Vor allem für den Industrie- und Technologiestandort Baden-Württemberg bietet „grüner“ Wasserstoff – klimaneutral aus erneuerbarem Strom erzeugt – große Potenziale. Um diese Potenziale zu heben, hat das Umweltministerium in enger Abstimmung mit der Industrie, der Wissenschaft, Verbänden und Politik einen Fahrplan für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft erarbeitet.
Die Wasserstoff-Roadmap Baden-Württemberg [PDF; 12/20] wurde am 15. Dezember 2020 vom Kabinett des Landes beschlossen. Sie gibt den Weg für die kommenden Jahre vor, den Baden-Württemberg begehen muss, um zu einem führenden Standort für Wasserstoff- und Brennstofftechnologien zu werden.
Die Umsetzung und Weiterentwicklung der Roadmap wird durch die Plattform H2BW unterstützt, die bei der Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg e-mobil BW GmbH eingerichtet wurde.
Erster Fortschrittsbericht zur Wasserstoff-Roadmap
Mit dem ersten Fortschrittsbericht 2023 [PDF; 05/23] wird die Wasserstoff-Roadmap weiterentwickelt und um relevante Handlungsfelder ergänzt. Zentrale Schwerpunkte des Fortschrittsberichtes sind die Bereitstellung von Wasserstoff und der Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur (beispielsweise durch Wasserstoffpipelines).
Die Grafik bildet die Struktur des Fortschrittsberichts ab. Wasserstoffbereitstellung und -infrastruktur bilden als Dach die Voraussetzung für die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft. Die Sektoren Industrie, Mobilität sowie Stromerzeugung aus Wasserstoff bilden die Hauptanwendungssektoren für grünen Wasserstoff. Technologie, Forschung und Qualifizierung von Fachkräften sowie gesellschaftliche Akzeptanz stellen Querschnittsbereiche dar, die auf alle oben genannten Bereiche einwirken. Regulierungsfragen sind wichtige Stellhebel für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, sie gewährleisten Sicherheit für notwendige Investitionsentscheidungen.
Gleichzeitig informiert der erste Fortschrittsbericht über die bisher umgesetzten Maßnahmen der Roadmap: Es konnten bereits viele Demonstrations- und Leuchtturmprojekte im Land initiiert werden. Dadurch sind rund 500 Millionen Euro Fördermittel in Projekten im Land wirksam beziehungsweise in Aussicht gestellt. Baden-Württemberg positioniert sich damit – insbesondere wissenschaftlich und technologisch – sehr gut für den Wasserstoffhochlauf und wird gezielt auf diesen Projektergebnisse aufbauen.
Aufgrund der geopolitischen Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist davon auszugehen, dass der Wasserstoffbedarf bereits 2030 deutlich höher sein wird als bisher angenommen.
Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft hat deshalb gemeinsam mit der Plattform H2BW, dem Fernleitungsnetzbetreiber terranets bw, dem Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) und zahlreichen Verbänden eine neue Bedarfsanalyse durchgeführt. Die drei Säulen der konzertierten Bedarfsermittlung bestehen aus einer Kombination folgender Bausteine: einer Informationskampagne, einer Bottom-Up Bedarfsabfrage sowie einem Top-down-Ansatz mit Hilfe einer wissenschaftlichen Auswertung der Wasserstoffbedarfe durch das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW).
