Der digitale Wandel verändert unser Leben in vieler Weise. Mit Blick auf den Klimaschutz gilt er für manche als Hoffnungsträger. Dank der Digitalisierung ist es beispielsweise möglich, die Erzeugung und die Nachfrage nach Strom intelligent aufeinander abzustimmen (sogenannte „Smart Grids“). So lässt sich die Energieeffizienz unseres Stromnetzes erhöhen. Gleichzeitig sind sich Expertinnen und Experten über verschiedene Risiken bewusst: Der Energie- und Ressourcenverbrauch in den Rechenzentren, welche Kern der Digitalisierung sind, wird zunehmen. Wie kann es uns also gelingen, den digitalen Wandel so zu gestalten, dass er dem Menschen und der Umwelt gleichermaßen nützt?
„Wie Digitalisierung Ressourcen schont“ war die zentrale Frage des Digitalevents „Stakeholderdialog Nachhaltige Digitalisierung“ am 11. Dezember 2020. Die vom Nachhaltigkeitsbeirat und vom Umweltministerium Baden-Württemberg ins Leben gerufene Veranstaltung stieß auf hohes Interesse: Über 220 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich angemeldet, um gemeinsam mit den Referentinnen und Referenten zu Themen wie Autonomes Fahren, Gamification, Green IT, Mobilfunkstandard 5G und Ultraeffizienzfabrik in Dialog zu treten.
Die Teilnehmenden des Stakeholderdialogs kamen aus vielfältigen Bereichen: Der Anteil von Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen und des öffentlichen Sektors lag bei 28 Prozent, der von Unternehmen bei 22 Prozent, Studierende waren mit 25 Prozent vertreten und weitere Akteursgruppen (Vereine, Schülerinnen und Schüler, Sonstige) ebenfalls mit 25 Prozent.
Ein Grußwort von Umweltminister Franz Untersteller und die Keynote von Dr. Ralph Hintemann (siehe Video zur Veranstaltung) spannten den Rahmen. Im Vordergrund stand aber der Dialog in den Workshops. Die zentralen Ergebnisse haben wir für Sie zusammengefasst:
Referentin
Mascha Brost, Institut für Fahrzeugkonzepte, Institut für Fahrzeugkonzepte, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR)
Moderation
Anna Deckert, Kommunikationsbüro Ulmer GmbH
Unter autonomem Fahren wird im Allgemeinen das (Teil-)automatische, letztlich fahrerlose, Fortbewegen von Fahrzeugen verstanden.
Konkretes Potenzial zur Ressourceneinsparung sahen die Teilnehmenden in der höheren Sicherheit bei kleineren Leichtbau-Fahrzeugen und im öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV). Ressourcen lassen sich beispielsweise einsparen, wenn der Fahrstil, die Routenwahl und das Fahrtempo an ökologischen Maßstäben ausgerichtet sind.
Auch Nutzungskonzepte wie Carsharing oder Ridesharing, bei dem mehrere Personen Streckenabschnitte gemeinsam zurücklegen, können durch autonome Fahrzeuge leichter organisiert werden (Individualisierung von ÖPNV-Diensten).
Für die Elektromobilität kann die Automatisierung einen Anschub leisten. Zum Beispiel ergeben sich durch den Einsatz von autonomen Fahrzeugen bessere Möglichkeiten die vorhandenen Ladeplätze möglichst effizient zu nutzen. Autonome Fahrzeuge müssen nicht, wenn sie voll geladen sind, an Ihrem Stellplatz verweilen, sondern können diesen bei Bedarf für Andere freigeben. Dem steht der höhere Ressourcenaufwand für die Automatisierungstechnik gegenüber, sowohl im Fahrzeug selbst als auch in Rechenzentren.
Generell herrschte bei den Diskutierenden Skepsis, inwieweit die Einsparpotenziale des autonomen Fahrens tatsächlich zum Tragen kommen. So besteht das Risiko, dass autonom fahrende Fahrzeuge zu „Erholungsräumen mit Lounge-Charakter“ ausgebaut werden. Leerfahrten wie beispielsweise die Rückfahrt vom Shuttle zur Schule sind ebenfalls ein Risiko.
Referent
Professor Dr. Alexander Sauer, Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP), Universität Stuttgart
Moderation
Steffen Braun, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO
Die Ultraeffizienzfabrik ist ein neuer Ansatz, um wirtschaftliches Wachstum und Ressourcenverbrauch weitestgehend voneinander zu entkoppeln.
Dafür sind digitale Prozesse ein wichtiger Schlüssel. Wir müssen heutige Produktionsprozesse in komplexeren Umfeldern denken und Fertigungsprozesse verlustärmer und optimierter gestalten. Um verlustfrei in lebenswerter Umgebung produzieren zu können, müssen Wertschöpfungs-, Liefer- und Konsumketten ganzheitlich betrachtet werden.
Der Tenor war, dass Ultraeffizienzfabriken vorangetrieben werden müssen. Wo immer neue Fabriken gebaut oder Gewerbegebiete umgebaut werden, müssen Ressourceneinsparung und – im Idealfall – die Vision der Ultraeffizienzfabrik im Fokus stehen. Diese Entwicklung wird nicht von heute auf morgen passieren, dennoch ist die Ultraeffizienzfabrik ein wertvolles Leitbild.
Darüber hinaus hoben die Teilnehmenden die Interdisziplinarität des Themas hervor und damit einhergehend die Notwendigkeit, Produktion, Stadtplanung, neue Arbeitsprozesse und Kommunalentwicklung zusammenzudenken. Zum Beispiel: Beim Planen sollten die Beteiligten darauf achten, Lieferverkehr von und zu den Produktionsstätten nicht durch Wohnquartiere fahren zu lassen.
