THEMA GKN II vor der Stilllegung: Situation und Ausblick

4. Infoforum „Nukleare Sicherheit und Strahlen­schutz“: Rückblick

Thema

Gemeinschaftskernkraftwerk Neckarwestheim II vor der Stilllegung: Situation und Ausblick

Ablauf

Das Infoforum ist eine interaktive Livestream-Veranstaltung. Die Veranstaltung wird aus den Räumen des Umweltministeriums übertragen.

27. Oktober 2022

Beginn: 18:00 Uhr, Ende: 19:30 Uhr

Programm

  1. Begrüßung und Hinweise durch den Moderator der Veranstaltung und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Umweltministerium, Ralf Heineken
  2. Politisches Eingangsstatement des Umweltstaatssekretärs Dr. Andre Baumann
  3. Überblickvortrag zum Kernkraftwerk Neckarwestheim II und Ausblick auf einen befristeten Weiterbetrieb im Jahr 2023 von Thomas Wildermann, Leiter der Abteilung „Kernenergieüberwachung und Strahlenschutz“ des Umweltministeriums
  4. Diskussion und Beantwortung von Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer unter der Moderation von Ralf Heineken
  5. Hinweise zum Protokoll und Ankündigung des Termins für das nächste Infoforum am Donnerstag, 2. Februar 2023, um 18 Uhr mit dem voraussichtlichen Thema „Freigabe radioaktiver Abfälle“

Eröffnung der Veranstaltung

Ralf Heineken, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Umweltministerium, begrüßt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des vierten Infoforums zum Thema „Gemeinschaftskernkraftwerk Neckarwestheim II vor der Stilllegung: Situation und Ausblick“. Das Infoforum „Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz“ bietet als Online-Veranstaltung allen interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, unabhängig von deren Wohnort teilzunehmen. Ralf Heineken erläutert den vorgesehenen Ablauf über Cisco-Webex und die Möglichkeiten sich über Cisco-Webex aktiv in der Veranstaltung einzubringen.

Er weist einleitend darauf hin, dass man zu Beginn des Jahres noch davon ausgegangen ist, dass das Kernkraftwerk Neckarwestheim II (GKN II) zum Jahresende endgültig vom Netz gehen sollte. Doch der russische Angriffskrieg und die damit verbundene Energiekrise haben die Rahmenbedingungen entscheidend geändert. Vorbehaltlich der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, soll das Atomgesetz nun dahingehend geändert werden, dass die drei letzten deutschen Kernkraftwerke längstens bis zum 15. April 2023 weiter Strom produzieren können.

Als Referenten begrüßt Ralf Heineken den Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann, der in einem Eingangsstatement die Rahmenbedingungen dieser Entscheidung vorstellt und sie politisch einordnet. Anschließend informiert Thomas Wildermann, Leiter der Abteilung „Kernenergieüberwachung, Strahlenschutz“ im Umweltministerium Baden-Württemberg, in einem Vortrag rückblickend über den Betrieb von Neckarwestheim II im Jahr 2022, den Stand des Genehmigungsverfahrens für die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung und geht auf die Optionen eines möglichen Weiterbetriebs des Kernkraftwerks ein. Jörg Michels, Geschäftsführer der EnBW Kernkraft GmbH (EnKK), die GKN II betreibt, nimmt ebenfalls an der Veranstaltung teil und steht für Fragen in der abschließenden Diskussionsrunde zur Verfügung.

Politisches Eingangsstatement des Umweltstaatssekretärs Dr. Andre Baumann

Nach einer kurzen Begrüßung geht Staatssekretär Dr. Andre Baumann auf die Rahmenbedingungen ein, die zur Entscheidung einer befristeten, längeren Laufzeit der drei, noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke geführt haben.

Zu den aktuellen Veränderungen führt er aus: Zu Beginn der Planung des vierten Infoforums „Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz“ konnte man noch nicht ansatzweise die Brisanz dieser Veranstaltung erahnen. Der völkerrechtswidrige, russische Angriffskrieg hat jedoch zu einer schweren Energiekrise in Europa, in Deutschland und auch in Baden-Württemberg geführt.

