Thema
Rückbau an den Kernkraftwerksstandorten
Termin
Dienstag, 27. Mai 2025
Beginn: 17 Uhr, Abschluss: 19 Uhr
Programm
- Begrüßung und Einführung
- Grußwort von Umweltministerin Thekla Walker
- Vortrag der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK)
- Vortrag des Umweltministeriums
- Frage- und Diskussionsrunde mit Umweltministeriums, der EnBW Kernkraft GmbH und Publikum
- Abschluss
Eröffnung der Veranstaltung
Der Moderator der Veranstaltung, Ralf Heineken, begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des siebten Infoforums zum Thema „Rückbau an den Kernkraftwerksstandorten“. Er gibt Hinweise zum Programm und zu den Beteiligungsmöglichkeiten über den Chat und durch mündliche Beiträge.
Grußwort von Umweltministerin Thekla Walker
Ralf Heineken begrüßt Thekla Walker, die als Umweltministerin in Baden-Württemberg für Strahlenschutz und Reaktorsicherheit zuständig ist.
Zum Einstieg ihrer Rede betont sie den Wert des Infoforums als Format zum regelmäßigen, offenen und transparenten Austausch über Sicherheitsthemen im Bereich Kernenergie und Strahlenschutz. Die Rückmeldungen zu der Veranstaltungsreihe sind positiv und das Umweltministerium ist bestrebt, den Dialog auf diese Weise fortzusetzen.
Der Atomausstieg ist richtig und in Deutschland gibt es keine ernsthaften Bestrebungen mehr, zur Kernenergie zurückzukehren. Mit der endgültigen Abschaltung der letzten Kernkraftwerke 2023 ist die Gefahr dieser Hochrisikotechnologie beseitigt und es fallen keine neuen hochradioaktiven Abfälle mehr an. Die Ministerin leitet mit dieser politischen Einordnung über zum Schwerpunktthema der Veranstaltung, den Stand des Rückbaus der Kernkraftwerke in Baden-Württemberg. Der schnelle, sichere Rückbau ist eine umfassende und komplexe Aufgabe, die die EnBW Kernkraft GmbH (EnKK) mit kompetentem Personal, Pflichtbewusstsein und Sorgfalt vorantreibt. Sie verweist auf den Inhalt des Vortrags von Jörg Michels im Anschluss.
Die Ministerin betont außerdem die Rolle und Verantwortung des Umweltministeriums als zuständige Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde. Deren Arbeit ist von der obersten Priorität der Sicherheit geprägt. Zum einen hat die Behörde in den Genehmigungen Festlegungen getroffen, die einen sicheren Rückbau gewährleisten. Zum anderen führt sie engmaschige Kontrollen durch und überzeugt sich davon, dass der Betreiber die hohen Sicherheitsstandards einhält. Dadurch ist eine kontinuierliche Überwachung zum Schutz von Mensch und Umwelt vor den Gefahren ionisierender Strahlung gewährleistet. Sie verweist auf Hintergrundinformationen aus der zuständigen Fachabteilung im Umweltministerium, die Klaus Wiesner vortragen wird.
Zum Schluss ihrer Rede bedankt sich die Ministerin bei allen Beteiligten und lädt das Publikum zur Teilnahme an der Frage- und Diskussionsrunde ein, bei der die Fachexperten der EnKK und aus dem Umweltministerium Rede und Antwort stehen werden.
Vortrag der EnBW Kernkraftwerk GmbH (EnKK)
Ralf Heineken begrüßt Jörg Michels, Vorsitzender der Geschäftsführung der EnKK und Leiter des Geschäftsbereichs Rückbau.
Jörg Michels führt seine Präsentation [PDF] damit ein, dass für alle fünf Kernkraftwerke der EnKK das Abbauprogramm im atomrechtlichen Rahmen bereits vollumfänglich genehmigt ist. Alle Anlagen befinden sich im Rückbau. Er geht im Folgenden auf 8 wissenswerte Aspekte des Rückbaus ein:
- Der unverzügliche Rückbau der Kernkraftwerke nach dem Ende ihres Leistungsbetriebs, der sogenannte „direkte Rückbau“, ist laut Atomgesetz Pflicht.
