Blauer Engel für energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb
Seit 2011 können sich Rechenzentren mit dem „Blauen Engel für energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb“ auszeichnen lassen. Dieses vom Bundesumweltministerium getragene Umweltzeichen umfasst nicht nur die Energieeffizienz einzelner IT-Komponenten, sondern besonders auch das umweltbewusste Management des gesamten Rechenzentrums.Dazu gehört, verbindlich Ökostrom zu nutzen und keine klimaschädliche Treibhausgase in Kälteanlagen einzusetzen.
Für die Effizienz der Rechnerkühlung (PUE) sind Grenzen vorgegeben. Eingeschlossen sind auch die kontinuierlichen Dokumentationen von Energieverbräuchen, Serverauslastungen und des IT-Inventars. Auch Planungsaspekte, die Auslastung vorhandener, über Server hinausgehender IT, und die Langlebigkeit der Hardware werden in den Blick genommen. Insgesamt sollen Rechenzentren bestehende Effizienzpotenziale ausschöpfen und Hardware optimal nutzen.
Während der Laufzeit des Umweltlabels gelten für Neuinvestitionen noch ambitioniertere Umweltkriterien als bei der Erstvergabe. Weiteres Ziel des Blauen Engels ist es, für Betreibende mehr Transparenz über die eingesetzten Hardwareressourcen zu schaffen, um auf geänderte Rahmenbedingungen früh und effizient reagieren zu können.
Das Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) ist eines von drei Bundeshöchstleistungsrechenzentren und stellt seine Rechenkapazitäten Nutzenden aus Wissenschaft und Industrie zur Verfügung. Es betreibt neben weiteren Systemen mit seinem Höchstleistungsrechner „Hawk“ einen der leistungsfähigsten Supercomputer Europas mit einem durchschnittlichen elektrischen Leistungsbedarf von 3,5 Megawatt.
Im Oktober 2020 wurde dem HLRS für seinen nachhaltigen Betrieb der „Blaue Engel für energieeffizienten Rechenzentrumsbetrieb“ verliehen. Wie Dr. Norbert Conrad, Deputy Director am HLRS, erläutert, nimmt das HLRS das Thema Nachhaltigkeit ernst. Es hat daher in den letzten Jahren umfangreiche Managementsysteme implementiert: das Energiemanagementsystem DIN EN ISO 50 001 und die Umweltmanagementsysteme Eco-Management and Audit Scheme (EMAS) und DIN EN ISO 14 001. In der Außenwirkung haben aber weniger die Zertifizierungen nach EMAS oder ISO 50 001, sondern vielmehr der Blaue Engel als sehr bekanntes Label mit hoher Glaubwürdigkeit für große Aufmerksamkeit seitens Politik und breiter Öffentlichkeit gesorgt.
Dr. Conrad, am HLRS selbst für mehrere Jahre in der Funktion des Nachhaltigkeits-Management-Beauftragten tätig, betrachtet den Blauen Engel für energieeffiziente Rechenzentren nicht als eigentliches zusätzliches Managementsystem, anders als EMAS und ISO 50 001.
Das Umweltlabel macht keine Vorgaben für das „Wie“, sondern für das „Was“. Da es – anders als EMAS und ISO – spezifisch für Rechenzentren ist, kann es auch konkretere und damit anspruchsvollerer Ziele setzen als die allgemeinen Managementsysteme. Dadurch bietet es eine sinnvolle Ergänzung zu Umwelt- und Energiemanagementsystemen.
Für das HLRS hat es sich im Nachhinein als großer Vorteil erwiesen, zunächst die Umwelt- beziehungsweise Energiemanagementsysteme gemäß EMAS beziehungsweise ISO 50 001 aufzubauen. Tatsächlich lag darin die Hauptarbeit, so dass es dank der so geschaffenen Grundlagen am Ende fast nur noch „Fleißarbeit“ war, die für den Blauen Engel geforderten Unterlagen zusammenzutragen, so Dr. Conrad.
Um High Performance Computing (HPC)-spezifische Voraussetzungen für den Blauen Engel berücksichtigen zu können, der in erster Linie „klassische“ Rechenzentren im Blick hat, war das HLRS zudem mit dem Umweltbundesamt in Kontakt.
