Thema
Gemeinschaftskernkraftwerk Neckarwestheim II vor der Stilllegung: Situation und Ausblick
Ablauf
Das Infoforum ist eine interaktive Livestream-Veranstaltung. Die Veranstaltung wird aus den Räumen des Umweltministeriums übertragen.
27. Oktober 2022
Beginn: 18:00 Uhr, Ende: 19:30 Uhr
Programm
- Begrüßung und Hinweise durch den Moderator der Veranstaltung und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Umweltministerium, Ralf Heineken
- Politisches Eingangsstatement des Umweltstaatssekretärs Dr. Andre Baumann
- Überblickvortrag zum Kernkraftwerk Neckarwestheim II und Ausblick auf einen befristeten Weiterbetrieb im Jahr 2023 von Thomas Wildermann, Leiter der Abteilung „Kernenergieüberwachung und Strahlenschutz“ des Umweltministeriums
- Diskussion und Beantwortung von Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter der Moderation von Ralf Heineken
- Hinweise zum Protokoll und Ankündigung des Termins für das nächste Infoforum am Donnerstag, 2. Februar 2023, um 18 Uhr mit dem voraussichtlichen Thema „Freigabe radioaktiver Abfälle“
Eröffnung der Veranstaltung
Ralf Heineken, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Umweltministerium, begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des vierten Infoforums zum Thema „Gemeinschaftskernkraftwerk Neckarwestheim II vor der Stilllegung: Situation und Ausblick“. Das Infoforum „Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz“ bietet als Online-Veranstaltung allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, unabhängig von deren Wohnort teilzunehmen. Ralf Heineken erläutert den vorgesehenen Ablauf über Cisco-Webex und die Möglichkeiten sich über Cisco-Webex aktiv in der Veranstaltung einzubringen.
Er weist einleitend darauf hin, dass man zu Beginn des Jahres noch davon ausgegangen ist, dass das Kernkraftwerk Neckarwestheim II (GKN II) zum Jahresende endgültig vom Netz gehen sollte. Doch der russische Angriffskrieg und die damit verbundene Energiekrise haben die Rahmenbedingungen entscheidend geändert. Vorbehaltlich der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, soll das Atomgesetz nun dahingehend geändert werden, dass die drei letzten deutschen Kernkraftwerke längstens bis zum 15. April 2023 weiter Strom produzieren können.
Als Referenten begrüßt Ralf Heineken den Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann, der in einem Eingangsstatement die Rahmenbedingungen dieser Entscheidung vorstellt und sie politisch einordnet. Anschließend informiert Thomas Wildermann, Leiter der Abteilung „Kernenergieüberwachung, Strahlenschutz“ im Umweltministerium Baden-Württemberg, in einem Vortrag rückblickend über den Betrieb von Neckarwestheim II im Jahr 2022, den Stand des Genehmigungsverfahrens für die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung und geht auf die Optionen eines möglichen Weiterbetriebs des Kernkraftwerks ein. Jörg Michels, Geschäftsführer der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK), die GKN II betreibt, nimmt ebenfalls an der Veranstaltung teil und steht für Fragen in der abschließenden Diskussionsrunde zur Verfügung.
Politisches Eingangsstatement des Umweltstaatssekretärs Dr. Andre Baumann
Nach einer kurzen Begrüßung geht Staatssekretär Dr. Andre Baumann auf die Rahmenbedingungen ein, die zur Entscheidung einer befristeten, längeren Laufzeit der drei, noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke geführt haben.
Zu den aktuellen Veränderungen führt er aus: Zu Beginn der Planung des vierten Infoforums „Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz“ konnte man noch nicht ansatzweise die Brisanz dieser Veranstaltung erahnen. Der völkerrechtswidrige, russische Angriffskrieg hat jedoch zu einer schweren Energiekrise in Europa, in Deutschland und auch in Baden-Württemberg geführt.
Diese Energiekrise zeigt ihre Auswirkungen in nahezu allen Bereichen. Wir alle müssen sparsam mit Energie, vor allem mit fossilen Energieträgern umgehen. Insbesondere die Versorgung mit Erdgas ist einer der kritischsten Punkte. Auch wenn Deutschland im Bereich der Stromerzeugung hinsichtlich der erneuerbaren Energien bereits gut aufgestellt ist, wurde letztes Jahr noch knapp ein Siebtel des Stroms mit Hilfe von Gaskraftwerken erzeugt. In der künftigen Energiewelt, die hauptsächlich auf erneuerbaren Energien beruhen wird, sind flexibel fahrbare Gaskraftwerke nötig.
Der Staatssekretär betont, dass Europa in diesen Zeiten zusammenhalten muss, sowohl was die Lieferung von Gas als auch von Strom betrifft. Probleme in verschiedenen europäischen Kraftwerken im Verbundnetz verschärfen die Situation zusätzlich. Dies gilt vor allem für die Kernkraftwerke in Frankreich. Dort steht ungefähr die Hälfte der Kraftwerke still. Die Gründe sind unter anderem Routineabschaltungen, die während der Corona-Krise verschoben wurden und nun anstehen, die Niedrigwasserlage vieler französischer Flüsse im Sommer aber auch Befunde an für die Sicherheit wichtigen Rohrleitungen, dem sogenannten Sicherheitseinspeisesystem. Dies alles hat Auswirkungen auf die Versorgungslage des europäischen Stromnetzes.