Referent
Dr. Lutz Stobbe, Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM)
Moderation
Lena Ebinger, Kommunikationsbüro Ulmer GmbH
„5G“ bezeichnet die „fünfte Generation“ des Mobilfunks und ist ein Mobilfunkstandard, der zukünftig noch höhere Datenübertragungsraten und schnelle Zugriffszeiten ermöglichen soll.
In der Diskussion stellten die Teilnehmenden fest, dass die (relative) Energieeffizienz von 5G älteren Mobilfunkstandards überlegen ist. Allerdings ist abzusehen, dass der absolute Energiebedarf des Mobilfunks steigen wird, wenn die reale Nachfrage an mobiler Datenkapazität steigt. Alle waren sich einig, dass es sinnhafter, an den Bedarf angepasster 5G-Anwendungen bedarf. Zudem ist es notwendig, die Optimierung des Energiebedarfs sowohl strategisch (Sharing Konzepte) als auch operativ anzugehen.
Die Teilnehmenden äußerten den Wunsch nach mehr Transparenz im Hinblick auf die Nutzung des Mobilfunkstands 5G. Die Politik sollte Verbraucherinnen und Verbraucher darüber informieren, welche unterschiedlichen Mobilfunkstandards und Netze es gibt und mit welchen Endgeräten sie 5G nutzen können. Außerdem diskutierten die Teilnehmenden die Notwendigkeit von Rahmenbedingungen für eine anbieterübergreifende Netzplanung.
Referent
Professor Dr. Michael M. Resch, Institut für Höchstleistungsrechnen, Universität Stuttgart
Moderation
Dr. Felix Heidenreich, Internationales Zentrum für Kultur- und Technikforschung (IZKT), Universität Stuttgart
Green IT zielt darauf ab, Energie und Ressourcen möglichst schonend über den gesamten Lebenszyklus der Geräte hinweg einzusetzen.
Zu Beginn diskutierte die Gruppe die Facetten des digitalen Wandels: vom stetig steigenden Strombedarf für Server über Nebeneffekte wie massenhaften Elektroschrott bis hin zur allseits präsenten digitalen Endgeräten. Die Diskussion umfasste dabei sowohl die politischen Kräfte als auch Bürgerinnen und Bürger in ihrer Konsumentenrolle.
Die Teilnehmenden argumentierten, dass aus ihrer Sicht Veränderungen, wie weniger Energie- und Rohstoffverbrauch, nur dann stattfinden können, wenn die verschiedenen Interessen hinter der aktuellen Entwicklung der IT deutlicher erkennbar ist. Für einen Wandel hin zur Green IT halten sie eine Diskussion über den Konsum von technischen Geräten und IT-Dienstleistungen für elementar.
Ein ähnliches Zusammenspiel von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie von Politik erwarte die Runde auch in der Frage „Wer muss wie handeln, damit uns das gelingt?“. Die Menschen sollen sich ihr eigenes Konsumverhalten bewusst machen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass alternative, ressourcensparendere Angebote vorhanden sind.
Referent
Professor Daniel Schwarz, Fakultät für Informatik und Wirtschaftsinformatik, Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft
Moderation
Sarah Wist, Dialogik gGmbH
Wie kann Gamification – also die die Anwendung spielerischer Elemente für einen anderen Kontext (beispielsweise für die Wissensvermittlung) – Ressourcen schonen? Darüber tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Workshops aus.
Ihre Lösungsvorschläge: Schulen könnten beispielweise Spiele entwickeln, um das systemische Wissen bei Kindern und Jugendlichen zu fördern. Inhalte der Spiele könnten sie mit in den Alltag nehmen und dort ausprobieren.
Weitere Ansätze drehten sich um das Wechselspiel von Realität und Spiel: So können Spiele das reale Leben simulieren. Ressourcen ließen sich dadurch einsparen, dass man Autofahren nicht mehr im realen Leben, sondern im Computerspiel lernt.
Insgesamt müssten dafür die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden wie geringerer Bürokratieaufwand in Schulen und eine bundesweite Verfügbarkeit zu entsprechenden Computerspielen. Die Gruppe betonte zudem, dass sich auch das Mediensystem interaktiver ausrichten sollte, um so die Wirksamkeit der Spiele zu fördern.
Falls Sie Interesse an einer der inhaltlichen Präsentationen einer Referentin oder eines Referenten haben, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail an hilscher@kommunikationsbuero.com.
Stimmen der Teilnehmenden
Während der Veranstaltung wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Digitalisierung befragt. Hier geht es zu den Stimmen der Teilnehmenden.
Der Stakeholderdialog Nachhaltige Digitalisierung im Video zum Nacherleben
Über die Veranstaltungsreihe „Stakeholderdialog Nachhaltige Digitalisierung“
Die Digitalisierung hat ein neues Zeitalter eingeläutet, das unser privates, berufliches und gesellschaftliches Leben bereits grundlegend verändert hat und zukünftig noch weiter verändern wird. Ein gesellschaftlicher Wandel ist oft mit Risiken, aber auch mit Chancen verbunden. Es ist offensichtlich, dass ein solcher Transformationsprozess gestaltet werden muss und die damit einhergehenden Herausforderungen aufgegriffen und angegangen werden müssen, damit Mehrwerte entstehen.
Genau an diesem Gestaltungsprozess – bei der Frage nach dem „Wie“ – setzt die Veranstaltungsreihe „Stakeholderdialog Nachhaltige Digitalisierung“ an. Gemeinsam mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik entwickeln wir Visionen und konkrete Ansätze, wie die Digitalisierung für eine lebenswerte Zukunft genutzt werden kann. Eine Zukunft, die sich durch Ressourcenschonung, soziale Gerechtigkeit und ökonomische Tragfähigkeit auszeichnet.