Das Land Baden-Württemberg und die Solvay GmbH haben einen zeitlich befristeten Vertrag für einen eng überwachten Testbetrieb geschlossen. So sollen Maßnahmen auf ihre Wirkung überprüft, Schwachstellen identifiziert und Treibhausgas-Emissionen weiter reduziert werden.
Das Land – vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) – hat mit der Solvay GmbH nach intensiven Gesprächen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag für den Testbetrieb zur weiteren Reduktion von SF6-Emissionen und zur weiteren Emissionsüberwachung am Standort Bad Wimpfen geschlossen. Der Vertrag erfolgt vor dem Hintergrund, eine klimaschonende und bedarfssichernde Produktion langfristig in Europa sicherzustellen und regional die Arbeitsplätze zu erhalten. Der Vertrag ist zunächst auf fünf Monate nach Inkrafttreten begrenzt, enthält jedoch zugleich das Ziel – vor dem Hintergrund der Auswertung des Testbetriebs und unter entsprechenden Rahmenbedingungen – eine Fortsetzung der vertraglichen Regelungen zur Aufrechterhaltung des klimaschonenden und bedarfssichernden Betriebs zu gewährleisten.
Solvay hat in enger Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Stuttgart erhebliche Emissionsminderungen erreicht. Jedoch reichen die ergriffenen Maßnahmen nach Auffassung des Regierungspräsidium Stuttgarts als Überwachungsbehörde noch nicht aus. Die vorläufigen Zahlen der behördlich angeordneten Messung vom November 2025 zeigen, dass die Werte weiter deutlich nach unten gegangen sind. Der Grenzwert wird gemäß diesen jüngsten Messungen durch ein externes Messinstitut in den meisten Betriebszuständen eingehalten – jedoch nicht in allen.
Einordnung: Grenzwert – nachträgliche Anordnung – Klage
Dabei ist zu beachten: Es gibt keinen rechtlich festgelegten spezifischen Grenzwert für SF6, sondern lediglich einen sogenannten Summenparameter für Fluor und alle seine gasförmigen anorganischen Verbindungen. In einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 30. Juni 2008 ist ein Emissionsgrenzwert von 3 mg/m3 für Fluor und seine gasförmigen anorganischen Verbindungen festgeschrieben.
Aus behördlicher Sicht umfasst dieser Summenparameter auch SF6. Die nachträgliche Anordnung vom 3. November 2025 legt für die Anlage in Bad Wimpfen nochmals klarstellend einen Emissionsgrenzwert für die Stoffgruppe fest, um eine andere Interpretation des Unternehmens auszuschließen.
Umweltministerin Thekla Walker kündigt eine Initiative auf Bundesebene an, um Regelungslücken zu schließen. „SF6 ist nicht nur schwer zu messen. Das Gas ist bisher auch rechtlich schwer zu fassen. Es gibt keinen spezifischen Grenzwert. Das Immissionsschutz-Recht gibt den Behörden bei drohenden Klimaschäden bisher keine harten Eingriffsmöglichkeiten. Beides sollte sich aus unserer Sicht ändern. Ich will, dass das Recht auch berücksichtigt, dass nichts Umwelt und Gesundheit langfristig so schädigt wie eine ungebremste Erderhitzung. Wir werden einen Antrag in den Bundesrat einbringen mit dem Ziel, in der relevanten Norm TA Luft klare Grenzwerte für klimaschädliche Gase festzulegen.“
Regierungspräsidentin Susanne Bay: „Die Grenzwerte müssen bei der gesamten Anlage eingehalten werden. Solvay muss das sicherstellen. Da zur Fehler-Identifikation und Überprüfung der Wirksamkeit der Maßnahmen die Anlage betrieben werden muss, wird ein Testbetrieb mit klaren Rahmenbedingungen versehen und von uns ganz engmaschig begleitet – mit regelmäßigen Messungen eines externen Messinstituts.“
Engmaschig überwachter Testbetrieb
Um noch vorhandene Fehler zu finden und abzustellen und eine klimaschonende Produktion zu ermöglichen, wurde ein durch das Regierungspräsidium Stuttgart engmaschig überwachter Testbetrieb vereinbart.
Er unterliegt genauen Vorgaben, beispielsweise wie oft die Anlage maximal an- und abgefahren werden darf. Solvay muss während dieser Zeit die Emissionen wöchentlich durch eigene Messungen und monatlich über ein externes Messinstitut nachweisen und die Werte unverzüglich dem Regierungspräsidium Stuttgart vorlegen. Rechtzeitig vor Ende des Testbetriebs wird eine Neubewertung der Emissionssituation erfolgen und auf dieser Basis Gespräche mit dem Ziel der Fortsetzung der vertraglichen Regelungen zur Aufrechterhaltung eines dauerhaften, klimaschonenden und wirtschaftlichen Betriebs aufgenommen.
Bei Nichteinhaltung der Vertragspflichten ist ein Zwangsgeld im Vertrag angedroht.
Das Land und Solvay haben im Vertrag zudem festgehalten, das Verfahren der durch Solvay erhobenen Klage gegen die nachträgliche Anordnung beim Verwaltungsgericht Stuttgart ruhend zu stellen.
Hintergrund
Schwefelhexafluorid (SF6) ist ein klimaschädliches Isoliergas, das vor allem in der Elektroindustrie verwendet wird. Dort ist es weitgehend unverzichtbar. Eine vom Umweltbundesamt geförderte und im November 2025 veröffentlichte Studie der Universität Frankfurt hat über Messungen in Hessen und Modellierungen für weitere Gebiete in Deutschland festgestellt: Ein ungewöhnlicher Schwerpunkt der SF6-Emissionen liegt in Baden-Württemberg. In Bad Wimpfen sitzt mit der Firma Solvay der europaweit einzige Produzent von SF6.
Rechtlich ist eine behördliche Untersagung der Produktion nach dem geltenden Bundesimmissionsschutzgesetz nicht möglich. Paragraf 20 Absatz 1 Satz 2 BImSchG sagt dazu, dass eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt vorliegen muss, um einen Betrieb untersagen zu können. Somit werden Stoffe wie SF6 damit rechtlich nicht erfasst; Schäden entstehen via Treibhauseffekt nicht unmittelbar, sondern in der Zukunft.
Weitere Informationen
Quelle:
Gemeinsame Medienmitteilung des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und des Regierungspräsidiums Stuttgart