Ergebnisse der landesweiten Bedarfserhebung
Am 7. November 2023 stellte Ministerin Thekla Walker der Ergebnisse der Bedarfsabfrage im Kabinett vor, am 9. November 2023 wurden die Ergebnisse in einer Online-Veranstaltung präsentiert. Im Vergleich zu vorhergehenden Studien und Abfragen zeigt sich, dass sehr viel früher ein erheblicher Wasserstoffbedarf gegeben ist. So wird bereits in den kommenden Jahren ein noch moderater, aber konkreter Wasserstoffbedarf gemeldet, der für 2025 bei 4,1 Terawattstunden angegeben wird. Zudem wurden die Wasserstoffbedarfe kurz- ebenso wie mittel- und langfristig deutlich höher gemeldet als die bisherigen Studien und Abfragen aufgezeigt haben. Die Gesamtbedarfe liegen in 2032 bei 52,4 Terawattstunden, in 2035 bei 73,5 Terawattstunden und ab 2040 bei 90,7 Terawattstunden. Im Vergleich zur letzten Abfrage von terranets vor zwei Jahren hat sich der Bedarf in etwa verdoppelt. Sobald der ausführliche Abschlussbericht fertig gestellt ist, wird er auf dieser Seite veröffentlicht.
Regionaler Wasserstoffbedarf in Baden-Württemberg ermittelt
Das Umweltministerium hat in Kooperation mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) erstmals eine regionale Auswertung der Wasserstoffbedarfe für Baden-Württemberg vorgelegt. Das ZSW hat aufbauend auf der jüngsten landesweiten Wasserstoffbedarfserhebung von Anfang November 2023 die Bedarfe auf Land- bzw. Stadtkreisebene ausgewertet und für die Jahre 2025, 2030, 2035 und 2040 in Übersichtskarten aufgeschlüsselt.
Für 2025 wurde ein höherer Bedarf an Wasserstoff vor allem in den Kreisen Karlsruhe-Stadt, Ostalb, Ortenau, Lörrach, Heilbronn-Land, Main-Tauber und Ravensburg ermittelt. In den Folgejahren steigen die Bedarfe im Land. Insbesondere ab 2032 - wenn erste Pipelineverbindungen des bundesweiten Wasserstoff-Kernnetzes zur Verfügung stehen – werden weitere Industriebedarfe gemeldet, z.B. im Kreis Heidenheim durch die dort ansässige Grundstoffindustrie.
Über den reinen Bedarf hinaus hat das ZSW die theoretisch erforderlichen Elektrolysekapazitäten zur Deckung der regionalen Bedarfe für die Jahre 2025 und 2030 ermittelt – die lokale Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyseuren muss zur Deckung des Bedarfs beitragen, bevor das bundesweite Pipelinenetz für die Wasserstoffversorgung Baden-Württembergs ab 2032 an den Start geht.
Weitere Informationen
ZSW: Ergebnisvorstellung der Wasserstoffbedarfsermittlung vom 9. November 2023 [PDF]
Die Wasserstoffbedarfe können weiterhin eingegeben werden. Sie werden in regelmäßigen Abständen erneut ausgewertet und veröffentlicht:
terranets bw GmbH: Wasserstoffbedarfsermittlung in Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg wird mehr Wasserstoff benötigt als perspektivisch im Land selbst erzeugt werden kann. Um den Bedarf decken zu können, sind daher erhebliche Importkapazitäten und eine leitungsgebundene Infrastruktur (Pipelines) notwendig, denn Baden-Württemberg wird nur zu einem geringeren Anteil selbst grünen Wasserstoff (mittels Elektrolyse) erzeugen können.
Infrastruktur
Die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur, um Wasserstoff erzeugen, speichern und transportieren (einschließlich Import) zu können, ist eine zentrale Voraussetzung für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in Baden-Württemberg. Für 2030 kann in Baden-Württemberg mit einem Anschluss an das deutsche und europäische Wasserstoffnetz und Verbindungen zur Nordsee und in den Ostseeraum gerechnet werden. Weitere Ausbaustufen werden bis 2040 folgen. Bestehende Erdgasnetze können zu einem überwiegenden Teil genutzt, einige Leitungen müssen neu gebaut werden.
Wasserstofferzeugung im Land
Erzeugungskapazitäten im Land (Insel- beziehungsweise Clusterlösungen) müssen geschaffen werden, vor allem um kurz- und mittelfristig die wachsenden Bedarfe an grünem Wasserstoff bis zu einer Pipelineanbindung (aber auch danach) zu decken.
