Die Maßnahmen sollen die Gefährdungen durch die missbräuchliche Nutzung radioaktiver Stoffe bewerten, beseitigen, die schädlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung verhindern oder – soweit dies nicht möglich ist – minimieren, den Zustand beenden und die radioaktiven Stoffe in einen gesicherten Zustand überführen.
Bei der Vielzahl möglicher Fälle und Szenarien der missbräuchlichen Nutzung radioaktiver Stoffe im Rahmen der nuklearspezifischen Gefahrenabwehr unterscheidet man im Wesentlichen:
- Fund oder Erlangung der tatsächlichen Gewalt,
- Abhandenkommen oder sonstiger Verlust,
- Diebstahl, Unterschlagung oder Raub,
- illegaler Besitz, Handel, Umgang, Import oder Beförderung,
- Freisetzung oder Dispersion,
- die Androhung einer Freisetzung oder Dispersion
- sowie Bau einer kritischen Kernbrennstoffanordnung oder die Drohung mit deren Einsatz.
Eine abschließende Aufzählung aller Maßnahmen in nuklearspezifischen Ereignisfällen ist aufgrund der unterschiedlichen Einsatzlagen im Rahmen einer übersichtlichen Darstellung nicht möglich. Im Folgenden sollen daher die wesentlichen Aspekte, die grundsätzlich immer zur Anwendung kommen, kurz wiedergegeben werden.
Im Hinblick auf eine möglichst effektive und wirksame Gefahrenabwehr und für die Bewältigung möglicher Auswirkungen von nuklearspezifischen Ereignissen kommt der raschen Kontaktaufnahme, Informationsweitergabe und Kommunikation zwischen den beteiligten Einsatz- und Unterstützungskräften eine bedeutende Rolle zu. Hierzu existieren in Baden-Württemberg umfangreiche Vorgaben hinsichtlich der Melde-, Informations- und Kommunikationswege zwischen den beteiligten Behörden und Stellen.
- Für eine schnelle und effektive fachtechnische Unterstützung der jeweils zuständigen Behörde bei der Bewältigung von nuklearspezifischen Ereignisfällen wurde in Baden-Württemberg das Kompetenzzentrum Strahlenschutz geschaffen. Dabei erfolgt beispielsweise eine radiologische Erstbewertung (Stoffbewertung und radiologische Gefährdungsbeurteilung) durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW).
- In nuklearspezifischen Ereignisfällen haben die Rettung sowie die medizinische und strahlenmedizinische Vorsorge gefährdeter oder verletzter Personen absolute Priorität.
- Der Ort des Ereignisses wird durch die Einsatzkräfte vor Ort abgesperrt und gesichert.
- Zur Verhinderung der Ausbreitung radioaktiver Stoffe, werden diese – soweit möglich – aufgefangen, fixiert oder gebunden.
- Soweit erforderlich werden durch entsprechend geschulte Fachleute Ausbreitungsrechnungen durchgeführt und anhand der ermittelten Ergebnisse Maßnahmen (zum Beispiel Verbleiben im Haus) empfohlen.
- Entsprechend der jeweiligen Einsatzlage kommen vorbereitete Handlungsempfehlungen und Handlungsoptionen zur Anwendung, die den Einsatzkräften die Entscheidungen für eine effektive und wirksame Gefahrenabwehr erleichtern sollen.
Eine schmutzige Bombe – die korrekte Bezeichnung ist eigentlich Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung (USBV) – ist ein Sprengsatz mit radioaktiver Beiladung. Der konventionelle Sprengstoff soll dazu dienen, die radioaktiven Stoffe in der Umwelt zu verteilen.
Die Hauptgefahr bei einem Anschlag mit einer „schmutzigen Bombe“ geht von der direkten Explosionswirkung des konventionellen Sprengstoffs aus. Die Folgen durch die Freisetzung der radioaktiven Stoffe sind demgegenüber eher von untergeordneter Bedeutung und werden im Allgemeinen überschätzt.
Selbst in unmittelbarer Nähe des Freisetzungsortes (das heißt außerhalb des unmittelbaren Wirkkreises der Explosion) sind die Dosiswerte durch die Strahlenexposition der freigesetzten radioaktiven Stoffe so niedrig, dass spezielle Strahlenschutzmaßnahmen in aller Regel nicht erforderlich sind. Selbstverständlich gibt es für verschiedene Radionuklide, die eine hohe Radiotoxizität besitzen, Ausnahmen von dieser Regel.
