Luft-Messungen

Treibhausgas-SF6-Emissionen

Schwefelhexafluorid (SF6) ist ein klimaschädliches Isoliergas, das vor allem in der Elektroindustrie zum Beispiel in Schaltschränken verwendet wird. Dort ist es weitgehend unverzichtbar.

Berechne Lesezeit
  • Teilen
qualmender Schornstein
Symbolbild

Es ist sehr wichtig, dass die Vorrichtungen wie Schaltschränke so gebaut werden, dass das Gas nicht entweicht. Dies gilt natürlich auch für den Produktionsprozess von SF6 selbst. Eine vom Umweltbundesamt geförderte und im November 2025 veröffentlichte Studie der Universität Frankfurt am Main hat über Luft-Messungen in Hessen und Modellierungen für weitere Gebiete in Deutschland festgestellt: Ein ungewöhnlicher Schwerpunkt der SF6-Emissionen liegt in Baden-Württemberg. In Bad Wimpfen bei Heilbronn hat mit der Firma Solvay der europaweit einzige Produzent von SF6 seinen Sitz.

Was ist passiert?

Das Studienteam der Universität Frankfurt arbeitete in diesem Forschungsprojekt mit einer neuen Methode und wandte diese für verschiedene grossflächige Gebiete an. Jedes dieser Gebiete hat die Größe von etwa der halben Landesfläche Baden-Württembergs. Eines dieser Gebiete liegt im nördlichen Landesteil von Baden-Württemberg. Bei den Analysen der Messreihen ihrer Station auf dem Feldberg in Hessen stellten sie fest, dass die dort gemessenen Emissionen von SF6 um ein Vielfaches höher liegen als zu erwarten gewesen wäre. Über entsprechende Berechnungen und Modellierungen ließen sich diese hohen Messwerte auf das oben genannte Gebiet im Norden Baden-Württemberg zurückführen. Über das hessische Umweltministerium entstand der Kontakt zwischen dem Forscherteam und den Behörden in Baden-Württemberg.

Der Studienleiter, Prof. Dr. Andreas Engel, stellte im Februar 2024 im Umweltministerium Baden-Württemberg seine Roh-Untersuchung vor. Im April 2024 wurden weitere Berechnungen vorgelegt und erörtert. Unmittelbar im Anschluss ging die zuständige Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsidium Stuttgart, auf die Firma Solvay als die wahrscheinlichste Emissionsquelle zu.

Im Rahmen der behördlichen Überwachung hat das Regierungspräsidium Stuttgart die Firma Solvay aufgefordert, zusätzliche Untersuchungen durchzuführen.

Im Zuge dieser aufwändigen Untersuchungen wurden bislang unerkannte SF6-Emissionen identifiziert. Allerdings gab es offenbar nicht das eine – leicht zu behebende – Leck. Die Gründe für die deutlich überhöhten Werte haben mehrere Ursachen an unterschiedlichen Punkten der hochkomplexen Anlage. Daher dauern die Überprüfungen und daraus folgenden Änderungen an der Anlage von Mitte 2024 bis heute an. Das Unternehmen hat dem Regierungspräsidium Stuttgart frühzeitig einen umfänglichen Maßnahmenplan vorgelegt, dessen schrittweise Umsetzung die Behörde engmaschig begleitet hat.

Das Regierungspräsidium hat inzwischen die Maßnahmen auch in einer formalen Anordnung festgesetzt:

  • Dichtigkeitsprüfung und Austausch von Dutzenden Sicherheitsventilen
  • Anbringen von Schutzscheiben vor die Sicherheitsventile und Alarmierung im Falle des Berstens
  • Vorlage eines Überwachungskonzepts zur Eigenkontrolle der SF6-Emissionen
  • Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Abluftreinigungsanlage
  • Ein Prozess zur Reinigung von Gebinden nach der Restentleerung wurde eingestellt

Ein externes, akkreditiertes und anerkanntes Institut hat aktuell mehrere Messreihen durchgeführt, um den Erfolg der Massnahmen zu prüfen, der abschließende Messbericht liegt allerdings noch nicht vor. Vorläufige Zwischenergebnisse zeigen, dass die SF6-Emissionen bis September 2025 um 86 Prozent reduziert werden konnten. Damit liegen sie allerdings immer noch zu hoch.

Eine weitere angeordnete Messung Anfang November 2025 soll klären, ob die seitdem zusätzlich ergriffenen Maßnahmen erfolgreich waren, um den per Anordnung festgelegten Grenzwert einzuhalten (gesetzliche Frist zur Vorlage des Messberichts: 12 Wochen).

Solvay hatte gegen die oben genannte Anordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart Klage eingereicht. Die Behörden werden alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um Transparenz herzustellen und mögliche weiterhin bestehende Überschreitungen der SF6-Emissionen abzustellen.

Umgang mit der Firma Solvay

Umweltministerium und Regierungspräsidium haben die Studie als ernstzunehmenden Hinweis gewertet, dass Solvay die Quelle für die überhöhten SF6-Emissionen sein kann.

Solvay ist der einzige Ort mit einem in Frage kommenden relevanten SF6-Aufkommen in Baden-Württemberg, der bekannt ist. Aufgrund der Modellierung der Studie mit einem sehr großen Erfassungsgebiet reichen die Studienergebnisse zwar nach den Regeln der Logik, aber nicht unter harten juristischen Gesichtspunkten aus, um rechtlich gegen Solvay vorzugehen.

Daher erfolgte dann die Anordnung des Regierungspräsidiums für unabhängige Messungen vor Ort, die den Erfolg der Maßnahmen zur Leckfindung und Schließung belegen müssen.

Der Fokus der Überwachungsbehörde Regierungspräsidium Stuttgart liegt auf einer möglichst schnellen Umsetzung von Maßnahmen, um SF6-Emissionen zu vermeiden.

Das Land Baden-Württemberg und Solvay haben nun einen zeitlich befristeten Vertrag für einen eng überwachten Testbetrieb geschlossen. So sollen Maßnahmen auf ihre Wirkung überprüft, Schwachstellen identifiziert und Treibhausgas-Emissionen weiter reduziert werden. Rechtzeitig vor Ende des Testbetriebs wird eine Neubewertung der Emissionssituation erfolgen. Auf dieser Basis wird es Gespräche geben mit dem Ziel, die vertraglichen Regelungen fortzusetzen, um eine dauerhaften, klimaschonenden und wirtschaftlichen Betrieb aufrechtzuerhalten.

Das Verfahren der durch Solvay erhobenen Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart wird ruhend gestellt.  

Rechtlicher Rahmen

Die Firma Solvay hat ab Mai 2024 einen Maßnahmenplan mit umfangreichen Maßnahmen aufgestellt und umgesetzt und mit dem Regierungspräsidium abgestimmt. Eine förmliche Anordnung war daher zu einem frühen Zeitpunkt aus rechtlicher Sicht nicht verhältnismässig. Erst zum Ende wurden auf Dauer angelegte Anforderungen (Präzisierung des Grenzwertes und Durchführung offizieller Messungen) mit Blick in die Zukunft in der nachträglichen Anordnung festgesetzt.

Weitergehende Schritte bis hin zu einer Stilllegung der Produktion waren zu keinem Zeitpunkt rechtlich haltbar. Die Stilllegung einer Anlage ist im Bundes-Immissionsschutzgesetz nur begründbar, wenn durch einen Pflichtverstoss eine unmittelbare Gefährdung der menschlichen Gesundheit oder eine unmittelbare erhebliche Gefährdung der Umwelt verursacht werden. Langfristig wirkende Klimagase werden von dieser Regelung (leider) nicht erfasst.