So konnte beispielsweise auf die Forderung des Blauen Engels nach Nutzung von Virtualisierungslösungen verzichtet werden, da diese für die im Bereich des Hoch- und Höchstleistungsrechnens alles entscheidenden Rechenleistung nachteilig sind.
Dr. Conrad rät Rechenzentren, die solche Zertifizierungen anstreben, nicht als Einzelkämpfer zu agieren, sondern Beratungsleistungen entsprechender Experten zu nutzen. Das HLRS konnte dafür auf Sachmittel der Landesstrategie Green IT zurückgreifen, die die vorbereitende Beratungsleistung in Höhe von rund 12.000 Euro abdeckten.
Enthalten war eine Vorort-Analyse, die Dokumentation des Ist-Zustands und vor allem eine Aufstellung des benötigten Monitoringkonzepts. Der Blaue Engel verlangt bereits zum Zeitpunkt der Zertifizierung detaillierte Monitoring-Daten über Auslastung und Energieverbräuche der letzten 12 Monate. Auf dieser Basis konnte dann das HLRS in den eigentlichen Zertifizierungsprozess einsteigen.
Obwohl die Vergabe des Umweltlabels problemlos verlief, gab es auch Herausforderungen. So muss zur Laufzeit des Blauen Engels beschaffte neue Hardware noch strengeren Anforderungen genügen als zu Beginn, beispielsweise beim Energieverbrauch im Leerlauf. Die entsprechenden Angaben von den Herstellern zu bekommen war nicht immer einfach.
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Zertifizierungen ist eine motivierende Unterstützung durch die Führungsebene. Außerdem ist wichtig, dass alle Mitarbeitenden in den Prozess einbezogen werden, einerseits durch Schulungsangebote, aber auch durch Nutzung des dort vorhandenen Wissens. Laut Dr. Conrad gilt, dass nur informierte Mitarbeitende sich nachhaltig verhalten können, und nur motivierte Mitarbeitende sich auch nachhaltig verhalten wollen.
Darüber hinaus ist die Funktion eines „Kümmerers“ sehr zu empfehlen, bei dem die wesentlichen Fäden zusammenlaufen, was zumindest temporär meist einen zusätzlichen Stellenbedarf bedeutet.
Als Ergebnis seiner Erfahrungen mit den genannten Zertifizierungen hat das HLRS im Jahr 2020 einen Praxisleitfaden „Nachhaltigkeit in Rechenzentren“ veröffentlicht, der über die Webseite des HLRS abrufbar ist. Viele der im Leitfaden genannten Beispiele lassen sich auch auf kommerzielle Rechenzentren übertragen.
Der Energieverbrauch von Rechenzentren nimmt vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung ständig weiter zu. Experten nehmen an, dass zukünftig allgemein mehr Wert auf Nachhaltigkeit in Rechenzentren gelegt wird, die durch Zertifizierungen nachgewiesen wird.
Mit seiner dauerhaft benötigten Leistung trägt das HLRS einen signifikanten Anteil zum IT-bedingten Energieverbrauch der gesamten Landesverwaltung bei. Somit haben Fördermaßnahmen, die bei der Zertifizierung unterstützen, eine potenziell besonders hohe Hebelwirkung im Hinblick auf die Ziele der Landesstrategie Green IT. Zusätzlich haben am HLRS erfolgreich umgesetzte Maßnahmen eine hohe Signalwirkung und Übertragbarkeit auf andere, ebenfalls energieintensive Hochleistungskomponenten innerhalb der baden-württembergischen Forschungslandschaft, und auch darüber hinaus.
Das HLRS hat daher bereits in früheren Jahren Fördermaßnahmen der Kompetenzstelle erfolgreich beantragt, die teilweise wichtige Grundlagen für den 2020 erworbenen Blauen Engel bildeten (Optimierung von Kühlkreisläufen, Abwärmenutzung und Ähnliches). Die vom HLRS gewählte Vorgehensweise ist beispielgebend auch für andere Rechenzentren nicht nur im HPC-Bereich, um Nachhaltigkeitsaspekte umfassend in die eigene Organisation zu integrieren.