Wir verbrauchen mehr Ressourcen als wir haben und produzieren mehr Abfälle als nötig. Nachhaltigkeit geht anders. Wenn wir aktiven Ressourcenschutz betreiben möchten, müssen wir Rohstoffe in sogenannten Wertstoffkreisläufen führen. Das bedeutet: Rohstoffe so lange wie möglich zu nutzen, aus Abfällen zurückzugewinnen und dann erneut zu verwenden. Auf diese Weise können wir der Wegwerfwirtschaft ein Schnippchen schlagen, denn wertvolle Ressourcen landen dann nicht im Müll, sondern werden weitergenutzt.
Siedlungsabfälle
609 Kilogramm – so viel Abfall ist in Deutschland pro Person im Jahr 2019 angefallen. In Baden-Württemberg haben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsunternehmen im selben Jahr rund 478 Kilogramm pro Kopf eingesammelt.
Als Siedlungsabfall bezeichnet man Abfälle aus privaten Haushalten und vergleichbaren Einrichtungen, zum Beispiel Abfälle aus Arzt- und Rechtsanwaltspraxen, Verwaltungsgebäuden, Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie hausmüllähnliche Abfälle aus Gewerbe und Industrie. Ferner gehören zu den Siedlungsabfällen auch Sperrmüll, Marktabfälle, Straßenkehricht, Bioabfälle sowie getrennt erfasste Wertstoffe wie Glas und Papier.
Quellen:Statistisches Bundesamt, Abfallbilanz 2019Umweltministerium Baden-Württemberg, Abfallbilanz 2020
Vermeiden vor beseitigen
Der Umgang mit Abfällen ist in Deutschland durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz geregelt. Das Gesetzt schreibt eine strenge, fünfstufige Abfallhierarchie vor. Dabei gilt:
- Vermeidung von Abfall: Anspruch aller sollte es sein, möglichst viele Abfälle zu vermeiden. Durchdachte, langlebige Produkte können hier einen Anfang machen. Mehrweg- und Kreislaufsysteme tragen auf sinnvolle Weise zur Abfallvermeidung bei.
- Vorbereitung zur Wiederverwendung: Prüfen, reinigen, reparieren – vermeintliche Abfälle lassen sich oft durch einfache Maßnahmen so aufbereiten, dass sie wiederverwendet und erneut ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt werden können.
- Recycling (stoffliche Verwertung): Sekundärrohstoffe sind wichtiger Bestandteil unseres Wirtschaftskreislaufes. Glas, Altpapier, Plastik, Aluminium oder auch Kunst- und Verbundstoffe werden aus Abfällen zurückgewonnen und wiederverwendet. Auf diese Weise verringert Recycling den Verbrauch von Rohstoffen und hilft gleichzeitig Energie zu sparen.
- Sonstige Verwertung: Sollte eine Wiederverwendung oder stoffliche Verwertung nicht möglich sein, können Abfälle unter anderem energetisch verwertet werden. Ziel ist es, über diesen Weg zusätzlich Strom und Wärme zu gewinnen.
- Beseitigung: Thermisch vorbehandelt, führt der letzte Weg des Abfalls auf die Deponie. Organische Schadstoffe oder auch Altmedikamente werden vor der Ablagerung unschädlich gemacht. Zusätzlich reduziert die Verbrennung das Abfallvolumen. Deponiebautechnische Maßnahmen wie Abdichtsysteme und die Erfassung des Sickerwassers in der Deponie sichern eine möglichst umweltfreundliche Endlagerung.
Quelle:Umweltbundesamt
Weniger ist mehr
Wir leben über unsere Verhältnisse. Das zeigt sich sehr eindrücklich jedes Jahr am sogenannten Weltüberlastungstag. Das ist der Tag, an dem wir die Ressourcen verbraucht haben, die uns die Natur für ein Jahr liefert. Im Jahr 2021 war das der 29. Juli. Das bedeutet, wir leben so, als hätten wir die Ressourcen von 1,7 Erden zur Verfügung. In Deutschland waren die Ressourcen für das Jahr 2021 bereits am 5. Mai verbraucht. Hochgerechnet auf das gesamte Jahr bräuchten wir also 2,9 Erden. Die Menschen in den USA sogar 5! Wir haben aber nur den einen Planeten. Daher müssen wir behutsam und effizient mit unseren natürlichen Ressourcen umgehen.