Um die Versorgungssicherheit auch unter diesen Krisenbedingungen zu gewährleisten, wurde in den letzten Monaten verstärkt über einen befristeten Weiterbetrieb der drei, noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke diskutiert.
Zur Erläuterung der Auswirkungen auf die Stromversorgung verweist der Staatssekretär auf den Stresstest der Netzbetreiber. Aufgrund der Entwicklungen im Sommer hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter der Führung von Robert Habeck die Netzbetreiber mit einem zweiten Stresstest zur Beurteilung der Versorgungssicherheit beauftragt. Hierbei wurden verschärfte Randbedingungen berücksichtigt, beispielsweise Versorgungsprobleme von Kohlekraftwerken oder dass im kommenden Winter noch viele französische Kernkraftwerke außer Betrieb sein werden.
Der Stresstest kommt zu dem Schluss, dass stundenweise Krisensituationen im europäischen Stromnetz zwar unwahrscheinlich sind, jedoch auch nicht definitiv ausgeschlossen werden können. Zu dem von vielen Politikerinnen, Politikern und Medien heraufbeschworenen Blackout, also einem großflächigen und unkontrollierten Stromausfall, wird es jedoch nicht kommen. Da sowohl für die Industrie als auch für unser normales Leben Versorgungssicherheit und Netzstabilität von enormer Bedeutung sind, sollten alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromerzeugungs- und Transportkapazitäten genutzt werden.
Hierzu zählt neben der Wiederinbetriebnahme möglichst vieler Kohlekraftwerke auch ein befristeter Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. Diese können in der momentanen Lage über den geplanten Zeitpunkt der Abschaltung hinaus einen Beitrag für die Stromerzeugung und Netzstabilisierung leisten. Zwar betont der Staatsekretär, dass er als Klima- und Naturschutzpolitiker sowohl von der Kohlekraft als auch der Kernkraft ein entschiedener Gegner ist. Jedoch hält er es für notwendig, dass alle verfügbaren Kapazitäten genutzt werden, um die Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Zu den Schlussfolgerungen der Bundesregierung erwähnt er: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat zuerst die Schaffung einer befristeten Einsatzreserve der zwei süddeutschen Kernkraftwerke vorgeschlagen. Nach internen Diskussionen in der Regierungskoalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu einem befristeten Weiterbetrieb aller drei noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke geschaffen werden sollen.
Das Bundeskabinett hat am 19. Oktober einem Weiterbetrieb längstens bis zum 15. April 2022 zugestimmt. Die Kernkraftwerke können zwar mit den vorhandenen Brennelementen nicht mehr die maximale Leistung erzielen, jedoch lassen sich im sogenannten Streckbetrieb immer noch etwa fünf Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen. Die Optionen für einen Weiterbetrieb hat Bundesminister Robert Habeck mit den Energieversorgungsunternehmen sondiert.
In Bezug auf Neckarwestheim II ist die bisherige Vorstellung, dass die Anlage zum Jahresende heruntergefahren wird. Innerhalb von zwei bis drei Wochen konfiguriert der Betreiber den Reaktorkern neu, wodurch insgesamt mehr Strom erzeugt werden kann, als durch einen Weiterbetrieb mit dem jetzigen Reaktorkern. Es kommen diejenigen Brennelemente des vorhandenen Kerns und des Brennelementlagerbeckens zum Einsatz, mit denen noch am meisten Energie erzeugt werden kann.
Der Staatssekretär betont, dass definitiv keine neuen Brennelemente eingesetzt werden. Solche sind auch gar nicht vorhanden. Mit den bereits vorhandenen Brennelementen kann somit ohne Erzeugung von zusätzlichem, hochradioaktivem Atommüll, ein sinnvoller Beitrag zur Stabilisierung des Energienetzes erzeugt werden. Es handelt sich dabei um einen befristeten Weiterbetrieb von maximal dreieinhalb Monaten und nicht um einen Wiedereinstieg in die Atomenergie. Ein Weiterbetrieb über Mitte April hinaus ist ausgeschlossen. Dieses endgültige Ende der Kernenergie begrüßt Staatssekretär Dr. Andre Baumann sehr, insbesondere auch, weil er sich sowohl in der Umweltbewegung als auch danach im Umweltministerium immer für einen Ausstieg aus der Kernenergie eingesetzt hat.
Die Planungen der Bundesregierung bedeuten natürlich für das Umweltministerium als zuständige Aufsichtsbehörde zusätzliche Aufgaben. Der Staatssekretär bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass es keine Kompromisse in der Sicherheit und in Bezug auf den Schutz von Mensch und Umwelt geben wird.
