Für die ordnungsgemäße Entsorgung sogenannter spezifisch freigegebener konventioneller Abfälle aus dem Landkreis Karlsruhe haben unter der Moderation des baden-württembergischen Umweltministeriums mehrere Partner eine Lösung gefunden.
Darauf verständigt haben sich: der Landkreis Karlsruhe, der Neckar-Odenwald-Kreis und der Enzkreis inklusive ihrer Deponiegesellschaften sowie die beiden Abfallverursacher Energie Baden-Württemberg (EnBW) und Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe (KTE).
Die Abfälle werden von unabhängigen Prüforganisationen und unter Aufsicht des Umweltministeriums durch Messungen kontrolliert und bei nachgewiesener Unbedenklichkeit für Mensch und Umwelt zur Entsorgung auf dafür geeigneten Deponien freigegeben. Die Vereinbarung regelt, dass Abfälle dieser Kategorie auf den jeweiligen Deponien des Enzkreises (Deponie Hamberg) und des Neckar-Odenwald-Kreises (Deponie Sansenhecken) entsorgt werden. Beim Abbau der beiden Kernkraftwerksblöcke in Philippsburg sind etwa ein bis zwei Prozent der Gesamtmasse für die spezifische Freigabe zur Beseitigung vorgesehen. Darüber hinaus wird etwa ein Prozent als schwach- und mittelradioaktiver Abfall in einem Endlager entsorgt, 97 bis 98 Prozent können als Wertstoffe in den konventionellen Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Die Partner haben sich zudem darauf geeinigt, alle in diesem Sachverhalt anhängigen Rechtsverfahren zu beenden. Die zuständigen Gremien der genannten Partner haben diesen Vereinbarungen zwischenzeitlich zugestimmt – zuletzt am heutigen Tag (24. Februar 2025) der Aufsichtsrat der Abfallwirtschaftsgesellschaft des Neckar-Odenwald-Kreises (AWN).
Stimmen der Partner
„Der Landkreis Karlsruhe, der Enzkreis und der Neckar-Odenwald-Kreis, aber auch der Landkreistag Baden-Württemberg, der in allen Verhandlungsrunden eng mit eingebunden war, stellen damit unter Beweis, dass wir uns unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung auch bei einem so schwierigen Thema wie dem Ausstieg aus der Kernenergie und seinen Folgen durchaus bewusst sind. Es gehört einfach zur kommunalen DNA, Probleme nicht zu pflegen, sondern vielmehr Probleme zu lösen. Das ist nicht zuletzt auch Sinnbild unserer sehr engen, sehr vertrauensvollen und sehr guten Zusammenarbeit in Nordbaden, durch die letztlich auch eine Zwangszuweisung seitens des Landes vermieden werden konnte. Wir leisten auf diese Weise unseren solidarischen Beitrag, um einen Entsorgungsnotstand zu verhindern, ohne dass sich die Menschen im Neckar-Odenwald-Kreis irgendwelche Sorgen machen müssten. Jede und jeder von uns ist durchschnittlich einer natürlichen Strahlenbelastung von 2.100 Mikrosievert pro Jahr ausgesetzt, ohne es zu merken. Die gesetzliche Obergrenze für die Deponierung in Buchen ist hingegen auf gerade einmal 10 Mikrosievert festgesetzt. Ein Zweihundertstel des Durchschnittswerts also. Objektiv betrachtet ist das Material deshalb völlig harmlos.“
„Der Rückbau von Atom-Anlagen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie wird uns noch lange begleiten. Umso wichtiger ist dieser Durchbruch. Die kommunale Familie und die Abfallverursacher übernehmen gemeinsam Verantwortung. Die Vereinbarung ermöglicht, dass der Abbau der Anlagen in Philippsburg planmäßig weitergehen kann, so wie es gesetzlich festgelegt ist. Das Umweltministerium wird als zuständige Atomaufsichtsbehörde sicherstellen, dass nur unbedenklicher Abfall auf den Deponien ankommt.“
„Wir begrüßen die Vereinbarung, weil sie den bestehenden Engpass bei der Entsorgung konventioneller Abfälle auflöst. Dieser hatte zu Verzögerungen beim Rückbau des Kernkraftwerks Philippsburg geführt. Den Abbau der Anlagen werden wir sicher und verantwortungsbewusst fortsetzen – das gilt auch für den Umgang mit Reststoffen und Abfällen.“
„Wir bedanken uns für die gute, einvernehmliche Lösung. Alle Abfälle, die wir an die Deponien anliefern werden, sind für Mensch und Natur unbedenklich. Für uns ist die Deponierung ein wichtiger Schritt auf unserem Weg, die Region von ihrem nuklearen Erbe zu befreien. Unser Dank gilt auch allen an diesem Prozess beteiligten Interessensgruppen für ihr Vertrauen – Vertrauen in unsere langjährige Expertise als öffentliches Unternehmen für Rückbau und Abfallbehandlung und ihr Vertrauen in die auf uns angewendeten Kontrollmechanismen.“
Hintergrund
Der Ausstieg aus der Kernenergie ist in Deutschland gesetzlich besiegelt. Alle Kernkraftwerke sind abgeschaltet, und aus dem Atomgesetz ergibt sich eine Pflicht zum unverzüglichen Rückbau dieser Anlagen. Darüber hinaus wurde bereits im Jahr 1991 die Kernforschung an Prototyp- und Forschungsreaktoren eingestellt.