- Der Rückbau ist nichts Neues, sondern es stehen umfassende nationale und internationale Erfahrungen sowie industrieerprobte, bewährte Techniken zur Verfügung.
- Der Rückbau geschieht „von innen nach außen“, das heißt, dass die Abbauarbeiten an den technischen Einrichtungen im Kernkraftwerk durchgeführt werden, während die Gebäudestrukturen zunächst weitgehend erhalten bleiben.
- Der Rückbau muss höchsten Sicherheitsanforderungen genügen. Die EnKK ist zur Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen und sonstigen Regelwerken verpflichtet.
- Der Rückbau ist eine immense Herausforderung für die Planung und Umsetzung. Dazu gehören die ein bis zwei Jahre dauernde Vorbereitung des Antrags auf eine Stilllegungsgenehmigung, der drei bis vier Jahre dauernde Genehmigungsprozess sowie der rund 15 Jahre dauernde Abbau. Im Zuge der Umsetzungsschritte des Abbaus stehen weitere Konkretisierungen und Begutachtungen an. Schließlich ist auch die Bewertung des Abbaumaterials mit mehrmaligen Überprüfungsschleifen verbunden.
- Auch wenn Prozesse zur Entsorgung und Wiederverwertung von Material aus Zeiten des Leistungsbetriebs bekannt sind, stellen die großen Materialströme im Rückbau eine große Herausforderung für die Logistik dar. Er betont, dass bis zu 98 Prozent des Abbaumaterials erfolgreich wiederverwertet werden können. Weniger als ein Prozent sind radioaktive Abfälle und circa ein Prozent werden konventionell entsorgt.
- Der Rückbau braucht ausreichendes kompetentes Personal, unter anderem für die Durchführung der Genehmigungsverfahren oder die Abwicklung der Abbauarbeiten. Dabei ist aus seiner Sicht ein Erfolgsfaktor der EnKK, dass sie auf vorhandenes, erfahrenes Personal aus dem Leistungsbetrieb setzt.
- Der Rückbau ist zusammengefasst ein Mega-Projekt mit einem Zeithorizont von etwa 20 Jahren und vom Umfang her vergleichbar mit dem Neubau eines Kernkraftwerks.
Die EnKK hat seit dem Ausstiegsbeschluss 2011 wichtige Meilensteine für einen zügigen, sicheren Abbau erfolgreich, und zum Teil bundesweit führend, erreicht. Er erläutert im weiteren Verlauf seines Vortrags den Status Quo in allen fünf Kernkraftwerken und nutzt dafür bildliche Früher-Heute-Vergleiche.
Die eigentliche kerntechnische Anlage, also die Komponenten und Systeme des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO), ist im Großen und Ganzen abgebaut. Eine Reihe von Fotos des Maschinenhauses und des Reaktorgebäudes zeigen jeweils einen „entkernten“ Rohbauzustand. In den dargestellten Räumen wurden alle Systeme ausgebaut. Aktuell finden Arbeiten zur Gebäudedekontamination und Freimessung der Decken, Wände und Böden statt. Dort, wo erforderlich, werden in den Räumen die Oberflächen des Betons abgetragen.
Am Standort Philippsburg sind im Maschinenhaus des KKP 1, des einzigen Siedewasserreaktors in Baden-Württemberg, nur noch wenige Komponenten übrig. Im Reaktorgebäude ist der Reaktordruckbehälter (RDB) vollständig abgebaut, genauso wie die Anlagenteile und die meisten Betonstrukturen, die ihn umgeben haben. Im KKP 2 schließt die EnKK gerade die Abbauarbeiten an den Einbauten des RDB ab und wird sich als nächstes dem RDB selbst widmen.