Die Zusammenstellung des neuen Reaktorkerns, die Be- und Entladung und auch die mit dem Stillstand verbundenen Prüfungen stellen Routinevorgänge dar, die mit der gleichen Sorgfalt wie in der Vergangenheit vom Umweltministerium mit Unterstützung von Sachverständigen geprüft werden. Das Umweltministerium stellt durch eine intensive Aufsicht sicher, dass die hohen Sicherheitsstandards auch bei einem befristeten Weiterbetrieb eingehalten werden.
Abschließend fasst Staatssekretär Dr. Andre Baumann noch einmal zusammen, dass die momentane Krise letztendlich Maßnahmen erfordert, die sich keiner gewünscht hat, die aber zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität beitragen. Hierzu zählen unter anderem der befristete Weiterbetrieb der Kernkraftwerke oder die Reaktivierung von Kohlekraftwerken. Er bedankt sich für die Aufmerksamkeit und lädt ein, Fragen in der Diskussionsrunde zu stellen.
Vortrag von Thomas Wildermann zum Thema „GKN II – Weiterbetrieb/Stilllegung“
Anhand eines PowerPoint-Vortrags [PDF; 10/22; 1 MB] informiert Thomas Wildermann, Leiter der Abteilung „Kernenergieüberwachung, Strahlenschutz“ des Umweltministeriums über das Kernkraftwerk Neckarwestheim II. Nach einem kurzen Überblick über den aktuellen Betrieb und die letzte Jahresrevision, geht er auf den momentanen Verfahrensstand der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung ein und stellt mögliche Optionen für einen befristeten Weiterbetrieb sowie deren Umsetzung und die damit verbundenen aufsichtlichen Fragestellungen dar.
Anhand eines Übersichtsdiagramms des Neutronenflusses des Jahres 2022 macht er deutlich, dass die Anlage GKN II größtenteils im Leistungsbetrieb bei 100 Prozent gelaufen ist. Dreimal wurde für Turbinenprüfungen die Leistung auf circa 80 Prozent abgesenkt, einmal wurde auf Anforderung des Lastverteilers die Leistung reduziert. Vor der Jahresrevision, die vom 4. Juni bis zum 24. Juni stattfand, befand sich die Anlage in einem Streckbetrieb, das heißt sie wurde mit sinkender Leistung betrieben.
In der Revision wurden viele wiederkehrende Prüfungen und Instandhaltungstätigkeiten durchgeführt.
Innerhalb des Prüfprogramms gab es, wie auch in den Jahren zuvor, eine Sonderprüfung, bei der alle Dampferzeugerheizrohre in den vier Dampferzeugern im relevanten Bereich mit Hilfe von Wirbelstromprüfungen überprüft wurden. Die Befunde sind bezüglich der Charakteristika mit den Vorjahren vergleichbar und lagen erwartungsgemäß weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Da die Anlage entsprechend der bisherigen Planungen zum 31. Dezember endgültig abgeschaltet werden sollte, wurden keine neuen Brennelemente mehr eingesetzt.
Den grundsätzlichen Ablauf einer solchen Revision stellt der Abteilungsleiter anhand einer Übersichtsfolie dar.
In einem ersten Schritt erstellt der Betreiber eine Revisionsliste, die er bei der Aufsichtsbehörde und den Sachverständigen zur Prüfung und gegebenenfalls zur Ergänzung einreicht. Diese Liste bildet die Basis für die Arbeiten während der Revision. Die gesamte Revision wird vom Umweltministerium und den zugezogenen Sachverständigen mit Kontrollen von vorzulegenden Unterlagen und in der Anlage aufsichtlich begleitet. Am Ende legt der Betreiber eine Dokumentation aller durchgeführten Tätigkeiten vor, die wiederum auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft wird. Nach Prüfung aller Voraussetzungen, gibt die Aufsichtsbehörde die Freigabe zum Wiederanfahren.
Er gibt einen Überblick über die Aufsichtsaktivitäten des Umweltministeriums. Für Inspektionen hat die Aufsichtsbehörde im Jahr 2022 (bis zum 24. Oktober) insgesamt 27 Tage aufgewendet. Zudem findet eine werktägliche Auswertung der Kernreaktorfernüberwachung statt. Hierbei handelt es sich um ein elektronisches System, bei dem unterschiedliche Betriebsparameter der Anlage, beispielsweise Abgaben über die Luft und das Abwasser, der Neutronenfluss oder auch Unregelmäßigkeiten der Anlage erfasst und verfolgt werden können.
Zusätzlich hierzu kontrollieren die Sachverständigen, die im Auftrag der Aufsichtsbehörde tätig sind, viele Sachverhalte ebenfalls vor Ort. Da diese ungefähr zehnmal häufiger in der Anlage sind, ergibt sich eine sehr hohe Aufsichtsdichte. Im Jahr 2022 wurden bisher keine meldepflichtigen Ereignisse im Kernkraftwerk Neckarwestheim II gemeldet. Seit der Jahresrevision befindet sich die Anlage im ungestörten Leistungsbetrieb und seit dem 26. Oktober in einem Streckbetrieb. In diesem sinkt die Leistung, wie geplant und berechnet, von 100 Prozent auf circa 68 Prozent bis zum Jahresende.