Diese Energiekrise zeigt ihre Auswirkungen in nahezu allen Bereichen. Wir alle müssen sparsam mit Energie, vor allem mit fossilen Energieträgern umgehen. Insbesondere die Versorgung mit Erdgas ist einer der kritischsten Punkte. Auch wenn Deutschland im Bereich der Stromerzeugung hinsichtlich der erneuerbaren Energien bereits gut aufgestellt ist, wurde letztes Jahr noch knapp ein Siebtel des Stroms mit Hilfe von Gaskraftwerken erzeugt. In der künftigen Energiewelt, die hauptsächlich auf erneuerbaren Energien beruhen wird, sind flexibel fahrbare Gaskraftwerke nötig.

Der Staatssekretär betont, dass Europa in diesen Zeiten zusammenhalten muss, sowohl was die Lieferung von Gas als auch von Strom betrifft. Probleme in verschiedenen europäischen Kraftwerken im Verbundnetz verschärfen die Situation zusätzlich. Dies gilt vor allem für die Kernkraftwerke in Frankreich. Dort steht ungefähr die Hälfte der Kraftwerke still. Die Gründe sind unter anderem Routineabschaltungen, die während der Corona-Krise verschoben wurden und nun anstehen, die Niedrigwasserlage vieler französischer Flüsse im Sommer aber auch Befunde an für die Sicherheit wichtigen Rohrleitungen, dem sogenannten Sicherheitseinspeisesystem. Dies alles hat Auswirkungen auf die Versorgungslage des europäischen Stromnetzes.

Um die Versorgungssicherheit auch unter diesen Krisenbedingungen zu gewährleisten, wurde in den letzten Monaten verstärkt über einen befristeten Weiterbetrieb der drei, noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke diskutiert.

Zur Erläuterung der Auswirkungen auf die Stromversorgung verweist der Staatssekretär auf den Stresstest der Netzbetreiber. Aufgrund der Entwicklungen im Sommer hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter der Führung von Robert Habeck die Netzbetreiber mit einem zweiten Stresstest zur Beurteilung der Versorgungssicherheit beauftragt. Hierbei wurden verschärfte Randbedingungen berücksichtigt, beispielsweise Versorgungsprobleme von Kohlekraftwerken oder dass im kommenden Winter noch viele französische Kernkraftwerke außer Betrieb sein werden.

Der Stresstest kommt zu dem Schluss, dass stundenweise Krisensituationen im europäischen Stromnetz zwar unwahrscheinlich sind, jedoch auch nicht definitiv ausgeschlossen werden können. Zu dem von vielen Politikerinnen, Politikern und Medien heraufbeschworenen Blackout, also einem großflächigen und unkontrollierten Stromausfall, wird es jedoch nicht kommen. Da sowohl für die Industrie als auch für unser normales Leben Versorgungssicherheit und Netzstabilität von enormer Bedeutung sind, sollten alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromerzeugungs- und Transportkapazitäten genutzt werden.

Hierzu zählt neben der Wiederinbetriebnahme möglichst vieler Kohlekraftwerke auch ein befristeter Weiterbetrieb der Kernkraftwerke. Diese können in der momentanen Lage über den geplanten Zeitpunkt der Abschaltung hinaus einen Beitrag für die Stromerzeugung und Netzstabilisierung leisten. Zwar betont der Staatsekretär, dass er als Klima- und Naturschutzpolitiker sowohl von der Kohlekraft als auch der Kernkraft ein entschiedener Gegner ist. Jedoch hält er es für notwendig, dass alle verfügbaren Kapazitäten genutzt werden, um die Netzstabilität und Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Zu den Schlussfolgerungen der Bundesregierung erwähnt er: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat zuerst die Schaffung einer befristeten Einsatzreserve der zwei süddeutschen Kernkraftwerke vorgeschlagen. Nach internen Diskussionen in der Regierungskoalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht und entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zu einem befristeten Weiterbetrieb aller drei noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke geschaffen werden sollen.

Das Bundeskabinett hat am 19. Oktober einem Weiterbetrieb längstens bis zum 15. April 2022 zugestimmt. Die Kernkraftwerke können zwar mit den vorhandenen Brennelementen nicht mehr die maximale Leistung erzielen, jedoch lassen sich im sogenannten Streckbetrieb immer noch etwa fünf Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen. Die Optionen für einen Weiterbetrieb hat Bundesminister Robert Habeck mit den Energieversorgungsunternehmen sondiert.