Am Standort Neckarwestheim ist im GKN I, ähnlich wie im KWO, der Abbau im Maschinenhaus abgeschlossen. Der RDB und seine Einbauten sind ebenfalls abgebaut, so dass aktuell der Abbau der den RDB früher umgebenden Betonstrukturen ansteht. Im GKN II erfolgte nach Inanspruchnahme der Rückbaugenehmigung zuerst eine Primärkreisdekontamination, mit der die Dosisleistung des Primärkreises inklusive des Reaktordruckbehälters und der angeschlossenen Hilfssysteme deutlich gesenkt wurde. Die Hauptkühlmittelleitungen als „Hauptschlagadern“ der Anlage wurden anschließend abgetrennt und abgebaut. Aktuell befinden sich im GKN II noch verbrauchte Brennelemente (BE) im BE-Lagerbecken. Sie müssen nach ihrem Einsatz insgesamt vier bis fünf Jahre im Lagerbecken verbleiben, bis ihre Aktivität zu einem erheblichen Teil abgeklungen ist. Nach der Abklingphase werden die BE voraussichtlich bis 2027 oder 2028 in Transport- und Lagerbehälter verpackt und in das staatliche Zwischenlager am Standort gebracht.
Auf Nachfrage von Ralf Heineken bestätigt Jörg Michels in der sich anschließenden kurzen Fragerunde, dass der Rückbau gut voranschreitet und im Großen und Ganzen nach Plan verläuft. Aktuell führen aber im KWO die bereits genannten zusätzlichen Arbeiten an den Betonstrukturen zu zeitlichen Verzögerungen, so dass die Anlage voraussichtlich Anfang der 30er Jahre aus dem Atomgesetz entlassen werden kann. An den beiden Standorten Philippsburg und Neckarwestheim plant die EnKK die Entlassung jeweils beider Blöcke gemeinsam aus dem Atomrecht. Dabei geht das Unternehmen von einer Zeitdauer von 15 Jahren ab Beginn des Abbaus der 2er Blöcke 2020 beziehungsweise 2023 aus.
Vortrag des Umweltministeriums (UM)
Ralf Heineken begrüßt Klaus Wiesner, Leiter des Referats „Überwachung der Standorte Neckarwestheim, Philippsburg und Obrigheim“. Der Schwerpunkt seines Vortrags [PDF] ist die staatliche Überwachung des Rückbaus der Kernkraftwerke.
Die Verantwortung für die nukleare Sicherheit liegt bei der EnKK als Genehmigungsinhaber. Der Staat hat die Aufgabe, Gefährdungen durch den Erlass geeigneter Vorschriften und deren behördlichen Vollzug zu verhindern. Das Ziel ist, die Sicherheit von Personal und Umgebung zu gewährleisten.
Klaus Wiesner geht auf die Instrumente der staatlichen Kontrolle näher ein: Genehmigungen und ständige staatliche Aufsicht. Die Genehmigungen enthalten umfassende Festlegungen, die einen sicheren Restbetrieb und Rückbau gewährleisten. Dazu zählen unter anderem personelle Voraussetzungen wie die Zuverlässigkeit und die Fachkunde, die Vorsorge gegen Schäden nach Stand von Wissenschaft und Technik und der Schutz gegen Störmaßnahmen oder Einwirkungen Dritter. Die ständige staatliche Aufsicht umfasst Kontrollen durch das Umweltministerium und seiner zugezogenen Sachverständigen, die vielfach auf schriftlichen Unterlagen basieren. Außerdem erfolgen Inspektionen vor Ort.