Nach diesem Überblick über das Jahr 2022 geht Thomas Wildermann auf die bisherigen Planungen zu Neckarwestheim II ein. Entsprechend des Atomgesetzes gibt es die Vorgabe, zum 31. Dezember 2022 den Leistungsbetrieb der Anlage zu beenden. Der Betreiber, die EnKK, hat ihre Planungen zum Betrieb der Anlage somit auch auf dieses Datum hin ausgerichtet. Dies betrifft unterschiedliche Bereiche, beispielsweise den Brennelementeinsatz, Termine für wiederkehrende Prüfungen oder auch die Personalplanung. Zudem wurde die Rückbauplanung ebenfalls auf diesen Termin hin ausgerichtet. In diesem Zusammenhang hat die EnKK ein Genehmigungsverfahren zur Erlangung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung angestoßen und hierzu bereits alle notwendige Unterlagen eingereicht. Außerdem hat sie zur Umsetzung des Rückbaus bereits Verträge mit Firmen, beispielsweise für die Primärkreisdekontamination, geschlossen.
Im Hinblick auf die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung liegt, so der Abteilungsleiter, das Gutachten seitens der zugezogenen Sachverständigen bereits vor, die Aufsichtsbehörde hat die Unterlagen geprüft und einen Genehmigungsentwurf erstellt. Dieser befindet sich derzeit in der bundesaufsichtlichen Prüfung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sowie unter Beteiligung dessen Beratungskommissionen Reaktorsicherheitskommission und Entsorgungskommission. Die Ergebnisse dieser Prüfung sind in der Genehmigung zu berücksichtigen. Ziel war es, zeitnah zur bisher geplanten, endgültigen Abschaltung von GKN II Ende des Jahres, die Genehmigung zu erteilen.
Im Folgenden geht Thomas Wildermann noch einmal auf die Ergebnisse und die damit verbundenen Folgen des zweiten Stresstests ein, der von den vier Übertragungsnetzbetreibern im Auftrag des BMWK durchgeführt wurde. Das Ergebnis hat das BMWK am 5. September der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Übertragungsnetzbetreiber empfahlen, alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromerzeugungskapazitäten zu nutzen. Der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke wird dabei als ein Baustein zur Beherrschung der kritischen Situation aufgeführt.
Aus diesem Grund hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt, eine zeitlich begrenzte AKW-Einsatzreserve aus den beiden südlichen Atomkraftwerken Isar 2 und Neckarwestheim II zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit für den Winter 2022/2023 zu schaffen. In einem Eckpunktepapier, das am 27. September der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hatten das BMWK sowie die Betreiber der beiden südlichen Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim II die Randbedingungen der Ausgestaltung dieser Kernkraftwerke in der Einsatzreserve geregelt.
Nach internen Diskussionen in der Ampelkoalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz am 17. Oktober 2022 von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht. Er ordnete an, dass die gesetzlichen Grundlagen für einen Weiterbetrieb aller drei noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke, also auch des Kernkraftwerks Emsland, bis längstens Mitte April geschaffen werden.
Das Bundeskabinett hat daraufhin den Entwurf für die Novelle des Atomgesetzes verabschiedet. Dieser sieht nun vor, dass keine Anforderung der Kernkraftwerke im Sinne der ursprünglich geplanten Einsatzreserve erfolgt. Ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ist längstens bis zum 15. April 2023 möglich, die Betreiber sind hierzu jedoch nicht verpflichtet und es besteht auch keine Verlustabsicherung für die Betreiber.
Für einen solcher befristeten Weiterbetrieb von Neckarwestheim II stellt Abteilungsleiter Thomas Wildermann zwei mögliche Optionen vor. Bei der ersten, sehr intensiv diskutierten Option, wird Neckarwestheim II zum 31. Dezember 2022 heruntergefahren und dann nach zwei bis drei Wochen, die für eine Rekonfiguration des Reaktorkerns benötigt werden, wieder angefahren. Bei der Beladung des Reaktorkerns werden diejenigen Brennelemente des aktuellen Kerns und des Brennelementlagerbeckens eingesetzt, mit denen noch am meisten Energie erzeugt werden kann. Mit diesem neukonfigurierten Kern könnte nach Wiederanfahren rund zwei Drittel der Leistung erzielt werden, die bis zum endgültigen Ende des Betriebs Mitte April auf circa 55 Prozent abfällt. Insgesamt könnten somit noch bis zu 1,7 Terawattstunden Strom ab dem 1. Januar 2023 erzeugt werden.
Alternativ ist ein unterbrechungsfreier Weiterbetrieb ohne Stillstand und neuer Beladung des Reaktorkerns im Gespräch. Hierbei könnte das Kernkraftwerk bis Mitte Februar im Streckbetrieb betrieben und circa 0,5 Terawattstunden Strom zusätzlich erzeugt werden.
