Um die vom Land gesetzten Ziele zum Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen, ist neben dem Ausbau der Photovoltaik auf Dächern auch ein Ausbau in der Fläche zwingend erforderlich. Das kann zu Konflikten mit anderen fachlichen Belangen wie der landwirtschaftlichen Produktion oder dem Naturschutz führen.
Diese Nutzungskonflikte gilt es zu entschärfen. Das kann beispielsweise durch Konzepte gelingen, die eine Doppelnutzung von Flächen ermöglichen. Oder dadurch, dass vorzugsweise Flächen für die Photovoltaik genutzt werden, die für Landwirtschaft oder Naturschutz nur von begrenztem Wert sind.
In diesem Sinne wurde mit der Novellierung des Erneuerbaren Energien Gesetzes 2021 das Ausschreibungssegment der „Besonderen Solaranlagen“ eingeführt. Im Rahmen der Innovationsausschreibungen geht zunächst einmalig im Jahr 2022 ein festgelegtes Kontingent an doppelt genutzte Flächen, sowohl für die Photovoltaik als auch für den Nutzpflanzenanbau (sogenannte Agri-Photovoltaik), an schwimmende Photovoltaikanlagen und an Photovoltaikanlagen über Parkplatzflächen.
Agri-PV bedeutet, dass auf derselben Fläche zeitgleich sowohl Stromerzeugung durch Photovoltaik als auch landwirtschaftliche Produktion stattfindet. Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren können sich hierbei insbesondere im Obst- und Beerenanbau vielfältige Synergien ergeben. Bereits vorhandene Aufständerungen für Schutzabdeckungen können idealerweise gleichzeitig für die Aufständerung der Photovoltaikmodule verwendet werden oder diese sogar ganz ersetzen.
Auch für die Kulturführung können sich Vorteile ergeben. Durch die Bedeckung mit den Modulen verändert sich das Mikroklima im Pflanzenbestand, was positive Auswirkungen zum Beispiel auf den Wasserhaushalt und die Temperatur haben kann. Unter anderem kann daher potenziell der Pestizideinsatz verringert werden.
Um die verschiedenen Faktoren und Potenziale zu analysieren fördern das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft gemeinsam das Projekt „Modellregion Agri-Photovoltaik“. Unter Koordination des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme werden zunächst fünf Pilotanlagen auf Praxis- und Forschungsstandorten errichtet und die wechselseitigen Wirkungen der Anlage und der Kulturführung untersucht.
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Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE: Agri-Photovoltaik
Bei der schwimmenden Photovoltaik werden die Module auf stehenden Binnengewässern oder auf dem Meer installiert.
Potenziale in Baden-Württemberg bestehen insbesondere auf Baggerseen, an denen aktuell noch Kies oder Schotter abgebaut wird. Durch die Abbautätigkeit ist die Bedeutung des Gewässers für den Naturschutz oder Freizeitaktivitäten eingeschränkt, so dass mögliche Konflikte allenfalls abgeschwächt auftreten. Außerdem ergeben sich Synergien zwischen der Stromerzeugung durch Photovoltaik und dem energieintensiven Kiesabbau.
Nach einer vom Umweltministerium beauftragten Potenzialstudie des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme werden in Baden-Württemberg 71 Baggerseen als „geeignet“ und 144 als „bedingt geeignet“ für schwimmende Photovoltaik eingestuft. Welche Photovoltaik-Leistung auf diesen Baggerseen installiert werden kann, muss im Einzelfall geprüft werden.
Die schwimmende Photovoltaik ist eine noch junge Technologie. Noch existieren keine belastbaren Informationen darüber, welche Flächenbedeckung ohne nachhaltige Auswirkung auf das Ökosystem See möglich ist. Das in der Studie dargestellte Potenzial schwankt deshalb stark zwischen 70 und knapp 2000 Megawatt.
Parkplätze sind ineffizient genutzte, versiegelte Flächen. Eine Überdachung dieser Flächen mit Photovoltaikmodulen bringt neben einer flächenschonenden Installation weitere Vorteile mit sich. Elektro-Fahrzeuge können den Strom direkt vor Ort über Ladesäulen nutzen. Somit findet eine sinnvolle Sektorenkopplung zwischen der Erzeugung von erneuerbarem Strom und der Verkehrswende statt.
Seit dem 1. Januar 2022 besteht in Baden-Württemberg für neu zu errichtende Parkplatzflächen ab einer Stellplatzzahl von 35 die Pflicht, eine Photovoltaikanlage zu installieren.
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Ehemalige Deponien, die nicht mehr zur Ablagerung von Abfällen zur Verfügung stehen, bieten sich als Standorte für Photovoltaik-Anlagen an: Die Deponieflächen stellen durch ihre ursprüngliche Nutzung keine etablierte Natur-, Landschafts-, Acker- oder auch Waldflächen dar. Auch sind die Standorte meist gut erschlossen und bringen Dank der Böschungsneigung gute Voraussetzungen für die Solarstromerzeugung mit sich.
Im Auftrag des Umweltministerium führte die Landesanstalt für Umwelt Baden- Württemberg ein Projekt durch, bei dem ehemalige Deponieflächen im Land erfasst und als Standort für Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen beurteilt wurden. Die Ergebnisse wurden in den Energieatlas Baden-Württemberg in die Kategorie der Sonderflächen Photovoltaik auf Deponien integriert. Die Ergebnisse und weitere Informationen für die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen auf Deponien sind in einer Broschüre „Vom Deponie- zum Solarstandort” [PDF] zusammengefasst.