Quellen:
GermanwatchEarth Overshoot Day. Global Footprint Network
Was geht?
Welche Anreize geben Kommunen zur Abfallvermeidung? Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) hat Internetseiten der Städte, Landkreise, öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und gemeinnütziger Organisationen in Baden-Württemberg aufgelistet, auf denen über Abfallvermeidungsstrategien informiert wird und Maßnahmen zur Abfallvermeidung angeboten werden. Hier finden Sie eine jede Menge Tipps und Anregungen – vom Bodensee-Pfandbecher über die Erdaushubbörse im Enzkreis bis zum Repair-Café in Emmendingen.
Mehr Informationen:Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg
Kunststoffe als Baumaterial
Rund ein Viertel der in Deutschland produzierten Kunststoffe wird im Bauwesen eingesetzt – für Dichtungsbahnen, Dämmstoffe, Bindemittel, Rohrleitungen und vieles mehr. Das Baugewerbe ist aber auch aktuell die Branche in Deutschland, die den meisten recycelten Kunststoff einsetzt. Rund 43 Prozent der Kunststoff-Rezyklate werden zu Baumaterialien verarbeitet.
Quelle:Plasticseurope
Wohnen in Recycling-Plastik
Recycling-Kunststoffe können in der Wohnung die Funktion von Fliesen übernehmen. In den Niederlanden entstehen aus alten Kunststoff-Schneidebrettern und Plastikflaschen Kunststoffplatten, die im Innen- und Außenbereich eingesetzt werden.
Quelle:
Smile Plastics
Recycling-Kunststoff-Fenster
PVC-Fensterrahmen lassen sich hervorragend recyceln. Die alten Rahmen werden geschreddert, gereinigt, eingeschmolzen und zu PVC-Granulat verarbeitet, aus dem wieder neue Fensterrahmen entstehen können. Ohne Qualitätsverlust lässt sich dieser Zyklus mindestens siebenmal wiederholen. Die Lebensdauer eines PVC-Rahmens kann wenigstens 30 bis 40 Jahre betragen. Damit kann das Material eines Fensters etwa 210 bis 280 Jahre im Umlauf sein.
Quelle:
Rewindo
NewspaperWood – erst lesen, dann sägen
Das Eindhovens Dagblatt, die Tageszeitung aus der niederländischen Stadt Eindhoven, ist das Ausgangsmaterial für Newspaperwood. Dazu werden alte Zeitungen aufgerollt und mit einem speziellen Leim verklebt. Auf diese Weise entsteht ein holzartiges Material. Die einzelnen Zeitungsschichten bilden sozusagen die Jahresringe des Zeitungsholzes. Bei der Herstellung des Holzes aus Zeitungen werden keine Lösungsmittel und keine Weichmacher verwendet. Es kann nach Gebrauch wieder komplett recycelt werden. Auch Papier könnte man wieder daraus herstellen.
Mehr Informationen:
NewspaperWood
Modulhaus aus Altpapier
Im schweizerischen Kanton Thurgau entwickelt ein Unternehmen aus Recycling-Papier ein betonverstärktes Wabenmaterial, das wie Legosteine zusammengesetzt und sowohl im Innenausbau als auch im Außenbereich verwendet werden kann. Ecocell heißt der neue Baustoff, mit dem ganze Häuser gebaut werden können. Er ist zehnmal leichter als Beton, dreimal leichter als Holz, mit über 230 Tonnen pro Quadratmeter belastbar − und das alles mit einem Herzen aus Papier.
Mehr Informationen:
Ecocell
Glaskeramik für Fassaden
Aus 120 alten Glas-Flaschen entsteht eine ein Quadratmeter große Glaskeramik-Platte, und aus dieser Platte kann wieder Glas für andere Produkte entstehen. Glaskeramik-Fassadenplatten sind die nachhaltige Alternative zu Flachglas-Fassaden aus Neuglas. Außerdem verleihen die lichtdurchlässigen Eigenschaften des Materials den Gebäuden eine ganz eigene Optik. Mehr Informationen zu Glaskeramik zum Beispiel unter: MAGNA Glaskeramik
Geschäumtes Glas
Aufgeschäumtes Recycling-Glas ist ein idealer Dämmstoff, zum Beispiel als Glasschaum-Schotter oder Glasschaum-Platten unter der Bodenplatte eines Hauses oder als feines Glasschaum-Granulat unter den Fußböden. Auch Glasschaum wird aus Altglas hergestellt und kann am Ende seines Lebenszyklus wieder zu neuem Glas werden.