Der Weiterbetrieb von GKN II bedeutet den Ausführungen des Abteilungsleiters zufolge auch für das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde zusätzliche Aufgaben. Ein eventueller Kurzstillstand würde ähnlich einer Jahresrevision ablaufen. Der Betreiber würde auch hier eine Revisionsliste vorlegen, die vom Umweltministerium und den Sachverständigen geprüft wird. Auch die Thematik der Dampferzeugerheizrohre wird erneut betrachtet. Die Bewertung der Sachverständigen, dass während des Betriebs mit keinen wanddurchdringenden Rissen an den Dampferzeugerheizrohren zu rechnen ist, bezog sich formal auf den bislang vorgesehenen und gesetzlich verankerten Zeitpunkt der Abschaltung, den 31. Dezember 2022.
Für die Zeitdauer bis Mitte April muss daher eine ergänzende Bewertung vorgenommen werden. Da jedoch der aktuelle Zyklus auch mit einem anschließenden befristeten Weiterbetrieb kürzer als die Zyklen der Vorjahre ausfiele, ist grundsätzlich kein anderes Bewertungsergebnis zu erwarten.
Auch bei einem Weiterbetrieb wird das Umweltministerium die Einhaltung der gleichen hohen Sicherheitsstandards wie bisher und die Erfüllung der Auflagen der Betriebsgenehmigung aufsichtlich sicherstellen.
Diskussion und Beantwortung von Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Die an die Vorträge anschließende Diskussion vertieft unterschiedliche Aspekte zum Thema Kernkraftwerk Neckarwestheim II. Die folgende Darstellung enthält die in der Veranstaltung besprochenen Sachverhalte.
Thematik möglicher Weiterbetrieb
Zunächst geht Jörg Michels, Geschäftsführer der EnKK, darauf ein, dass sich die EnKK bisher auf die rechtzeitige Erteilung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für GKN II und die Planungen für den Rückbau konzentriert habe.
Nach der Entscheidung der Bundesregierung für einen befristeten Weiterbetrieb der Kernkraftwerke wurden – wie im Eckpunktepapier vereinbart – seitens der EnKK im Vertrauen darauf, dass auch die Bundesregierung ihren Verpflichtungen aus dem Eckpunktepapier nachkommt, Vorbereitungen und Planungen getroffen, um GKN II auch über das Jahresende hinaus betreiben zu können. Bezüglich des Weiterbetriebs führt Geschäftsführer Jörg Michels aus, dass noch es noch keine Entscheidung gäbe. Dies begründet er mit der zum jetzigen Zeitpunkt noch fehlenden rechtlichen Klarheit, da das parlamentarische Verfahren zur Änderung des Atomgesetzes noch im Gange sei.
Nach aktuell noch gültiger Rechtslage muss GKN II spätestens zum 31. Dezember 2022 abgefahren werden und damit den Leistungsbetrieb einstellen. Erst die vorgesehene Atomgesetzänderung schafft die Möglichkeit eines befristeten Weiterbetriebs bis Mitte April 2023 über den 31. Dezember hinaus, verpflichtet den Betreiber jedoch nicht dazu.
Geschäftsführer Jörg Michels erläutert, dass sich die Anlage GKN II sicherheitstechnisch auf einem, auch im internationalen Vergleich, sehr hohen Niveau befinde. Sie gehört zu den Konvoianlagen und somit zu den modernsten Anlagen, die in Deutschland noch im Betrieb sind. Eine hypothetische Diskussion über einen Weiterbetrieb über den 15. April 2023 hinaus erübrigt sich jedoch, da in dem Gesetzesentwurf Mitte April als endgültiges Abschaltdatum festgeschrieben ist.
Staatssekretär Dr. Andre Baumann betont ausdrücklich, dass kein Weiterbetrieb über den 15. April hinaus stattfinden werde. Es darf kein zusätzlicher atomarer Müll anfallen. Ein solcher würde bei einem unbefristeten Weiterbetrieb mit dem Einsatz neuer Brennelemente entstehen. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten steht die schwierige Standortsuche für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle an. Dort wird nur Platz für eine begrenzte Menge an hochradioaktiven Abfällen sein, weshalb sich die Diskussion über einen hypothetischen Weiterbetrieb über Mitte April 2023 hinaus erübrigt.
Der EnKK-Geschäftsführer erläutert, dass mit dem befristeten Weiterbetrieb und einer eventuellen Rekonfiguration des Kerns sehr kurzfristige und zeitintensive Planungen auf die EnKK zukommen, die auch einen erheblichen Mehraufwand bedeuten. Für die EnKK geht es hier weniger um mögliche kommerzielle Interessen, sondern die Netzstabilität und Versorgungssicherheit steht im Vordergrund.
Der Streckbetrieb ist ein regelmäßig durchgeführter und üblicher Betriebsvorgang, beispielsweise im Vorfeld einer Revision. Jörg Michels führt aus, dass sich GKN II momentan, wie geplant, in einem Streckbetrieb befindet und man zum Ende des Jahres noch rund 68 Prozent Leistung erzielen wird.
Wie auch bereits bei der letzten Revision 2022 werden im Falle eines mit dem Weiterbetrieb verbundenen Kurzstillstands keine neuen Brennelemente eingesetzt. Es wird eine Auswahl aus den Brennelementen des aktuellen Kerns und des Brennelementlagerbeckens getroffen. Somit entsteht auch kein neuer, hochradioaktiver Abfall. Die schwach- bis mittelaktiven Betriebsabfälle, die sich durch den befristeten Weiterbetrieb ergeben und die für das Endlager Konrad vorgesehen sind, liegen Jörg Michels zufolge in einer Größenordnung von deutlich unter 10 Kubikmetern.
