Unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Umwelt, Klima- und Energiewirtschaft Baden-Württemberg und mit Beteiligung der Landes- und Bundesämter für Umwelt- und Naturschutz, fand die 8. Umweltbeobachtungskonferenz am 16. und 17. November 2021 statt. Rund 180 Umweltbeobachterinnen und Umweltbeobachter aus den DACH-Ländern (Deutschland, Österreich, Schweiz) kamen mit Umweltministerin Thekla Walker, Staatssekretär Andre Baumann und der Präsidentin der Landesanstalt für Umwelt Eva Bell in einer virtuellen 3D-Umgebung zusammen, um über das Leben in den plantaren Grenzen zu diskutieren.
Ziel war es, gemeinsam Verbesserungsvorschläge für die Umweltbeobachtung, das Umweltwissen und das Umwelthandeln zu identifizieren und auszuformulieren. Die Leitthemen Biodiversitätsverlust, Stickstoffüberschuss, Chemikalieneffekte und Klimawandel und das Motiv „Umweltwissen MitWirkung“ standen dabei im Fokus.
Über 100 wichtige Verbesserungsvorschläge erarbeitet
So sind über 100 wichtige Verbesserungsvorschläge entstanden, die sich zu vierundzwanzig Punkten zusammenfassen lassen. Die sektor- und medienübergreifende Erfassung und Auswertung von Daten soll verbessert und der kooperative und konsultative Ansatz der Umweltbeobachtungskonferenz fortgesetzt werden.
Die 8. Umweltbeobachtungskonferenz (UBK21) hat das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN), dem Bundesamt für Umwelt der Schweiz (BAFU), der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), dem Umweltbundesamt Österreich, dem Umweltbundesamt Dessau (UBA) und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) veranstaltet.
Für die 9. Umweltbeobachtungskonferenz wurde der Staffelstab an das Bundesamt für Naturschutz (BfN) weitergegeben, das damit Hauptorganisator der nächsten Konferenz ist. Sie findet am 14. und 15. November 2023 in Leipzig statt.
Verbesserung der Umweltbeobachtung
Die Umweltbeobachtung muss im Bund und in den Ländern besser koordiniert und gesetzlich besser verankert werden. Sektorale Monitoringprogramme sollen stärker vernetzt und Beobachtungsdaten damit besser verfügbar gemacht werden. Mehr Mindeststandards, Metadaten, Ökosystembezug und Monitoring von Maßnahmen sind erforderlich. Kernindikatoren müssen bundesweit besser vernetzt und verstanden werden. Die Rolle der Monitoringzentren muss eindeutiger geklärt werden.
Das Langzeitmonitoring muss weiter ausgebaut, offen konzipiert, stärker vernetzt und besser an die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger kommuniziert werden. Alte und neue Programme sollten voneinander lernen und besser verknüpft werden. Datenreihen müssen besser fortgeschrieben, validiert, gesichert und transparent kommuniziert werden.
Artenkennerinnen und Artenkenner müssen qualifiziert und dafür die Zusammenarbeit und Vernetzung der Institutionen und Universitäten bis zu den Amateurgruppen gestärkt werden. Langfristige Finanzierungsmodelle müssen entwickelt werden.
Die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln und Nährstoffüberschüssen auf die Biodiversität können nur mit Agrardaten bestimmt werden. Diese Daten müssen mit Hilfe digitaler Technologien mit ausreichender räumlicher und zeitlicher Auflösung erhoben und zentral zugänglich gemacht werden.
Die Umweltrelevanz von Ammoniak und Biomasse muss besser verstanden und das Bilanzieren von Stickstoff in Lebens- und Agrarräumen besser praktiziert werden. Das Ammoniak- und Biomassemonitoring und die Stoffstrombilanz müssen bundesweit ausgebaut werden.
Ein systematisches Pestizidmonitoring auf Basis des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) und des Pflanzenschutzgesetzes (PflSchG) für terrestrische Lebensräume muss etabliert werden. Dazu müssen – mit dem Agrardatenpool – die Art und Menge von ausgebrachten Pflanzenschutzmitteln verfügbar gemacht werden.
Die Identifikation und (öko)toxikologische Bewertung von neuen Chemikalien soll durch ein stärker vernetztes, medienübergreifendes Monitoring von Zuständen und Maßnahmen verbessert werden. Hierzu ist eine gesetzliche Verankerung und eine zentrale Stelle mit Berichtspflicht einzurichten.
Die sektor- und medienübergreifende Analyse von Veränderungen der Biodiversität und den Auswirkungen der Treiber Stickstoff, Chemikalien und Klima muss gefördert werden. Dafür muss ein gesetzlicher Auftrag erteilt, Expertise in Ämtern aufgebaut und Ressourcen sowie Infrastruktur entwickelt und geschaffen werden.
Verbesserung des Umweltwissens
Damit Umweltbelastungen besser vergleichbar werden, sollte das Konzept der planetaren Grenzen (Belastungsgrenze der Erde) auf Bundes- und Länder-Ebenen übertragen und die Methodik zu lokalen und globalen Belastungsgrenzen länderübergreifend und in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern harmonisiert, aktualisiert und weiterentwickelt werden. Auch Wirtschaft und Industrie sollten eingebunden werden.
