Am 9. September 2008 hat das Ramsar-Sekretariat den Oberrhein offiziell als grenzüberschreitendes Feuchtgebiet im Sinne der Ramsar-Konvention anerkannt. Es besteht aus Feuchtgebieten entlang des Rheins in den Fauna-Flora-Habitat- und Vogelschutzgebieten Baden-Württembergs und der Region Elsass, die nach dem Willen des Landes Baden-Württemberg und der Region Elsass als gemeinsames deutsch-französisches Ramsar-Gebiet „Oberrhein -Rhin supérieur" wurden. In Baden-Württemberg sind dabei 40 rheinnahe Gemeinden in den Regierungsbezirken Karlsruhe und Freiburg berührt. Nachfolgend informiert das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg über die Ramsar-Konvention sowie die rechtlichen Folgen und die Chancen der Benennung des Oberrheins als Ramsar-Gebiet.
Die Ramsar-Konvention ist ein internationales Übereinkommen zum Schutz von Feuchtgebieten internationaler Bedeutung, insbesondere als Lebensraum für Wat- und Wasservögel. Die Konvention ist nach der Stadt Ramsar im Iran benannt, in der 1971 die Verhandlungen zudem Abkommen stattfanden. Es handelt sich um das älteste und bedeutendste globale Naturschutzabkommen, das bislang 158 Staaten unterzeichnet haben. Die Vertragsstaaten haben weltweit bislang 1828 Gebiete mit einer Gesamtfläche von über 169 Millionen Hektar gemeldet.
Ursprüngliches Ziel der Ramsar-Konvention war es, für die ziehenden Wasser- und Watvogelarten ein möglichst weltweit zusammenhängendes Netz von Feuchtgebieten einzurichten, die diesen Vogelarten als Nahrungs-, Brut- oder Rastbiotope zur Verfügung stehen. Seit Inkrafttreten der Konvention hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Feuchtgebiete nicht nur große Bedeutung für den Vogelschutz, sondern für die gesamte Biodiversität der Erde haben und überdies eine große Rolle auch für das ökonomische Wohl der Menschen spielen. Die Feuchtgebiete bilden dank ihrer Produktivität eine wesentliche Nahrungsgrundlage für den Menschen, tragen zur Qualitätserhaltung des Lebensmittels Wasser bei und können als natürliche Wasserspeicher und Rückhalteräume schädliche Hochwasser eindämmen, um nur einige Funktionen zu nennen.
Das oberste Organ der Ramsar-Konvention ist die Konferenz der Vertragsstaaten beziehungsweise Vertragsparteien (Conference of the Parties - COP). Die Vertragsstaaten der Ramsar-Konvention treten alle drei Jahre zu einer ordentlichen Sitzung zusammen. Sie bestimmen das Programm und das Budget für die kommenden drei Jahre, überprüfen die Umsetzung des Übereinkommens und setzen die Prioritäten für die folgende Arbeitsperiode.
Die Mitgliedstaaten der Konvention haben das sogenannte Ramsar-Büro in Gland (Schweiz) mit der Verwaltung der Ramsar-Konvention und der Ramsar-Gebietsmeldungen beauftragt. Die Meldevorschläge und Meldeunterlagen müssen diesem Büro vorgelegt werden.
Weitere Informationen
Deutschland trat dem Ramsar-Abkommen 1976 bei und hat bisher 35 Ramsar-Gebiete benannt, darunter zum Beispiel das Schleswig-Holsteinische und das Niedersächsische Wattenmeer, die Elb- und die Donauauen, das Müritz-Ostufer und die Havelniederungen. In Baden-Württemberg wurden die Naturschutzgebiete Wollmatinger Ried und Mindelsee, in Bayern unter anderem der Ammersee und der Chiemsee und das deutsch-österreichische Ramsar-Gebiet Bayrische Wildalm und Wildalmfilz.
Die Ramsar-Vertragsstaaten gehen mit dem Beitritt zur Konvention insbesondere folgende Verpflichtungen ein:
- Zumindest ein geeignetes Ramsar-Gebiet muss benannt werden.
- Die Erhaltung der benannten Feuchtgebiete soll gefördert werden, sie sollen zu Schutzgebieten erklärt werden. Alle Feuchtgebiete des Vertragsstaates sollen wohl ausgewogen (im Sinne von nachhaltig) genutzt werden (wise use).
- Bei Feuchtgebieten, die sich über mehrere Vertragsstaaten erstrecken, sollen Maßnahmen und Regelungen abgestimmt werden.
- Information der Öffentlichkeit über die Bedeutung von Feuchtgebieten.