Im Allgemeinen bietet der Aufenthalt in Gebäuden oder in Fahrzeugen einen wirksamen Schutz vor einer möglichen Strahlenexposition durch Direktstrahlung oder durch Aufnahme der radioaktiven Stoffe in den Körper (Inkorporation) und ist somit dem Aufenthalt im Freien vorzuziehen. Abweichend davon können die örtlichen Behörden anderslautende Anweisungen treffen (zum Beispiel Räumung bestimmter Bereiche). Diese Anweisungen sind vorrangig zu befolgen.
Beim Aufenthalt in Gebäuden und Fahrzeugen sind folgende wesentliche Aspekte zu berücksichtigten:
- Fenster und Türen sollten geschlossen werden beziehungsweise bleiben und Lüftungs- und Klimaanlagen abgeschaltet werden
- Personen, die aus dem direkten Umfeld des Explosionsortes das Haus betreten, sollten nach Möglichkeit die im Freien getragene Oberbekleidung ablegen und Schuhe ausziehen und diese Kleidungsgegenstände außerhalb des Hauses – möglichst in einer Plastiktüte – lagern.
- Unbedeckte Körperteile (zum Beispiel Hände, Gesicht und Haare) sollten gründlich mit fließendem lauwarmen Wasser gereinigt werden.
- Haustiere und Gegenstände (zum Beispiel Spielzeug) sollten erst ins Haus genommen werden, nachdem sie gründlich gereinigt wurden.
Weitere Informationen
Bei der Freisetzung radioaktiver Stoffe im Verlauf eines radiologischen Ereignisfalls werden von den zuständigen Behörden oder den zugezogenen Einsatz- und Unterstützungskräften die gefährdeten Gebiete ermittelt. Es ist daher zunächst wichtig, die örtlichen Hinweise zu beachten, um zu erfahren, ob man sich in dem gefährdeten Gebiet aufhält beziehungsweise aufgehalten hat.
Sollte dies der Fall sein, sollte man auf die Angebote der lokalen Behörden zur Ermittlung einer möglichen Strahlenexposition achten. In bestimmten Ereignisfällen werden Messeinrichtungen, Dekontaminationsanlagen sowie strahlenmedizinische Beratungen in der Nähe des Ereignisortes angeboten. Man sollte sich daher unbedingt bei den lokalen Behörden oder bei den Einsatz- und Unterstützungskräften vor Ort informieren.
In Baden-Württemberg gibt es zudem mehrere Messstellen, die die Überwachung auf Inkorporation radioaktiver Stoffe durchführen können. Diese Messstellen können bei Bedarf bei den Regierungspräsidien erfragt werden.
In jedem Fall sollte man die von den lokalen Behörden sowie Einsatz- und Unterstützungskräften angebotenen Informationen beachten (zum Beispiel öffentliche Durchsagen über Lautsprecherwagen). Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, lokale Radio- und Fernsehsendungen zu verfolgen. In bestimmten Einsatzlagen werden die zuständigen Behörden auch Bürgertelefone anbieten, deren Nummern unter anderem über das Internet oder telefonisch bei den zuständigen Behörden erfragt werden können.
Man sollte auf Anrufe – nur um zu erfahren, was sich ereignet hat – bei den Notrufnummern der Polizei und Feuerwehr verzichten, damit diese Nummern für tatsächliche Notrufe nicht blockiert werden und die Arbeit der Einsatzkräfte erschwert wird.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat mit LASAIR ein Programmsystem zur Simulation der Ausbreitung und Inhalation von Radionukliden (Programm zur Berechnung der Strahlenexposition nach der Umsetzung einer Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung (USBV) mit beigefügten radioaktiven Stoffen) entwickelt, um die atmosphärische Verteilung von Radionukliden und die hieraus resultierende Strahlendosis für den Menschen abschätzen zu können. Dieses EDV-Programm wird auch in Baden-Württemberg eingesetzt und von entsprechend ausgebildeten Fachleuten in den verschiedenen Landesbehörden bedient.