In Bezug auf Neckarwestheim II ist die bisherige Vorstellung, dass die Anlage zum Jahresende heruntergefahren wird. Innerhalb von zwei bis drei Wochen konfiguriert der Betreiber den Reaktorkern neu, wodurch insgesamt mehr Strom erzeugt werden kann, als durch einen Weiterbetrieb mit dem jetzigen Reaktorkern. Es kommen diejenigen Brennelemente des vorhandenen Kerns und des Brennelementlagerbeckens zum Einsatz, mit denen noch am meisten Energie erzeugt werden kann.

Der Staatssekretär betont, dass definitiv keine neuen Brennelemente eingesetzt werden. Solche sind auch gar nicht vorhanden. Mit den bereits vorhandenen Brennelementen kann somit ohne Erzeugung von zusätzlichem, hochradioaktivem Atommüll, ein sinnvoller Beitrag zur Stabilisierung des Energienetzes erzeugt werden. Es handelt sich dabei um einen befristeten Weiterbetrieb von maximal dreieinhalb Monaten und nicht um einen Wiedereinstieg in die Atomenergie. Ein Weiterbetrieb über Mitte April hinaus ist ausgeschlossen. Dieses endgültige Ende der Kernenergie begrüßt Staatssekretär Dr. Andre Baumann sehr, insbesondere auch, weil er sich sowohl in der Umweltbewegung als auch danach im Umweltministerium immer für einen Ausstieg aus der Kernenergie eingesetzt hat.

Die Planungen der Bundesregierung bedeuten natürlich für das Umweltministerium als zuständige Aufsichtsbehörde zusätzliche Aufgaben. Der Staatssekretär bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass es keine Kompromisse in der Sicherheit und in Bezug auf den Schutz von Mensch und Umwelt geben wird.

Die Zusammenstellung des neuen Reaktorkerns, die Be- und Entladung und auch die mit dem Stillstand verbundenen Prüfungen stellen Routinevorgänge dar, die mit der gleichen Sorgfalt wie in der Vergangenheit vom Umweltministerium mit Unterstützung von Sachverständigen geprüft werden. Das Umweltministerium stellt durch eine intensive Aufsicht sicher, dass die hohen Sicherheitsstandards auch bei einem befristeten Weiterbetrieb eingehalten werden.

Abschließend fasst Staatssekretär Dr. Andre Baumann noch einmal zusammen, dass die momentane Krise letztendlich Maßnahmen erfordert, die sich keiner gewünscht hat, die aber zur Versorgungssicherheit und Netzstabilität beitragen. Hierzu zählen unter anderem der befristete Weiterbetrieb der Kernkraftwerke oder die Reaktivierung von Kohlekraftwerken. Er bedankt sich für die Aufmerksamkeit und lädt ein, Fragen in der Diskussionsrunde zu stellen.

Vortrag von Thomas Wildermann zum Thema „GKN II – Weiterbetrieb/Stilllegung“

Anhand eines PowerPoint-Vortrags [PDF; 10/22; 1 MB] informiert Thomas Wildermann, Leiter der Abteilung „Kernenergieüberwachung, Strahlenschutz“ des Umweltministeriums über das Kernkraftwerk Neckarwestheim II. Nach einem kurzen Überblick über den aktuellen Betrieb und die letzte Jahresrevision, geht er auf den momentanen Verfahrensstand der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung ein und stellt mögliche Optionen für einen befristeten Weiterbetrieb sowie deren Umsetzung und die damit verbundenen aufsichtlichen Fragestellungen dar.

Anhand eines Übersichtsdiagramms des Neutronenflusses des Jahres 2022 macht er deutlich, dass die Anlage GKN II größtenteils im Leistungsbetrieb bei 100 Prozent gelaufen ist. Dreimal wurde für Turbinenprüfungen die Leistung auf circa 80 Prozent abgesenkt, einmal wurde auf Anforderung des Lastverteilers die Leistung reduziert. Vor der Jahresrevision, die vom 4. Juni bis zum 24. Juni stattfand, befand sich die Anlage in einem Streckbetrieb, das heißt sie wurde mit sinkender Leistung betrieben.

In der Revision wurden viele wiederkehrende Prüfungen und Instandhaltungstätigkeiten durchgeführt.

Innerhalb des Prüfprogramms gab es, wie auch in den Jahren zuvor, eine Sonderprüfung, bei der alle Dampferzeugerheizrohre in den vier Dampferzeugern im relevanten Bereich mit Hilfe von Wirbelstromprüfungen überprüft wurden. Die Befunde sind bezüglich der Charakteristika mit den Vorjahren vergleichbar und lagen erwartungsgemäß weiterhin auf einem niedrigen Niveau. Da die Anlage entsprechend der bisherigen Planungen zum 31. Dezember endgültig abgeschaltet werden sollte, wurden keine neuen Brennelemente mehr eingesetzt.