Im Landkreis Karlsruhe gibt es mehrere kerntechnische Rückbau-Projekte. Dies sind neben den beiden Blöcken des Kernkraftwerks Philippsburg (Betreiber: EnBW) auch die kerntechnischen Prototyp- und Forschungsanlagen der KTE am KIT-Campus Nord.
Beim Rückbau von kerntechnischen Anlagen fallen unter anderem auch konventionelle Abfälle an, die deponiert werden müssen. Diese müssen einen Mess- und Freigabeprozess durchlaufen, der vom baden-württembergischen Umweltministerium engmaschig überwacht wird. Anschließend sind sie den Vorschriften entsprechend auf Deponien zu beseitigen.
Im Landkreis Karlsruhe ist auf absehbare Zeit jedoch keine dafür geeignete Deponie vorhanden. Ohne geeigneten Entsorgungsweg würde sich der unverzügliche Rückbau der kerntechnischen Anlagen verzögern. Denn Teil des Rückbaus ist stets auch die ordnungsgemäße Entsorgung oder Verwertung des abgebauten Materials.
Entsorgung von freigemessenen Abfällen auf Deponien in Baden-Württemberg
Bei der Deponierung der spezifisch freigegebenen konventionellen Abfälle werden stets die hierfür in Deutschland geltenden strengen rechtlichen Vorgaben eingehalten, die den Schutz von Mensch und Umwelt gewährleisten. Zusätzlich kommt die vom baden-württembergischen Landkreistag erarbeitete sogenannte „Handlungsanleitung“ zur Anwendung, auf die sich alle Beteiligten in Baden-Württemberg verständigt haben.
Vertiefende Erläuterungen zu radiologischen und regulatorischen Grundlagen der Freigabe, insbesondere zum Dosiskriterium 10 Mikrosievert [PDF; 02/23]
Im Zuge der getroffenen Vereinbarung verpflichten sich die Deponien Hamberg und Sansenhecken, spezifisch freigegebene konventionelle Abfälle aus dem Kernkraftwerk Philippsburg und aus den kerntechnischen Prototyp- und Forschungsanlagen der KTE aufzunehmen. Die beiden Deponien nehmen nur solche Abfallarten (sogenannte „Abfallschlüssel“, zum Beispiel „Beton“) an, für die sie bereits zugelassen sind. Zu beachten ist, dass die Aufnahmekapazität der Deponie Hamberg in den nächsten Jahren begrenzt ist.
Die Deponie Sansenhecken nimmt nur solche Abfälle an, die nicht auf der Deponie Hamberg entsorgt werden können. Darüber hinaus haben bei der Deponie Sansenhecken Anlieferungen aus dem Rückbau des Kernkraftwerks Obrigheim Vorrang.
Der Landkreis Karlsruhe wird die Suche nach einem Deponiestandort auf seiner Gemarkung weiterhin konsequent und zügig fortführen und nimmt spezifisch freigegebene konventionelle Abfälle an, sobald diese eigene Deponie zur Verfügung steht.
Die Menge von spezifisch freigegebenen konventionellen Abfällen, die aus dem Rückbau des Kernkraftwerks Philippsburg und den kerntechnischen Prototyp- und Forschungsanlagen der KTE resultieren werden, können vorab nur abgeschätzt werden. Denn die tatsächlich anfallende Masse ergibt sich immer erst nach Durchlaufen des behördlich überwachten Freigabeverfahrens. Die EnBW schätzt für die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Philippsburg, dass etwa ein bis zwei Prozent der Gesamtmasse als spezifisch freigegebene konventionelle Abfälle deponiert werden müssen. Es handelt sich dabei um Material aus den Kontrollbereichen der Anlagen, die standardmäßig auf ihre radiologische Unbedenklichkeit überprüft werden. Das sind bis zu 16.300 Tonnen. Die KTE schätzt ihre Menge vorläufig auf etwa 13.000 Tonnen.
Quelle:
Gemeinsame Pressemitteilung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis, des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz und Energiewirtschaft, der EnBW Kernkraft GmbH und der Kerntechnische Entsorgung Karlsruhe GmbH