Die Nuklearspezifische Gefahrenabwehr obliegt den Bundesländern und zählt in Baden-Württemberg zum Strahlenschutzrecht. In Baden-Württemberg sind nach der Strahlenschutz-Zuständigkeitsverordnung das Umweltministerium für „gravierende Gefahrenlagen im Zusammenhang mit gemeingefährlichen Straftaten“ und die Regierungspräsidien in den übrigen Fällen zuständig. Man kann sich allerdings auch jederzeit direkt über die bekannten Notrufnummern an die Polizei oder die Feuerwehr wenden.
Das Kompetenzzentrum Strahlenschutz unterstützt die zuständigen Stellen in Baden-Württemberg bei der Bewältigung von Fällen der nuklearspezifischen Gefahrenabwehr durch schnelle und effektive fachtechnische Unterstützung. Dazu sind verschiedene Strahlenschutzexperten des Landes in einem Netzwerk zusammengeführt, um insbesondere die Kommunikationswege zu verkürzen sowie den Erfahrungs- und Informationsaustausch zu verbessern.
Zur Bewältigung von Bedrohungslagen, die durch Straftaten mit radioaktiven Stoffen entstehen, hat der Bund den Unterstützungsverbund CBRN (UVB-CBRN) für gravierende Fälle der Nuklearspezifischen Gefahrenabwehr eingerichtet. In dieser amts- und ressortübergreifenden Unterstützungseinheit arbeiten Spezialkräfte des Bundeskriminalamts (BKA), der Bundespolizei (BPOL), des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), des Robert-Koch-Instituts (RKI) und der Bundeswehr (Bw) eng zusammen. Ziel ist es, alle multidisziplinären Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie personelle und materielle Logistik zusammenzufassen. Der Unterstützungsverbund CBRN wird auf Anforderungen der Länder und nach Zustimmung des gemeinsamen Krisenstabs des Bundes tätig. Die Zuständigkeit der Länder für die Nuklearspezifische Gefahrenabwehr bleibt davon unberührt.
Die zuständigen Behörden in Baden-Württemberg verfügen sowohl über Strahlenschutzfachleute als auch über Sicherheitskräfte für die speziellen Einsatzlagen der Nuklearspezifischen Gefahrenabwehr. Diese Einsatzkräfte werden ständig ausgebildet und in entsprechenden Übungen geschult, um die Einsatzstrategien in einem wirklichen Einsatzfall auch tatsächlich effektiv und wirksam umzusetzen.
Durch das Kompetenzzentrum Strahlenschutz verfügt Baden-Württemberg zudem über eine Organisation, in der der bestehende Sachverstand zur schnellen und effektiven fachtechnischen Unterstützung für die Bewältigung von Nuklearspezifischen Einsatzlagen vernetzt ist.
Durch den Kontakt zu den zuständigen Bundes- und anderen Länderbehörden ist gewährleistet, dass in Nuklearspezifischen Einsatzlagen zusätzliche Unterstützung beispielsweise durch den Unterstützungsverbund CBRN angefordert werden kann.
Soweit es sich erkennbar um radioaktive Stoffe handelt (zum Beispiel Kennzeichnung mit Strahlenzeichen), sollten diese beziehungsweise die Verpackung nicht berührt werden. Da auch von verpackten radioaktiven Stoffen oder von offensichtlich unbeschädigten Verpackungen für radioaktive Stoffe grundsätzlich eine Gefährdung durch die Direktstrahlung ausgehen kann, sollte immer ein ausreichend großer Abstand von den Stoffen beziehungsweise Verpackungen eingehalten werden.
Man sollte unverzüglich die Ortspolizei oder Feuerwehr über die bekannten Notrufnummern informieren, mit dem Hinweis, dass es sich offensichtlich um radioaktive Stoffe handelt. Man sollte bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte vor Ort bleiben, insbesondere wenn man in Kontakt mit den radioaktiven Stoffen gekommen ist, da die Einsatzkräfte die erforderlichen Maßnahmen (zum Beispiel Dekontamination, Untersuchung einer möglichen Inkorporation) durchführen oder veranlassen können.
Unbedeckte Körperteile (zum Beispiel Hände, Gesicht und Haare) sollten in jedem Fall gründlich mit fließendem lauwarmen Wasser gereinigt werden, um sicher zu stellen, dass eventuelle Kontaminationen beseitigt werden.