Das Gesamtvolumen des Endlagers Schacht Konrad für schwach – und mittelaktive Abfälle liegt bei ungefähr 303.000 Kubikmetern.
Die wasserrechtliche Erlaubnis zur Entnahme und Wiedereinleitung von Wasser zu Kühlzwecken wird vom Umweltministerium beziehungsweise der zuständigen unteren Wasserbehörde ausgestellt.
Die Beladung des Kerns im Kurzstillstand unterscheidet sich nicht von der, die bei einer standardmäßigen Jahresrevision durchgeführt wird. Hierzu wird die Anlage heruntergefahren, die Be- und Entladung findet mit Hilfe der sogenannten Brennelement-Lademaschine unter Wasser statt, wodurch eine effektive Abschirmung gegeben ist.
Mit dem Entwurf zur Änderung des Atomgesetzes ist ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke bis längstens Mitte April 2023 gestattet. Die atomrechtliche Verantwortung und der kostenverantwortliche Betrieb obliegen weiterhin dem Betreiber. Neben den Kosten für den Kurzstillstand hat Abteilungsleiter Thomas Wildermann zufolge der Betreiber so wie bisher auch die Kosten für die von der Aufsichtsbehörde hinzugezogenen Gutachter zu tragen.
In dem mittlerweile durch den Gesetzesentwurf überholten Eckpunktepapier war von einem Verlustausgleich für den Betreiber die Rede. Dieser wurde für den Fall zugesagt, dass die Erlöse aus dem kurzen Weiterbetrieb die Kosten nicht gedeckt hätten. Wäre es, entsprechend des Eckpunktepapiers, zu keinem Abruf der vorgesehenen Einsatzreserve gekommen, hätte der Betreiber die Kosten zur Vorhaltung des Kernkraftwerks als Einsatzreserve erstattet bekommen. Dies ist mit dem neuen Gesetzentwurf nicht mehr der Fall.
Geschäftsführer Jörg Michels erläutert, dass die EnKK sich bereits sehr früh auf eine Rückbaustrategie festgelegt hat. Teil dieser Strategie ist es, das eigene, erfahrene Personal für den Rückbau einzusetzen. Eigenes Betriebspersonal beispielsweise, das für den Leistungsbetrieb in anderen Blöcken zuständig war, hat die Planungen, Vorbereitungen und Umsetzung des Rückbaus dort vorangetrieben. Im Gegensatz zu anderen Wettbewerbern, die bereits deutlich schneller Personal abgebaut haben, hat dies die EnKK nicht vollzogen, was ihr nun in der jetzigen Situation zugutekommt. Somit steht genügend qualifiziertes Personal für einen befristeten Weiterbetrieb zur Verfügung.
Für einen Rückbau muss zunächst die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung seitens der Behörde erteilt werden. Zu einem der ersten, daran anschließenden Schritte, zählt die Primärkreisdekontamination. Hierbei wird die Dosisleistung des Primärkreises inklusive des Reaktordruckbehälters und der angeschlossenen Hilfssysteme um mehrere Größenordnungen gesenkt, so dass im Anschluss ein Abbau der Systeme mit niedrigerer Strahlendosis erfolgen kann. Diese Dekontamination wird von Spezialfirmen ausgeführt, wobei es klar definierte Zeitfenster für die Betreiberfirmen gibt. Wird das momentan zugewiesene Zeitfenster seitens der EnKK nicht genutzt, würde sich dieser Schritt nach hinten verschieben. Die Zeit dazwischen kann nur bedingt genutzt werden, weshalb sich aufgrund des befristeten Weiterbetriebs eine merkliche Verschiebung zum bisher geplanten zeitlichen Ablauf ergibt. Daher werden parallel zu den Planungen zu einem befristeten Weiterbetrieb Gespräche mit Firmen bezüglich des Rückbaus geführt.
Thematik Sicherheit und Dampferzeugerheizrohre
Bereits seit 2017 sind der Aufsichtsbehörde Schäden an den Dampferzeugerheizrohren bekannt.
Erstmals wurden im Jahr 2018 während der Prüfungen in der Revision, neben den volumenartigen, punkt- bis kegelförmigen Wanddickenschwächungen, die bereits seit 2017 bekannt waren, auch die sicherheitstechnisch bedeutenderen linearen, in Umfangsrichtung orientierten rissartigen Wanddickenschwächungen detektiert. In den folgenden Jahresrevisionen wurden deshalb alle Dampferzeugerheizrohre mit Hilfe des sogenannten Wirbelstromverfahrens überprüft.
Eine Übersicht zu den detektierten Anzeigen der einzelnen Jahresrevisionen von 2018 bis 2022 und weitere Informationen zu dieser Thematik finden sich in einem Bericht des Umweltministeriums [PDF; 6/22, 1 MB].