Ein Sanktionsmechanismus bei Verstößen eines Vertragsstaates gegen die Konvention ist nicht vorgesehen.
Im Vordergrund von Ramsar steht eine Entwicklung und Nutzung aller Feuchtgebiete in den Mitgliedstaaten in der Weise, dass der ökologische Gesamtcharakter erhalten bleibt und diese Feuchtgebiete ihre Funktionen auch künftig erfüllen können (wise use – wohlausgewogene nachhaltige Nutzung). Für „wohlausgewogene nachhaltige Nutzung” wurde 1987 bei der Konferenz der Vertragsparteien in Regina (Kanada) folgende Definition festgelegt:
„Unter wohlausgewogener Nutzung von Feuchtgebieten ist ihre nachhaltige Nutzung zum Wohle der Menschheit in einer mit dem Erhalt der Naturgüter des Ökosystems im Einklangstehenden Weise zu verstehen”. Wise use bedeutet daher auch Zusammenarbeit zwischen Feuchtgebietsmanagement und Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft, Jagd, Fischerei,Tourismus und Ressourcennutzung, soweit sie mit dem Grundsatz der Nachhaltigkeit zu vereinbaren sind.
Beim dritten deutsch-französischen Umweltgipfel am 31.08.1992 in Straßburg haben die Umweltminister Frankreichs und Deutschlands beschlossen, die elsässische und baden-württembergische Rheinniederung als „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung” gemäß der Ramsar-Konvention gemeinsam zu benennen. In den Folgejahren wurde dieser Beschluss wiederholt durch den deutsch-französischen Umweltrat bestätigt.
Eine deutsch-französische Arbeitsgruppe unter Leitung des Regierungspräsidiums Karlsruhe hat die Eignung des Oberrheingebiets als Feuchtgebiet internationaler Bedeutung vor dem Hintergrund der hierfür in der Ramsar-Konvention festgelegten Kriterien detailliert überprüft und kam zu folgenden wesentlichen Ergebnissen:
Der Oberrhein ist ein Gebiet, das unter anderem gekennzeichnet ist durch
- viele, untereinander teilweise vernetzte Feuchtgebietstypen, insbesondere 20 natürliche beziehungsweise naturnahe Lebensräume, die in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union benannt sind,
- einen hohen Artenreichtum, insbesondere auch an Watt- und Wasservögeln und
- einen der größten Trinkwasserspeicher Europas.
Insgesamt stellte die Expertengruppe fest, dass das Oberrheingebiet den Kriterien eines internationalen Feuchtgebiets im Sinne der Ramsar-Konvention in mehrfacher Hinsicht entspricht.
Der Ministerrat des Landes hat in seiner Sitzung vom 16. Dezember 1996 den Entwurf eines Grundsatzpapiers mit den vorgenannten Ergebnissen der deutsch-französischen Arbeitsgruppe zur Benennung eines Ramsar-Gebiets zur Kenntnis genommen und das Regierungspräsidium Karlsruhe beauftragt, die Kommunen, Verbände, Bürgerinnen und Bürger des in Frage kommenden Gebiets über das Vorhaben sowie die Ziele der Ramsar-Konvention zu informieren. Die Benennung des Ramsar-Gebiets in Frankreich und Deutschland wurde jedoch in der Folgezeit zurückgestellt, weil die Verpflichtung zur Meldung von Natura 2000-Gebieten in den Mittelpunkt rückte und die Abgrenzung des Ramsar-Gebiets Oberrhein diesen Schutzgebieten angepasst werden sollte.
Nachdem die Nachmeldung von Fauna-Flora-Habitat-Gebieten im Frühjahr 2005 abgeschlossen wurde und im Herbst 2007 auch die Vogelschutzgebiete auf Seiten des Landes abschließend an die Europäische Kommission gemeldet wurden, liegen alle naturschutzfachlichen Grundlagen zur Abgrenzung und Benennung des Ramsar-Gebiets Oberrhein vor. Zu den dabei erforderlichen Gebietsmeldungen – wie auch zu dem vorgeschlagenen Ramsar-Gebiet Oberrhein/Rhin supérieur wurde ein zweistufiges Beteiligungsverfahren für Kommunen, Verbände und die breite Öffentlichkeit durchgeführt, bei dem über die Vorhaben informiert wurde und für Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme bestand.
Auch Frankreich hat die Beteiligung von Kommunen und Verbänden zum elsässischen Teil des Ramsar-Gebiets im Zusammenhang mit der Meldung der Natura 2000-Gebiete abgeschlossen. Der Ministerrat Baden-Württembergs hat im November 2007 das Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum beauftragt, die Meldung des Ramsargebiets Oberrhein/Rhin supérieur vorzunehmen.
