel- und Fledermausarten können den Planungshinweisen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg und des Umweltministeriums entnommen werden.
Im Hinblick auf artenschutzrechtliche Abwägungsentscheidungen ist nun festgelegt, dass der Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Darüber hinaus sehen aktuelle Regelungen auf EU-Ebene und deren Umsetzungen in nationales Recht in bestimmten Gebieten weitere artenschutzbezogene Erleichterungen für Genehmigungsverfahren von Windenergieanlagen vor.
Zugleich hat der Bundesgesetzgeber zum dauerhaften Schutz insbesondere der durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien betroffenen Arten das Bundesamt für Naturschutz damit beauftragt, nationale Artenhilfsprogramme aufzustellen und die zu deren Umsetzung erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Das Land Baden-Württemberg beabsichtigt, die nationalen Artenhilfsprogramme durch eine landesweite Artenschutzoffensive zu flankieren. Diese Maßnahmen sollen einen beschleunigten Ausbau der Windenergie gewährleisten, ohne das ökologische Schutzniveau abzusenken.
Grundsätzlich können Vögel- und Fledermäuse durch Kollisionen mit den sich drehenden Rotorblättern getötet werden. Außerdem kann es durch Windenergieanlagen zum Verlust von Fortpflanzungs- und Ruhestätten sowie Störungen kommen. Ob eine Beeinträchtigung gegeben ist, muss jeweils im Einzelfall beurteilt werden. Dies ist, je nach konkreter Fläche in unterschiedlicher Prüftiefe, ein Bestandteil der Verfahren zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen.
In vielen Fällen können Beeinträchtigungen durch geeignete Maßnahmen vermieden werden – so etwa spezielle Abschaltzeiten zum Schutz von Fledermäusen oder das Einhalten von Mindestabständen zu Brutvorkommen bestimmter Vogelarten.
Falls relevante Beeinträchtigen nicht vermieden und im Rahmen einer artenschutzrechtlichen Ausnahme auch keine Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustands der betreffenden Art vor Ort durchgeführt werden können, hat der Träger des Vorhabens eine zweckgebundene Zahlung an den Bund zu leisten. Die Mittel werden vom Bund im Rahmen des nationalen Artenhilfsprogramms zur Sicherung oder Verbesserung des Erhaltungszustands der durch den Betrieb von Windenergieanlagen betroffenen Arten verwendet.
Um den beschleunigten Ausbau der Windenergie im Schwarzwald und den Schutz des vom Aussterben bedrohten Auerhuhns in Baden-Württemberg in Einklang zu bringen, haben das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Hinweise zur Erfassung und Bewertung von Auerhuhnvorkommen bei der Genehmigung von Windenergieanlagen (Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn) veröffentlicht, die im Jahr 2022 im Rahmen der „Task Force zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien“ erarbeitet wurden. Im August 2023 wurde die Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn redaktionell überarbeitet und an die aktuelle Rechtslage angepasst.
Basierend auf den fachlichen und rechtlichen Grundlagen gibt die Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn Hinweise, wie die im Bundesnaturschutzgesetz verankerten Regelungen zum besonderen Artenschutz und zum Schutzgebietsnetz Natura 2000 bei möglichen Planungs- und Genehmigungsverfahren in Auerhuhn-Lebensräumen berücksichtigt werden können.
Zum Herunterladen: Planungsgrundlage Windenergie und Auerhuhn mit den entsprechenden Geodaten
Das Umweltministerium hat im Rahmen der „Task Force zur Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer Energien“ einen „Fachbeitrag Artenschutz für die Regionalplanung Windenergie [PDF; 10/22; 1,8 MB]“ erarbeitet. Dieser unterstützt die Regionalverbände bei der Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergieanlagen. In Folge werden die Planungsverfahren deutlich vereinfacht und beschleunigt.
Zentraler Bestandteil der neuen Planungshilfe für die Regionalverbände ist die Lokalisierung von „unproblematischen“ Gebieten, wenn es um die Belange des Artenschutzes geht. Zugleich identifiziert er die aus landesweiter Perspektive naturschutzfachlich besonders wertvollen Bereiche, in denen gesetzlich geschützte, windenergiesensible Arten vorkommen.
Die Geodaten zum Fachbeitrag sind im erweiterten Daten- und Kartenangebot des Energieatlas Baden-Württemberg veröffentlicht und stehen unter dem Themenbereich Wind, Beitrag Artenschutz Regionalplanung zum Herunterladen zur Verfügung.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass Windenergieanlagen in aller Regel mit Eingriffen in das Landschaftsbild verbunden sind. Dabei sind die Belange des Landschaftsbildes insbesondere mit den Belangen des Klimaschutzes und dem Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung im jeweiligen Einzelfall abzuwägen.
Hierbei ist zu beachten, dass die Errichtung und der Betrieb von der Energiewende dienenden Anlagen gemäß dem im Jahr 2022 geänderten Paragraf 2 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Diese Änderung führt dazu, dass das Gewicht von Erneuerbare-Energien-Anlagen auch in Abwägungen des Naturschutzrechts nur in Ausnahmefällen überwunden werden kann.