Vorstellung Studie und Positionspapier

Die Energiewende als Jobmotor

Studie zeigt: Mit konsequenter Klimapolitik bietet die Energiewende Potenzial für rund 40.000 Stellen in Baden-Württemberg.

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Installation einer Photovoltaikanlage

Die Energiewende bietet für Baden-Württemberg enorme Chancen für Wirtschaftskraft, Innovation und zukunftsfähige Arbeitsplätze. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und der DGB Baden-Württemberg haben gemeinsam mit der Hans-Böckler-Stiftung die Studie „Energiewende in Baden-Württemberg – Neue Herausforderungen für Beschäftigung, Fachkräfte und Qualifizierung“ in Auftrag gegeben. Erstellt haben die Studie die Beratungsgesellschaft Sustain Consult und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS).

Bei der heutigen Landespressekonferenz haben die Energieministerin Thekla Walker und der DGB-Landesvorsitzende Kai Burmeister die zentralen Ergebnisse und ein gemeinsames Positionspapier vorgestellt.

Mit der Energiewende beschreitet Baden-Württemberg nicht nur einen konsequenten Pfad zur Dekarbonisierung des Energiesystems, sondern legt zugleich den Grundstein für zukunftsfähige Arbeitsplätze und eine weiterhin starke Wirtschaft. Die Energiewende in Baden-Württemberg trägt schon jetzt wesentlich zur Beschäftigung bei und kann auch künftig als Jobmotor funktionieren. Insbesondere der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Wärmewende spielen dafür eine wichtige Rolle. Die von den Studienautorinnen und -autoren geführten Interviews mit Industrievertretern zeigen, dass Energiewende und Klimaschutz als Chance für Produktinnovationen und Exportchancen gesehen werden. So bestehen erhebliche Potenziale in traditionellen Branchen wie dem Maschinenbau, etwa bei Komponenten für Wasserstofftechnologien.

Zur Abschätzung des Arbeitskräftebedarfs für die Energiewende wurden zentrale Sektoren analysiert: Energiewirtschaft, Gebäudesanierung und Wärmeversorgung. Berücksichtigt wurden zudem Effizienzsteigerungen in der Industrie. Die Studienautorinnen und -autoren rechnen mit einem Anstieg der Bruttobeschäftigung von rund 100.000 auf 138.000 Personen zwischen 2022 und 2030. Die Voraussetzung hierfür ist, dass das Land seine selbst gesteckten Ziele beim Klimaschutz weiter konsequent verfolgt.

Insbesondere technikorientierte Berufe in Bau und Produktion gewinnen stark an Bedeutung, ebenso Berufsfelder mit höheren Qualifikationsanforderungen.

Den größten Beschäftigungsaufbau prognostizieren die Autorinnen und -autoren bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind. Hier sehen sie einen Zuwachs von 82 Prozent von knapp 22.000 auf 39.500 Beschäftigte. An zweiter Stelle steht der Gebäudesektor mit energetischen Sanierungen und dem Einbau von klimafreundlichen Heizungen. Hier ist ein Zuwachs von 60.500 auf rund 75.700 Beschäftigte zu erwarten (plus 25 Prozent). Der Grund für den starken Nachfrageschub: Um die Klimaziele im Gebäudebereich zu erreichen, muss die Sanierungsrate bei Wohngebäuden vervierfacht werden. Im Bereich Industrie liegt der Fokus auf Energieeffizienzmaßnahmen. Diese lösen einen Beschäftigungszuwachs um ein Drittel von 2.600 Beschäftigten auf knapp 3.500 bis 2030 aus. Weitere positive Beschäftigungseffekte werden durch zunehmende Elektrifizierung, einen starken Anstieg der Wasserstoffnutzung und den Einstieg in Carbon Capture and Storage/Usage-Technologien (CCS/U) erwartet. In den Sektoren Energiewirtschaft und Gebäude kommen positive Effekte durch Großwärmepumpen und den Ausbau des Strom- und Fernwärmenetzes hinzu.

2016 hatten das Ministerium, der DGB und die Hans-Böckler-Stiftung schon einmal bei denselben Projektpartnern eine Studie zu den Beschäftigungseffekten der Energiewende erstellen lassen. Für eine Neuauflage hat vieles gesprochen. „Transformationsprozesse sind für die Hans-Böckler-Stiftung Kernthemen, die wir nicht nur punktuell, sondern auch in ihrer Entwicklung verfolgen“, sagt Christina Schildmann, Leiterin der Forschungsförderung der Stiftung. „In den vergangenen Jahren hat die Relevanz der Energiewende noch einmal zugenommen. Engpässe bei Fachkräften und neue Erfordernisse an Qualifikationen bleiben wichtige Themen. Zugleich haben sich die regulativen, politischen und globalen Rahmenbedingungen verändert. Für uns als Forschungsförderung sind dies gute Gründe, noch einmal auf das Beispiel Baden-Württemberg zu schauen.“