Die ökologischen Belastungsgrenzen für Lebensräume – Critical Level für Ammoniak, Critical Loads für Stickstoff und weitere Parameter – müssen über eine nationale Norm oder Richtlinie sach- und praxisgerecht verankert werden. Methodenkonsistent müssen Belastungsgrenzen auch für Agrarräume gesetzt werden – die kritischen Überschüsse (Critical Surplus) –, differenziert für Schutzgüter, Gebiete, Betriebstypen und Produkte.
Nicht nur global, auch für regionale Auswirkungen von Klimaveränderungen in ökologischen, sozialen und ökonomischen Systemen müssen Belastungsgrenzen festgelegt werden (zum Beispiel: Auswirkung der Anzahl tropischer Nächte auf die Gesundheit), damit das Monitoring der Klimafolgen auch Konsequenzen hat.
Budgets und Zielwerte müssen zum Beispiel für Ammoniak und Stickstoff national und auf Länderebene regional differenziert erhoben und gesetzt werden, für den sachgerechten Schutz der Lebensräume.
Für die Zusammenführung von Fußabdruck-Rechnern für CO2-Äquivalente und reaktiven Stickstoff sind fachliche Vorarbeiten nötig. So müssen Benchmarks für die Verbraucherinnen und Verbraucher gesetzt und anwendbare Rechner entwickelt werden. Die Zusammenführung wird für die Verbraucherinnen und Verbraucher und das Umwelthandeln eine sinnvolle Vereinfachung darstellen.
Die Ursachen für den Rückgang der Insektenarten wie beispielsweise Stickstoffüberschüsse und Pflanzenschutzmittel bis hin zum Lebensraumverlust müssen besser geklärt und für Schutzkonzepte genutzt werden. Ein vielfältiges Landschaftsmosaik und ein Bündel von Maßnahmen wird vorgeschlagen.
In Forschungskonzepten sollte zukünftig der Landschafts- und Ökosystemkontext stärker berücksichtigt werden, um langfristige und großräumige Veränderungen von Stoffhaushalt und Klima und deren Wirkung auf die Biodiversität besser beurteilen zu können.
Wissen über den Biodiversitätsverlust, den Stickstoffüberschuss, die Chemikalieneffekte und den Klimawandel muss zum Umweltwissen zusammengeführt, in klare Botschaften aufbereitet und mit Blick auf das Umwelthandeln zielgerichtet vermittelt werden. Klimaschutz und Anpassung müssen dabei Hand in Hand gedacht, geplant und umgesetzt werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen verständlicher und adressatengerechter kommuniziert werden.
Verbesserung des Umwelthandelns
Das Thema Ernährung, als eines der wichtigsten sozioökonomischen Handlungsfelder, muss in die Breite der Gesellschaft getragen werden. Lokale Initiativen in der Nische dienen als best-practice Beispiele und müssen politisch stärker unterstützt werden, um vom Umweltwissen zum Umwelthandeln zu kommen.
Die globalen Nachhaltigkeitsziele müssen besser von der globalen bis zur lokalen Ebene skaliert, interpretiert und nachverfolgt werden. Mit Unterstützung städtischer Initiativen werden wir die Handlungsspielräume zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele ausloten.
Umweltziele müssen transparent und nachvollziehbar sein. Die nötigen Standards – wie Fußabdruck-Rechner – müssen politisch geschaffen werden, um konkrete Umweltziele kleinschrittig überprüfen zu können.
Behördliches Umwelthandeln muss mit Blick auf den Zero-Pollution-Ansatz für Chemikalien besser verknüpft werden mit industriellem Handeln und dem Umweltwissen. Der Zero-Pollution-Ansatz sollte auch den Stickstoffüberschuss einbeziehen, soweit dies für die Einhaltung der lokalen und allgemeinen Umwelt-, Natur- und Klimaschutzziele erforderlich ist.
Aktuelles Umweltwissen muss zum Beispiel bei Zulassungen von Pflanzenschutzmitteln und flächengebundener Düngung und Tierhaltung besser berücksichtigt werden. Auch bei Planungen müssen rechtliche Rahmenbedingungen überdacht werden, zum Beispiel Klimaanpassung in der Bauleitplanung.
Die weltweit großen Themen Klimawandel und Biodiversitätsverlust stoppen geht nur einher mit der Reduktion der Stickstoffüberschüsse. Um dieses Wissen umzusetzen, soll die Umweltkommunikation zu „Ammoniak und Stickstoff“ deutlich verbessert und vernetzt werden.
Biodiversitätsverlust ist eine unmittelbare Folge von Ernährungsgewohnheiten, zu geringen Anreizen für ökologische Leistungen und oft auch viel zu niedrigen Preisen für Agrarprodukte. Daher muss von übergeordneter Stelle in Bund und Ländern über einen ressortübergreifenden Dialog mit der Gesellschaft und der Landwirtschaft ein Interessenausgleich Natur, Tierwohl und Landwirtschaft organisiert werden.
Positive Narrative für eine lebenswerte Zukunft sollten geschaffen werden, damit sich Umwelthandeln lohnt und um alle zum Umwelthandeln zu bewegen. Umwelt-, Natur- und Klimaschutz sollte auch als Chance verstanden werden, um den Menschen die Angst zu nehmen und damit Menschen nicht ohnmächtig den Folgen von Umweltveränderungen ausgeliefert sind.