Umweltministerin Thekla Walker sieht Städte und Gemeinden als zentrale Treiber der Wärmewende. Im Interview mit KommPlus betont sie die Vorreiterrolle Baden-Württembergs in der kommunalen Wärmeplanung.
Wie wichtig ist der Wärmesektor zur Einhaltung der Klimaziele in Baden-Württemberg?
Thekla Walker: In Baden-Württemberg haben wir uns noch ambitioniertere Ziele gesetzt als der Bund – wir möchten bereits 2040 klimaneutral sein. Der Status quo zeigt auf: Der Wärmesektor ist derzeit für etwa die Hälfte des Energieverbrauchs verantwortlich, zumal die verbauten Heizungen zu einem großen Teil noch auf fossilen Energieträgern basieren. Die Wärmewende ist daher essenzieller Bestandteil einer erfolgreichen Energiewende und unentbehrlich, um die Klimaziele des Landes zu erreichen. Hier gibt es ein großes Potenzial, Treibhausgasemissionen einzusparen. So schnell wie im Gebäudesektor erzielen wir in keinem anderen Bereich ähnlich starke Effekte für den Klimaschutz.
Wie gut ist Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern in Sachen Wärmewende aufgestellt?
Walker: Wir sind Vorreiter und haben bereits vor dem Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) des Bundes Verpflichtungen zu einer Mindestnutzung von erneuerbaren Energien im Heizungsbereich durch das Erneuerbare-Wärme-Gesetz (EWärmeG) eingeführt. Auch im Bereich der kommunalen Wärmeplanung sind wir Pioniere. Die Landesregierung hat bereits 2020 die 104 Stadtkreise und Große Kreisstädte in Baden-Württemberg zur kommunalen Wärmeplanung verpflichtet. Unsere Regelungen wurden bundesweit als fachliche Maßstäbe gesetzt und insbesondere auch in der Bundesgesetzgebung berücksichtigt.
Die 104 Stadtkreise und Große Kreisstädte mussten ihre Wärmeplanung bis Ende 2023 vorlegen. Was können Sie heute bereits über die Ergebnisse sagen?
Walker: Stand Mitte Juni haben 90 Kommunen eine kommunale Wärmeplanung eingereicht. An den wenigen fehlenden Wärmeplänen wird mit Hochdruck gearbeitet. Die Verzögerungen ergeben sich unter anderem aufgrund der umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung sowie aufgrund von Personalmangel und -wechsel in den Kommunen. Die Regierungspräsidien, die auch für die Prüfung der kommunalen Wärmeplanungen zuständig sind, stehen in engem Kontakt mit den betroffenen Kommunen und unterstützen diese. Das Umweltministerium hat das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) sowie die Klimaschutz- und Energieagentur BW (KEA-BW) beauftragt, die kommunalen Wärmepläne der verpflichteten Kommunen auszuwerten. Mit Ergebnissen ist im Herbst 2024 zu rechnen. Zu erwarten sind unter anderem Erkenntnisse zur flächendeckenden Wärmeplanung und wie die Wärmeplanung mit unseren Energie- und Klimazielen im Land zusammenpasst.
Wie kam die Pflicht zur Wärmeplanung bei den Kommunen an? Wie viele Städte und Gemeinden haben sich neben den ohnehin Verpflichteten freiwillig beteiligt?
Walker: Die Kommunen im Land sind die Hauptakteure der Wärmeplanung und der Wärmewende.
Und sie sind sich dieser Verantwortung bewusst. Ein kommunaler Wärmeplan kann die strategische Grundlage sein, um aufzuzeigen, wie die Klimaneutralität im Wärmesektor erreicht werden kann. Das Förderprogramm freiwillige kommunale Wärmeplanung für die kleineren Kommunen war sehr gefragt und ist als Erfolg zu werten. Rund 240 Kommunen werden derzeit im Rahmen der freiwilligen kommunalen Wärmeplanung in den ersten acht Tranchen des Förderprogramms unterstützt.
Welche Rolle spielen Wärmenetze aus Ihrer Sicht beim Umbau der Wärmeversorgung?
Walker: Neben klimafreundlichen dezentralen Lösungen wie der Wärmepumpe können Wärmenetze ein wichtiger Baustein sein, um Heizungen mittelfristig klimaneutral zu betreiben. Grundsätzlich sollten Wärmenetze dort gebaut werden, wo sich auch genug Bürgerinnen und Bürger anschließen, so dass dieses langfristig wirtschaftlich zu betreiben ist.
Die Kosten für Wärmenetze gehen in die Milliarden. Welche Wege gibt es für Kommunen, diese Ausgaben zu schultern?
Walker: Ein schneller Ausbau der Wärmenetze bringt schnellen Klimaschutz, da auf einen Schlag sehr viele Haushalte auf klimafreundliches Heizen umstellen.
Dabei ist eine angemessene Förderung oftmals ein wichtiger Faktor. Aktuell werden Wärmenetze über die „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“ (BEW) gefördert. Auf Landesebene befinden wir uns in einem Wärmegipfelprozess, in dem Stakeholder verschiedene Vorschläge zur weiteren Umsetzung der Wärmewende in Baden-Württemberg erarbeiten. Ein wichtiger Punkt ist hierbei auch eine Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen zur Finanzierung auf Landesebene. Daneben prüfen wir verschiedene Möglichkeiten, um die Kommunen sowie sonstige Wärmenetzbetreiber beim Ausbau zu unterstützen und die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Wie sollen Kommunen vorgehen, wenn eine signifikante Dekarbonisierung aufgrund der Gegebenheiten schwierig ist – etwa wenn sie keine Wärmenetze einrichten können?
Walker: In Gebieten, in denen Wärmenetze nicht wirtschaftlich sind – beispielsweise aufgrund einer nicht ausreichenden Anschlussdichte –, schlagen Kommunen in weiten Teilen die Versorgung von Einzelgebäuden vorrangig mit Wärmepumpen vor.
Außerdem sind Biomasse-, Solarthermie- und Hybridheizungen sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Stromdirektheizungen sinnvoll. Eine weitere Option stellen Quartierslösungen, also der Zusammenschluss mehrerer Gebäude an eine gemeinsame Wärmeversorgung, dar. Uns steht also ein breiter Fächer von Lösungen zur Verfügung, mit dem wir in Baden-Württemberg für eine erfolgreiche Wärmewende gut aufgestellt sind.
Quelle: EnBW-Kommunalmagazin KommPlus [PDF] (erschienen am 03.07.2024)