Für die Stilllegung und den Abbau von KKW gelten viele gesetzliche Regelungen. Außerdem wird das bestehende Regelwerk für Errichtung und Betrieb sinngemäß für den Rückbau angewendet. Das untergesetzliche Regelwerk wurde zudem erweitert und angepasst unter anderem durch den sogenannten Stilllegungsleitfaden und durch Empfehlungen der Beratungskommissionen des Bundes. Die Stilllegungs- und Abbaugenehmigungen (SAG) beschreiben übergeordnet den Rahmen der Stilllegungs- und Abbauarbeiten und regeln das Verfahren der begleitenden Kontrolle während der Abbauphase. Beim KWO sind es vier solche Genehmigungen, im KKP 1 und GKN I jeweils zwei und für das KKP 2 und GKN II gibt es jeweils eine SAG, die den gesamten Rückbauprozess bis zur Entlassung aus dem Atomrecht beinhaltet.
Die Genehmigungen beinhalten die Änderung des Betriebs zum Restbetrieb, wobei das Reglement aus den Betriebsgenehmigungen, wie beispielsweise die Instandhaltungsordnung und die Strahlenschutzordnung, erhalten geblieben ist und durch neue Regelungen, zum Beispiel die Abbauordnung, ergänzt wurde. In den Genehmigungen sind die zulässigen Ableitungen radioaktiver Stoffe sowie die Herausgabe und der Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen geregelt. Baugenehmigungen sind außerdem ein Bestandteil der SAG. Ein Beispiel ist die Errichtung einer Containerschleuse im KKP 2.
Klaus Wiesner geht dann auf die Bereiche ein, die das Umweltministerium beaufsichtigt. Dazu gehört, wie schon im Leistungsbetrieb, der Betrieb. Damit ist im Rückbau der Betrieb von Systemen gemeint, die beispielsweise zur Kühlung der Brennelemente, zur Lüftung und zur Überwachung weiterhin notwendig sind. Überprüfungen erfolgen auf Grundlage von Dokumenten, durch Aufsicht vor Ort und durch die sogenannte Kernreaktorfernüberwachung (KFÜ). Ein weiterer Bereich sind Änderungen der Anlage, für die wie im Leistungsbetrieb das landeseinheitliche Änderungsverfahren angewandt wird. Im Bereich Abbau sind die Vorhaben zwar übergeordnet genehmigt, aber jeder einzelne Abbauschritt benötigt eine Abbauanzeige. Erst wenn das Umweltministerium die Zustimmung dazu erteilt hat, darf der Betreiber abbauen. Ähnlich erfolgt auch bei der Entsorgung eine engmaschige Beaufsichtigung.
Klaus Wiesner erläuterte beispielhaft die dauerhaften Außerbetriebnahmen von Systemen. Systeme sind entsprechend ihrer sicherheitstechnischen Bedeutung entweder als sicherheitstechnisch wichtig oder betrieblich eingestuft. Je nach dem, in welcher Abbauphase sich das Kernkraftwerk befindet, wird die Einstufung nach Festlegungen in der SAG neu vorgenommen. Die drei Abbauphasen sind
- Brennelemente müssen aktiv gekühlt werden.
- Passive Kühlung reicht.
- Anlage ist brennelementfrei.
Auf Basis einer Änderungsanzeige beantragt der Betreiber eine dauerhafte Außerbetriebnahme. Ist ein sicherheitstechnisch wichtiges System betroffen, unterliegt sie einer Prüfung durch den TÜV und einer Zustimmung durch das Umweltministerium. Nach Abschluss der dauerhaften Außerbetriebnahme erfolgt nicht automatisch der Abbau, sondern erst wenn eine Abbauanzeige eingereicht und weitere Voraussetzungen erfüllt sind.