Mehr Informationen zu Schaumglas unter: SCHLÜSSELBAUER Geomaterials oder FOAMGLAS
Recycling-Steine
Backsteine aus Abbruchhäusern, Betonreste, Altglas, Kacheln oder Schotter vom Rückbau von Straßen: Das sind die Rohstoffe, aus denen neues Baumaterial für Häuser oder Inneneinrichtungen werden kann. Zuvor wird das Material zermahlen und dann zu neuen Steinen gebrannt. Je nach Mischung und Rezept entstehen helle oder dunkle, blaue oder rote Bausteine. Vom Aussehen erinnern die Recycling-Klinker ein bisschen an das Innere der Nougat-Schokolade in Dreiecksform aus der Schweiz. Erfunden hat die neuen Steine aus altem Material die niederländische Firma StoneCycling.
Mehr Informationen:
StoneCycling
Alte Böden neu entdeckt
Terrazzo-Böden sind bereits seit der Antike bekannt. Terrazzo-Platten zeichnen sich durch Zuschlagstoffe (zum Beispiel Marmor) aus, die meist auf eine zementgebundene Estrichunterlage auf- oder eingebracht werden. Durch Schleifen und Polieren bekommt die Platte eine ebene und glänzende Oberfläche. Terrazzo-Platten lassen sich aber auch aus Bauschutt herstellen. So entsteht Urban Terrazzo. Die Idee dazu hatten Absolventen der Berliner Universität der Künste.
Baustoffe aus der Biotonne? Das eher nicht, aber nachwachsende Rohstoffe sind ein Baumaterial mit Zukunft. Wer dabei an Holz denkt, liegt ganz richtig. Aber es gibt noch viel mehr pflanzliche Rohstoffe, die sich zum Bauen, Dämmen und Wohnen eignen. Ein Beispiel dafür ist Stroh.
Stroh hat als Baustoff eine lange Tradition
Heute erlebt es im Hausbau eine Renaissance, zum Beispiel bei Strohballenhäusern. Hier übernehmen gepresste Strohballen die Funktion von Mauern. Weder von außen noch von innen unterscheiden sie sich von herkömmlichen Häusern, wenn das Stroh außen mit Kalk- und innen mit Lehmputz verkleidet ist. Fast immer werden Stroh und oft auch Lehm aus der Region eingesetzt, so dass lange Transportwege entfallen.
Stroh ist guter Dämmstoff
Eine 36 Zentimeter dicke Strohwand isoliert weitaus besser als eine 17,5 Zentimeter dicke Ziegelwand, die mit 12,5 Zentimeter dicken Polyurethan-Schaumplatten wärmegedämmt wurde. Dies hat das Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Holzkirchen errechnet.
Keine Angst vor Mäusen und Feuer
Wer mit Stroh baut, muss sich nicht vor Feuchtigkeit, Nagetieren oder einer erhöhten Feuergefahr fürchten. Das zeigen entsprechende bautechnische Nachweise des Fachverbands Strohballenbau. Das Stroh ist so dicht gepresst, dass es selbst ohne schützenden Putz erst nach mehr als einer Stunde Feuer fängt. Strohballenhäuser mit einer beidseitig drei Zentimeter dicken Lehmschicht erfüllen die Brandschutzklasse F 90. Eine Wand muss also 90 Minuten lang einem Feuer widerstehen.
Quellen:
Fachverband Strohballenbau Deutschland e. V. (FASBA)Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR)Strohballenhaus
Mehr als eine Erde/Weltüberlastungstag
GermanwatchOvershootday
In Kreisen denken/Kreislaufwirtschaft
Umweltministerium
Mehr.WERT Abfall/Abfallmengen
Statistisches Bundesamt: Abfallbilanz 2019
Recyclingquoten der Europäischen Union
Europäische Kommission/eurostat
Kleidung aus Kaffeesatz
Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF): bioökonomie.de