Importe
Würden Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe ausschließlich in Baden-Württemberg erzeugt werden, wäre der Bruttostromverbrauch 2040 mehr als doppelt so hoch wie heute. Das Land hat daher neue Kooperationen mit Regionen wie Andalusien und Schottland, aber auch mit Chile (beim Thema reFuels) vereinbart. Außerdem werden bestehende Netzwerke und Partnerschaften genutzt und neue Kooperationen aufgebaut, um Optionen für das Land im Bereich Wasserstoff (Import von Wasserstoff und Derivaten), aber auch im Bereich der technologischen Zusammenarbeit zu stärken.
Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien sind wichtig im industriellen Transformationsprozess. Sie bieten für ansässige Unternehmen enorme Exportpotenziale auf internationalen Märkten. Daraus ergeben sich für Unternehmen aus Baden-Württemberg Chancen, Leitanbieter entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette zu werden. Baden-Württemberg gehört zu den führenden Standorten in der Entwicklung und Produktion von Brennstoffzellenkomponenten und -systemen.
Zusätzlich ergeben sich Potenziale für baden-württembergische Unternehmen im Bereich der Fertigung von Elektrolysetechnologien. Besonders der Anlagenbau und der Export von Technologien und Komponenten werden sich zu wichtigen Geschäftsfeldern entwickeln. Die Skalierung und serielle Fertigung der oben genannten Technologien stellt ein wesentliches Handlungsfeld dar und wird daher zukünftig weiter unterstützt und gefördert, damit diese die nötige Marktreife entwickeln können.
Von großer industriepolitischer Bedeutung sind die fünf in Baden-Württemberg angesiedelten IPCEI-Projekte (Abkürzung für „Important Project of Common European Interest“). Die Förderung dieser Projekte soll die Entwicklung von Wasserstofftechnologien entscheidend vorantreiben und Wertschöpfung im Land erhalten sowie Arbeitsplätze sichern.
Die Anwendungsbereiche für Wasserstoff werden vor allem in der Stromversorgung als Backup-Option (bis 2040 Fuel-Switch zu Wasserstoff), in verschiedenen Industriesektoren zur stofflichen und energetischen Nutzung sowie im Mobilitätssektor, besonders im Schwerlastverkehr und für Teile des Luft-, Schiffs-, und Güterverkehrs, gesehen.
Ziele der Roadmap
Die Wasserstoff-Roadmap für Baden-Württemberg soll
- dazu beitragen, den Einsatz fossiler Energieträger in den unterschiedlichen Sektoren wie Industrie, Mobilität und Energiewirtschaft umfassend zu reduzieren und damit auch die Treibhausgas-Emissionen (THG) zu verringern
- den Auf- und Ausbau einer Wasserstoffwirtschaft begleiten, um Baden-Württemberg national wie auch international als führenden Standort der Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Industrie zu präsentieren
In der Roadmap sind konkrete Zielsetzungen und Maßnahmen definiert, um die Wasserstoffwirtschaft im Land zu forcieren und zu fördern. Bei der Festlegung der Ziele und Maßnahmen wurden alle relevanten Dimensionen des Aufbaus einer lokalen Wasserstoffwirtschaft berücksichtigt: Produktion, Infrastruktur, Anwendungen.
Die Entwicklungen im Bereich Wasserstoff sind sehr dynamisch. Einerseits steht Wasserstoff beim Thema Versorgungssicherheit zunehmend im Fokus und andererseits werden auf europäischer und nationaler Ebene derzeit Rahmenbedingungen erarbeitet, die entscheidenden Einfluss auf einen beschleunigten Ausbau der Wasserstoffwirtschaft haben. Diese Entwicklungen wurden im bisherigen Wasserstoff-Fahrplan ergänzt.
Kontakt
Fragen und Anregungen rund um das Thema Wasserstoff können Sie per E-Mail an das Ministerium richten.