Die Aufsicht im Abbau ist trotz des sinkenden Gefährdungspotenzials notwendig. Die Aufsichtspräsenz von Sachverständigen und Aufsichtsbehörde ist laut Klaus Wiesner unter anderem deshalb wichtig, weil Schutzziele weiterhin einzuhalten sind, viele Systeme geöffnet werden, viele Tätigkeiten für das Personal neu sind, der Zustand in den Kernkraftwerken sich kontinuierlich verändert und Probleme bei der Durchführung eher vor Ort ersichtlich oder nachvollziehbar sind. Die Planungen des Umweltministerium sehen deshalb pro Jahr, angepasst an den Rückbaufortschritt, eine bestimmte Anzahl von Inspektionen vor Ort vor. Die tatsächlich durchgeführten Inspektionen, die Klaus Wiesner für 2024 zeigt, stimmen mit den Planungen größtenteils überein. Das Umweltministerium berichtet darüber detailliert in seinen jährlichen Tätigkeitsberichten. Zusätzlich sind Sachverständige praktisch täglich vor Ort zum Beispiel zur Begleitung von wiederkehrenden Prüfungen, deren Anzahl insbesondere beim KKP 1 aufgrund des großen Kontrollbereichs weiterhin hoch ist.
Frage- und Diskussionsrunde mit UM, EnKK und Publikum
Es schließt sich eine etwa 50-minütige, interaktive Frage- und Diskussionsrunde an, zu der Ralf Heineken erneut Jörg Michels und Klaus Wiesner auf das Podium bittet. Als weiteren Teilnehmer begrüßt er Dr. Walter Glöckle, den stellvertretenden Leiter der Abteilung „Kernenergieüberwachung, Strahlenschutz“ im Umweltministerium. Die drei Experten beantworten Fragen aus dem Publikum. Die besprochenen Themen und Antworten sowie ergänzende, fachliche Informationen finden sich in der folgenden Auflistung.
Die drei Gesprächspartner reflektieren, inwieweit Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Phasen des Abbaus und des Leistungsbetriebs bestehen. Laut Dr. Walter Glöckle fällt im Rückbau beispielsweise die sogenannte Revision mit ihrem regelmäßigen Ablauf und den mit ihr verbundenen aufwändigen Vorbereitungen und umfangreichen Tätigkeiten wie Brennelementwechsel weg. Jörg Michels ergänzt die notwendige Umstellung vom Jahrzehnte langen „Hegen und Pflegen“ der Anlage zu einem Unternehmen, das den Abbau fokussiert und mit immensen Materialströmen umgeht. Die EnKK hat Wert daraufgelegt, diesen Kulturwandel aktiv zu gestalten. Jörg Michels stellt fest, dass der Rückbau so etwas wie eine „Dauerrevision“ darstellt, weil die ständigen Planungen und Umbauten der Anlage gerade an die früheren Revisionsphasen erinnern.
Dr. Walter Glöckle und Klaus Wiesner machen deutlich, dass die Atomaufsicht schon lange Anlagen im Rückbau beaufsichtigt, darunter beispielsweise die Anlagen auf dem Gelände des KIT Campus Nord. Die sukzessive Abschaltung der Kernkraftwerke der EnKK ermöglichte ein schrittweises Umstellen auf die neue Situation nach dem endgültigen Ende des Leistungsbetriebs. Mittlerweile sind im UM die Referate, die für die Überwachung der verschiedenen Standorte zuständig waren, zusammengelegt worden. Viele behördlichen Prozesse und die übergeordnete Priorität der Sicherheit sind aber konstant geblieben.
Jörg Michels beziffert auf Nachfrage die Gesamtmasse am Standort Philippsburg auf circa 400.000 Tonnen für das KKP 1 und circa 800.000 Tonnen für das KKP 2. Am Beispiel der Komponenten im KKP 1 nennt Jörg Michels als weitere Arbeiten, die sich an den Abbau anschließen, die Vorzerlegung, die Dekontamination, die Freimessung des dafür geeigneten Materials und die letztendliche Abgabe freigegebenen Materials in den Wertstoffkreislauf oder in andere definierte Entsorgungswege. Material, bei dem keine Kontamination oder Aktivierung vorliegen, muss nicht auf diese Weise weiterbearbeitet werden, unterliegt aber trotzdem den definierten Prüfprozessen.