Vor neun Jahren stand das Thema Energieeffizienz im Vordergrund. In der aktuellen Studie liegt der Fokus stärker auf der Art der Energieversorgung und den erneuerbaren Energieträgern. Daraus lässt sich ableiten, dass die Potenziale bei Energieeinsparungen weitgehend ausgeschöpft sind. Die befragten Industrievertreter betonen jedoch auch, dass diese neue Phase der Energiewende eine größere Kraftanstrengung erfordert. Der Umstieg auf neue Technologien zur Substitution fossiler Energieträger oder zur CO2-Abscheidung erfordert in der Regel weitaus höhere Investitionen. Ein entsprechend hoher Kapitaleinsatz ist nötig. Umso wichtiger ist es, dass die industrie- und energiepolitischen Rahmenbedingungen verlässlich sind, etwa die Höhe der Stromsteuer. Die Interviewpartner*innen wünschen sich auch von der Landesregierung Verbesserungen, etwa bei Genehmigungsprozessen für Energie- und Industrieanlagen oder beim Ausbau der Energieinfrastruktur.

Umweltministerin Thekla Walker verwies auf den wissenschaftlich belegten Zusammenhang von Klimaschutz und wirtschaftlichem Erfolg. „OECD, große Beratungsgesellschaften, Ratingagenturen, unsere Landesbank – alle weisen uns seit Jahren darauf hin, dass Klimaschutz und Energiewende sich im Vergleich zu einem ambitionslosen Weiter-So wirtschaftlich lohnen. Die Studie belegt das anhand von Beschäftigungszahlen. Energiewende senkt die Kosten für fossile Importe, schafft Wertschöpfung vor Ort – und Tausende neue Arbeitsplätze. Zugleich sichert sie den industriellen Kern Baden-Württembergs. Unsere Export-Wirtschaft muss für nachhaltigen Erfolg permanent ihre Technologieführerschaft verteidigen. Ehrgeiz bei der Entwicklung und Marktdurchdringung von klimaneutralen Produkten und Verfahren ist dafür der Schlüssel.“

Der Vorsitzende des DGB Baden-Württemberg, Kai Burmeister, hob die Bedeutung von guten Arbeitsbedingungen und Qualifizierungsangeboten hervor: „Es sind die Beschäftigten, die die Energiewende zum Erfolg machen. Sie wird gelingen, wenn sie mit Guter Arbeit einhergeht. Das bedeutet gute Arbeitsbedingungen, faire Löhne nach Tarifvertrag und betriebliche Mitbestimmung. Die Energiewende kann zu einem echten Jobmotor werden. Klimaschutz und Beschäftigungswachstum gehen Hand in Hand. Doch drohen Fachkräfteengpässe zum größten Hemmnis für Energiewende und neue Arbeitsplätze zu werden. Deshalb müssen alle Hebel genutzt werden, um diese Fachkräfte zu gewinnen.

Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass nur noch jeder zweite Beschäftigte von einem Tarifvertrag profitiert. In allen Branchen – vom Hersteller von Dämmstoffen bis zur Heizungs- und Klimatechnik – sind die Arbeitgeber aufgefordert, die Sozialpartnerschaft zu leben. Auf Landesebene brauchen wir ein echtes Tariftreuegesetz.

Die grünen Branchen bieten für Beschäftigte langfristige und sichere Perspektiven. Mit attraktiven Arbeitsbedingungen können sie junge Menschen für eine Ausbildung, mehr Frauen und Beschäftigte aus schrumpfenden Branchen für sich gewinnen. Aktuell jedoch sinken die Ausbildungszahlen in den für die Energiewende relevanten Berufen. Für den Wechsel aus anderen Branchen braucht es attraktive Übergangspfade. Hier ist neben den Unternehmen auch die Bundesagentur für Arbeit gefragt.”
 
In einem gemeinsamen Positionspapier leiten das Ministerium und der DGB konkrete Handlungsbedarfe aus der Studie ab:

  • Planungssicherheit für Unternehmen: Ein verlässlicher energie- und klimapolitischer Rahmen auf allen Ebenen ist notwendig, damit Betriebe investieren und die Chancen der Energiewende nutzen können.
  • Bezahlbarer Strom: Die Bundesregierung muss die Absenkung der Stromsteuer zügig umsetzen, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und die Akzeptanz der Energiewende zu stärken.
  • Gute Arbeit in der Transformation: Tarifbindung, Mitbestimmung und ein hohes Lohnniveau sollen die Attraktivität der Branchen der Energiewende erhöhen.
  • Fachkräftesicherung: Übergangspfade für Beschäftigte aus schrumpfenden Branchen, mehr Ausbildungsplätze im gewerblich-technischen Bereich sollen Engpässe beheben. Wenn sich die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, können mehr Frauen als Fachkräfte gewonnen werden. Die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland sollte intensiviert werden.

Weitere Informationen

Studie „Energiewende in Baden-Württemberg – Neue Herausforderungen für Beschäftigung, Fachkräfte und Qualifizierung“
Das Positionspapier finden Sie hier.

Positionspapier "Die Energiewende als Job- und Innovationsmotor in Baden-Württemberg"

Quelle:

DGB Baden-Württemberg
Umweltministerium Baden-Württemberg