Abteilungsleiter Thomas Wildermann betont, dass dieses Thema intensiv mit dem BMUV diskutiert, in der Reaktorsicherheitskommission besprochen und von diversen Koryphäen der Bundesrepublik untersucht wurde.
Insgesamt kam man zu dem Ergebnis, dass das Phänomen bekannt ist und die Entwicklung der linearen, rissartigen Wanddickenschwächungen vorhergesagt werden kann. Zwar findet ein Wachstum der linearen Anzeigen statt, dieses führt aber nicht zu einem Durchriss oder zu einer Kleinleckage. Für den extrem unwahrscheinlichen Fall eines Rohrabrisses wurden zudem Sicherheitsnachweise geführt. Sogar ein gleichzeitiger Abriss von zehn Dampferzeugerheizrohren wurde untersucht und geprüft. Auch dieser Fall wird von der Anlage beherrscht. Dampferzeugerheizrohre, die Befunde aufwiesen, wurden direkt in der entsprechenden Revision mit Hilfe von Füll- und Walzstopfen stabilisiert und verschlossen.
Somit wurde die Anlage nach jeder Revision ohne Schäden angefahren und mögliche Schäden aufgrund der Entwicklung neuer linearer Anzeigen lassen sich zuverlässig prognostizieren. Die Sicherheit der Anlage ist in jedem Fall gegeben.
Die diesbezügliche Bewertung der Sachverständigen, dass während des Betriebs mit keinen wanddurchdringenden Rissen zu rechnen ist, bezieht sich formal auf den bislang vorgesehenen gesetzlich festgelegten Abschaltzeitpunkt Ende des Jahres. Im Falle eines Weiterbetriebs bis Mitte April wird eine um diesen Zeitraum erweiterte sicherheitstechnische Bewertung vorgenommen. Da der aktuelle Zyklus aber selbst mit dieser Verlängerung noch kürzer als die Zyklen der Vorjahre ausfiele, ist grundsätzlich kein anderes Bewertungsergebnis zu erwarten.
Der Großteil der Schäden trat bisher auf der heißen Seite der Dampferzeugerheizrohre auf. Bei den Prüfungen 2021 wurden erstmals auch lineare Befunde auf der kalten Seite der Dampferzeuger festgestellt.
Das Auftreten von Schäden auf der kalten Seite ist nicht unerwartet gewesen, da die Bildung der linearen Anzeigen temperaturabhängig ist. Diese treten auf der kalten Seite nachlagernd und verzögert auf. Ob die Schäden auf der kalten oder der heißen Seite auftreten, unterscheidet sich bezüglich der sicherheitstechnischen Beurteilung nicht, da es sich um den gleichen Schadensmechanismus handelt.
Die genaue Anzahl der detektierten linearen Anzeigen an den Dampferzeugerheizrohren lässt sich dem ausführlichen Bericht des Umweltministeriums [PDF; 6/22, 1 MB] entnehmen.
2020 haben zwei Privatpersonen beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Klage gegen einen ablehnenden Bescheid des Umweltministeriums hinsichtlich eines Antrags zur Einstellung des Betriebs von GKN II sowie des Widerrufs der Betriebsgenehmigung erhoben. Hierbei ist zwischen einem Eilverfahren und dem Hauptsacheverfahren zu unterscheiden.
Den Eilantrag hat der Verwaltungsgerichtshof abgelehnt und sich dabei der Bewertung des Umweltministeriums angeschlossen.
Das Hauptsacheverfahren ist für Dezember angesetzt. Da es sich hier um den gleichen Senat handelt und sich dieser im Eilverfahren sehr klar inhaltlich positioniert hat, geht Abteilungsleiter Thomas Wildermann davon aus, dass auch im Hauptsacheverfahren eine gleichwirkende Entscheidung gefällt wird.
Der Betrieb der Anlagen erfolgt uneingeschränkt in der atomrechtlichen Verantwortung des Anlagenbetreibers. Er haftet für auftretende Schäden.
Die letzte Sicherheitsüberprüfung von GKN II fand 2009 statt. Diese Überprüfungen müssen entsprechend des Atomgesetzes alle zehn Jahre stattfinden, außer der Betreiber legt die Anlage drei Jahre nach Überschreiten dieser Frist still. Dies ist bei GKN II der Fall, da die Anlage zum 31. Dezember 2022, also innerhalb der Dreijahresfrist, stillgelegt werden sollte. Dieser Passus wurde im Atomgesetz eingebracht, da die Vorteile, die eine solche Sicherheitsüberprüfung mit sich bringt, beispielsweise in welcher Art und Weise die Anlage noch optimiert werden kann, in diesem kurzen Zeitraum nicht mehr zum Tragen kommen.
Die zehnjährliche Sicherheitsüberprüfung im deutschen Atomrecht dient als Ergänzung zu der intensiven und dauerhaften Aufsicht. Abteilungsleiter Thomas Wildermann betont den Nutzen einer solchen Sicherheitsüberprüfung, da man mit ihr einen systematischen Überblick über die gesamte Anlage erhalte, und eventuelle Schwachstellen, die im täglichen Aufsichtsgeschäft weniger auffallen, identifiziert werden können.