Zum Abbau großer Bauteile wie den RDB oder die Turbine erläutert Jörg Michels, dass das Material des RDB durch Neutronenbestrahlung aktiviert ist. Im Gegensatz zu anderen Anlagenteilen, deren Oberflächen durch Dekontamination von Radioaktivität befreit werden können, ist beim RDB die Radioaktivität im Material selbst und eine Beseitigung der Radioaktivität durch Dekontamination ist nicht möglich. Diese Anlagenteile werden als radioaktiver Abfall weiterbehandelt, verpackt und dem staatlichen Abfall-Zwischenlager zugeführt. Die Turbine in einem Druckwasserreaktor gehört im Gegensatz dazu nicht zum Kontrollbereich und kann daher nach dem Ausbau und stichprobenhaften Messungen einer konventionellen Wieder- und Weiterverwertung zugeführt werden.
In den Reststoffbearbeitungszentren (RBZ) in Neckarwestheim und Philippsburg bearbeitet die Gesellschaft für nukleares Reststoffrecycling (GNR), eine hundertprozentige EnBW-Gesellschaft, überwiegend das Material des jeweiligen Standorts. Reststoffe aus Obrigheim werden in beiden RBZ bearbeitet.
Zum Thema Zwischenlagerung erläutert Jörg Michels, dass die Lagerkapazitäten der mittlerweile an die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) übergebenen Abfall-Zwischenlager der Standorte so geplant wurden, dass sie für die gesamte Abfallmenge im Zuge des Rückbaus ausreichen. Eine Weiterverwertung der technischen Komponenten, zum Beispiel durch Verkauf an andere internationale Betreiber, ist laut Jörg Michels nur in geringem Umfang möglich. Die Wertstoffe können jedoch einer Wiederverwendung zugeführt werden.
Zur Deponierung von Betonabfällen aus Philippsburg, die für eine spezifische Freigabe geeignet sind, informiert Jörg Michels, dass ein Teil des Materials in den Kernkraftwerken in den Blöcken oder auf dem Gelände auf genehmigten Lagerflächen gelagert wird. Betonblöcke des Sicherheitsbehälters von KKP 1 im Umfang von voraussichtlich 2.100 Tonnen sind für die Entsorgung auf Deponien vorgesehen. Nach der erfolgreichen Deponierung einer Pilotcharge auf der Deponie Hamberg im Enzkreis wird die Entsorgung auf diese Weise fortgeführt, so dass Lagerflächen wieder frei werden.
Jörg Michels bestätigt die operative Anwendung der „Handlungsanleitung zur Entsorgung von freigemessenen Abfällen auf Deponien in Baden-Württemberg“. Darin erklärt sich die EnKK zusätzlich zu den rechtlich erforderlichen Maßnahmen zu ergänzenden Überprüfungen im Sinne eines 6-Augenprinzips bereit.
Auf Nachfrage aus dem Publikum, ob genug Geld für den Abbau zur Verfügung steht, auch wenn es im Zuge des Rückbaus zu Verzögerungen kommen würde, erläutert Jörg Michels, dass der Abbau aus Rückstellungen finanziert wird, die die EnBW über Jahre hinweg gebildet hat. Die Rückstellungen sind in ausreichendem Umfang vorhanden. Darüber hinaus ist mit einer jährlichen Bewertung und gebenenfalls Erhöhung der Mittel sichergestellt, dass bis zum Projektabschluss ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sein werden.
Zur Nachnutzung des Standortes stellt Jörg Michels klar, dass „keine radioaktive Nachnutzung“ geplant ist. Es ist grundsätzlich Interesse vorhanden, die Flächen an den Standorten für energiewirtschaftliche Zwecke zu nutzen. Als Beispiel führt er das in Philippsburg neu errichtete Gleichstrom-Umspannwerk („Konverter“) an. Andere denkbare Nachnutzungsprojekte wie ein Rechenzentrum neben dem Standort GKN oder Batteriespeichersysteme sind bisher nicht final entschieden. Er stellt klar, dass es auch nach dem Rückbau der Kernkraftwerke keine „grüne Wiese“ geben wird, denn es handelt sich um Industrieflächen, die in den staatlichen Regionalplänen auch als solche ausgewiesen sind.