Die gemeinsame und abgestimmte Erstellung der Meldeunterlagen für das Ramsar-Gebiet erfolgte im Sommer 2008. Danach wurden die Meldeunterlagen für das deutsche und das französische Teilgebiet getrennt über die national zuständigen Stellen an das Ramsar-Büro weitergereicht. Die Anträge wurden von einer gemeinsamen Präambel begleitet.
Die Abgrenzung des Ramsar-Gebiets umfasst wie auf französischer Seite diejenigen Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und Vogelschutzgebiete entlang des Oberrheins, die zugleich als Feuchtgebiete zu bewerten sind mit einem Flächenumfang von 25.169 Hektar. Diese Bereiche enthalten die wesentlichen, für die Benennung eines Ramsar-Gebiets erforderlichen Flächen.
Die Abgrenzung für das Ramsar-Gebiet umfasst auch auf französischer Seite die zuvor genannten Feuchtgebietsbereiche der Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und Vogelschutzgebiete im Gesamtumfang von 22.400 Hektar.
Die Benennung des Ramsar-Gebiets hat keine Einschränkungen der Hoheitsrechte des Vertragsstaates, der Kommunen oder der Landnutzer über das benannte Feuchtgebiet zur Folge. Auch wird durch Ramsar keine neue Schutzgebietskategorie eingeführt. Der Schutz, der durch Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und/oder Vogelschutzgebiete vermittelt wird, stellt zugleich den Schutz des Ramsar-Gebiets sicher. Auch das Integrierte Rheinprogramm leistet einen Beitrag für den Schutz und die Erhaltung dieser Feuchtgebiete. Somit kommen auf Kommunen und sonstige Betroffene keine über die Regelungen für die Flora-Fauna-Habitat-Gebiete und Vogelschutzgebiete hinausgehenden rechtlichen oder finanziellen Verpflichtungen zu.
Durch die Benennung als Ramsar-Gebiet wird die besondere Bedeutung des Feuchtgebietskomplexes Oberrhein/Rhin supérieur einer breiten Öffentlichkeit bewusst gemacht und unterstrichen. Ramsar ist eine zusätzliche Auszeichnung für das Oberrheingebiet und kann von Kommunen und Verbänden als touristisch wertvolles Prädikat bei der Werbung und als zusätzliches Argument beim Beantragen von Fördermitteln Verwendung finden.
Das deutsch-französische Ramsar-Gebiet Oberrhein/Rhin supérieur ist mit der Aufnahme in die Ramsar-Liste zukünftig in einer Reihe zu nennen mit bedeutenden und bekannten Feuchtgebieten wie den Everglades oder dem Okeefenokee-Sumpf in Florida/USA, mit dem Okavango-Delta in Botswana, dem Pantanal in Brasilien, dem Virunga-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongooder der Camargue in Frankreich.
Auch die deutsch-französische Zusammenarbeit erhält durch ein gemeinsames Ramsar-Gebiet weitere Impulse und wird mit zusätzlichen Inhalten gefüllt. Zusätzlich gibt das deutsch-französische Ramsar-Gebiet Oberrhein/Rhin supérieur ein positives Beispiel für grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Naturschutz. Es ermöglicht Informationsaustausch, Partnerschaften und weitere gemeinsame Projekte mit anderen Ramsar-Gebieten.
Ramsar-Gebiete werden auf Antrag des jeweiligen Vertragsstaates (in Deutschland sind die Bundesländer dafür zuständig) nominiert. Für den Antrag auf Aufnahme in die Ramsar-Liste beim Ramsar-Büro müssen über das Bundesumweltministerium Unterlagen eingereicht werden, aus denen die fachliche Eignung des Gebiets und die Erfüllung der Ramsar-Kriterien für Feuchtgebiete internationaler Bedeutung hervorgehen.
Dies sind ein ausgefülltes Ramsar-Informationsblatt (Ramsar Information Sheet – RIS), vergleichbar mit dem Standard-Datenbogen für Natura 2000-Gebiete, sowie eine Karte mit den Grenzen der jeweils vorgesehenen Gebiete. Zur Erarbeitung der Unterlagen wurde inzwischen eine gemeinsame deutsch-französische Arbeitsgruppe eingerichtet.
Nach Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen und deren Anerkennung durch das Ramsar-Büro wird dem zuständigen Mitgliedstaat eine Urkunde über die Ausweisung des betreffenden Gebietes als Ramsar-Gebiet, Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung, übermittelt.