Jedoch ist eine Sicherheitsüberprüfung auch zeitintensiv. Die Generierung der Unterlagen durch den Betreiber dauert circa zwei Jahre, die Überprüfung mit Hilfe der Gutachter nimmt etwa ein bis zwei Jahre in Anspruch. Insbesondere bei einer Laufzeitverlängerung von dreieinhalb Monaten ist eine gründliche Sicherheitsüberprüfung nicht machbar.
Im Gesetzesvorschlag der Bundesregierung zum Weiterbetrieb, wird in gleicher Weise begründet, dass aus einer solchen Sicherheitsüberprüfung kein wesentlicher Gewinn für die Sicherheit der Anlagen mehr gezogen werden kann.
Insgesamt lässt sich der Rissfortschritt der linearen Anzeigen sehr gut prognostizieren und allgemein wird mit keinem Abriss oder einer Leckage gerechnet.
Abteilungsleiter Thomas Wildermann erläutert, dass ein etwaiger durchdringender Schaden prinzipiell so ablaufen würde, dass es zunächst eine kleine Leckage gäbe. Durch die Überwachungssysteme des Kernkraftwerks würde diese sehr schnell erkannt werden und die Anlage müsste nach den Vorgaben des Betriebshandbuches sofort abgefahren werden. Ein gleichzeitiges Auftreten von vielen gleichzeitig auftretenden Einzelschäden sei somit ein sehr hypothetisches und unwahrscheinliches Szenario.
Die Tatsache, dass auch ein Szenario von zehn abreißenden Rohren beherrscht wird, zeigt noch einmal den hohen Sicherheitsstandard und die robuste Auslegung der Anlage. Dieses Szenario gelte auch vom Schadensablauf her als so unwahrscheinlich, dass darüber hinaus keine Betrachtungen mehr angestellt werden.
Die Ableitung von Tritium ist im Rahmen der ursprünglichen Genehmigung festgelegt. In der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung wird die Tritiumableitung noch einmal geregelt, wobei eine solche Neuregelung für den befristeten Weiterbetrieb nicht notwendig ist. Im Genehmigungsverfahren fanden bereits eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung zur Information zum Verfahren sowie eine formale Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Auslegung der Unterlagen zur Stilllegungs- und Abbaugenehmigung und der Erörterung der Einwendungen statt.
Thematik Netzstabilität und Energieversorgung
Staatssekretär Dr. Andre Baumann erläutert, dass die beiden Stresstests der vier Übertragungsnetzbetreiber prinzipiell die hohe Netzstabilität in Deutschland bestätigt hätten. Unter Berücksichtigung verschärfter Randbedingungen in dem zweiten Stresstest, wie zum Beispiel der Unverfügbarkeit von französischen Kernkraftwerken, zeigte sich jedoch auch, dass eine stundenweise Krisensituation im Stromnetz zwar unwahrscheinlich sei, aber nicht komplett ausgeschlossen werden könne.
Um die Netzstabilität sicherzustellen wurde deshalb empfohlen, dass alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromerzeugungskapazitäten genutzt werden sollen. Hierzu zählen auch die Kernkraftwerke, die somit auch über den geplanten Abschaltzeitpunkt hinaus, bis Mitte April, einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können.
Staatssekretär Dr. Andre Baumann bekräftigt, dass die beste Antwort auf die Energiekrise ein massiver und beschleunigter Ausbau sowohl der erneuerbaren Energien als auch der Übertragungsnetze von Nord- nach Süddeutschland, ist. Gleichzeitig ist ein sparsamer Umgang mit den begrenzten Ressourcen nötig. Während wir in den nächsten Monaten noch auf Kohle- und Kernkraftwerke angewiesen sind, werden mittel- und langfristig die erneuerbaren Energien die fossilen Brennstoffe ablösen.
Deutschland ist in das europäische Stromsystem eingebunden. Dort findet ein regelmäßiger Stromexport- und import statt.
Wird beispielsweise im Sommer oder an windreichen Tagen mit Hilfe der Photovoltaikanlagen beziehungsweise Windkraftwerke mehr Strom erzeugt, so kann dieser, zum Beispiel nach Frankreich exportiert werden. An Tagen, an denen mit Hilfe der erneuerbaren Energie weniger Strom erzeugt wird, kann Strom aus anderen Ländern importiert werden. Zudem stehen noch Gaskraftwerke bereit, die jederzeit flexibel Strom erzeugen können. Diese sollen mittel- und langfristig mit grünem Wasserstoff und somit klimaneutral betrieben werden.
Hinweise zum Protokoll und Termin des nächsten Infoforums
Das Umweltministerium erstellt und veröffentlicht zu jeder Veranstaltung des Infoforums einen Rückblick auf seiner Internetseite. Fragen und Themenwünsche für das Infoforum können jederzeit formlos per E-Mail infoforum@um.bwl.de an das Umweltministerium gerichtet werden.
Die nächste Veranstaltung des Infoforums „Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz“ findet am Donnerstag, den 2. Februar 2023 um 18:00 Uhr statt. Voraussichtlich wird das Thema „Freigabe radioaktiver Abfälle“ sein.