Dr. Walter Glöckle ergänzt, dass nach erfolgtem Abbau der Kernkraftwerke die radioaktiven Abfälle in den staatlichen Lagern an den Standorten verbleiben, bis sie in Endlager verbracht werden können. Das wird noch einige Jahrzehnte dauern. Das politische Anliegen der Landesregierung ist daher, diese langwierigen Prozesse zu beschleunigen, wo es ohne Sicherheitsabstriche geht.
Das Umweltministerium hat in der Vergangenheit ausführlich über die Befunde an den Dampferzeugerheizrohren im GKN II und die behördenseitige Aufarbeitung berichtet, unter anderem auf der Internetseite. Nach Abschaltung der Kernkraftwerke hat die aus dem Publikum angesprochene Untersuchung von solchen Komponenten laut Klaus Wiesner für den Abbau keine Bedeutung mehr.
In den Genehmigungen ist festgelegt, in welchem streng begrenzten Umfang radioaktive Stoffe die Genehmigungsinhaber in die Umwelt abgeben dürfen. Auf Nachfrage hinsichtlich Beschränkungen bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln erläutert Dr. Walter Glöckle, dass die erlaubten Werte so gering sind, dass Landwirtschaft in der Umgebung der Anlagen uneingeschränkt möglich ist. Die Einhaltung dieser Grenzwerte wird streng kontrolliert. Der Betreiber, die Aufsichtsbehörde und die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) nutzen verschiedene Verfahren zur Überwachung.
Bei Grenzwertüberschreitungen würde eine automatische Alarmierung erfolgen. Klaus Wiesner und Dr. Walter Glöckle machen deutlich, dass die tatsächlichen Abgabewerte sehr gering sind und weit unterhalb der Genehmigungswerte liegen. Das zeigen die nachfolgenden Werte in Becquerel (Bq) aus 2024 für KKP 1, KKP 2, GKN I, GKN II und KWO. Im KWO gibt es keine Abgaben mit dem Abwasser, weil die Betriebswässer nach GKN gebracht werden.
| Abgaben radioaktiver Stoffe | Abgaben radioaktiver Stoffe | ||
Radioaktive Gase | Aerosole | Tritium | Nuklide ohne | |
KKP 1 | 4.2 x 109 Bq | 3.1 x 104 Bq | 4.9 x 108 Bq | 2.1 x 106 Bq |
KKP 2 | 2.9 x 1010 Bq | nicht | 3.4 x 1011 Bq | 3.2 x 107 Bq |
GKN I | 5.3 x 109 Bq | nicht | 0 | 0 |
GKN II | 2.6 x 1011 Bq | 1.8 x 104 Bq | 8.2 x 1011 Bq | 4.7 x 107 Bq |
KWO | 2.0 x 108 Bq | nicht | - | - |
Zum Schluss schließen alle Experten die Reaktivierung der Kernenergienutzung für die baden-württembergischen Anlagen aus und führen dafür rechtliche Gründe, wie die Notwendigkeit von neuen Genehmigungen, und praktische Argumente, wie die unumkehrbare Entfernung entscheidender Komponenten wie zum Beispiel Kerneinbauten und Hauptkühlmittelleitungen, an.
Abschluss
Der Moderator dankt den Gästen für ihre Teilnahme. Er dankt dem Publikum für die rege Beteiligung.
Mit Fragen und Themenwünschen für das Infoforum können die Bürgerinnen und Bürger das Umweltministerium jederzeit formlos per E-Mail infoforum@um.bwl.de erreichen.
Ein Teilnehmer äußert während der Veranstaltung im Chat den Themenwunsch Rückbauprojekte am KIT Campus Nord. Das Umweltministerium berücksichtigt diese und weitere Einreichungen bei der Planung zukünftiger Infoforen.
Auf der Internetseite des Infoforums erfolgt die Ankündigung des Termins und Themas der nächsten Veranstaltung 2026.