Den grundsätzlichen Ablauf einer solchen Revision stellt der Abteilungsleiter anhand einer Übersichtsfolie dar.

In einem ersten Schritt erstellt der Betreiber eine Revisionsliste, die er bei der Aufsichtsbehörde und den Sachverständigen zur Prüfung und gegebenenfalls zur Ergänzung einreicht. Diese Liste bildet die Basis für die Arbeiten während der Revision. Die gesamte Revision wird vom Umweltministerium und den zugezogenen Sachverständigen mit Kontrollen von vorzulegenden Unterlagen und in der Anlage aufsichtlich begleitet. Am Ende legt der Betreiber eine Dokumentation aller durchgeführten Tätigkeiten vor, die wiederum auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft wird. Nach Prüfung aller Voraussetzungen, gibt die Aufsichtsbehörde die Freigabe zum Wiederanfahren.

Er gibt einen Überblick über die Aufsichtsaktivitäten des Umweltministeriums. Für Inspektionen hat die Aufsichtsbehörde im Jahr 2022 (bis zum 24. Oktober) insgesamt 27 Tage aufgewendet. Zudem findet eine werktägliche Auswertung der Kernreaktorfernüberwachung statt. Hierbei handelt es sich um ein elektronisches System, bei dem unterschiedliche Betriebsparameter der Anlage, beispielsweise Abgaben über die Luft und das Abwasser, der Neutronenfluss oder auch Unregelmäßigkeiten der Anlage erfasst und verfolgt werden können.

Zusätzlich hierzu kontrollieren die Sachverständigen, die im Auftrag der Aufsichtsbehörde tätig sind, viele Sachverhalte ebenfalls vor Ort. Da diese ungefähr zehnmal häufiger in der Anlage sind, ergibt sich eine sehr hohe Aufsichtsdichte. Im Jahr 2022 wurden bisher keine meldepflichtigen Ereignisse im Kernkraftwerk Neckarwestheim II gemeldet. Seit der Jahresrevision befindet sich die Anlage im ungestörten Leistungsbetrieb und seit dem 26. Oktober in einem Streckbetrieb. In diesem sinkt die Leistung, wie geplant und berechnet, von 100 Prozent auf circa 68 Prozent bis zum Jahresende.

Nach diesem Überblick über das Jahr 2022 geht Thomas Wildermann auf die bisherigen Planungen zu Neckarwestheim II ein. Entsprechend des Atomgesetzes gibt es die Vorgabe, zum 31. Dezember 2022 den Leistungsbetrieb der Anlage zu beenden. Der Betreiber, die EnKK, hat ihre Planungen zum Betrieb der Anlage somit auch auf dieses Datum hin ausgerichtet. Dies betrifft unterschiedliche Bereiche, beispielsweise den Brennelementeinsatz, Termine für wiederkehrende Prüfungen oder auch die Personalplanung. Zudem wurde die Rückbauplanung ebenfalls auf diesen Termin hin ausgerichtet. In diesem Zusammenhang hat die EnKK ein Genehmigungsverfahren zur Erlangung der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung angestoßen und hierzu bereits alle notwendige Unterlagen eingereicht. Außerdem hat sie zur Umsetzung des Rückbaus bereits Verträge mit Firmen, beispielsweise für die Primärkreisdekontamination, geschlossen.

Im Hinblick auf die Stilllegungs- und Abbaugenehmigung liegt, so der Abteilungsleiter, das Gutachten seitens der zugezogenen Sachverständigen bereits vor, die Aufsichtsbehörde hat die Unterlagen geprüft und einen Genehmigungsentwurf erstellt. Dieser befindet sich derzeit in der bundesaufsichtlichen Prüfung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sowie unter Beteiligung dessen Beratungskommissionen Reaktorsicherheitskommission und Entsorgungskommission. Die Ergebnisse dieser Prüfung sind in der Genehmigung zu berücksichtigen. Ziel war es, zeitnah zur bisher geplanten, endgültigen Abschaltung von GKN II Ende des Jahres, die Genehmigung zu erteilen.

Im Folgenden geht Thomas Wildermann noch einmal auf die Ergebnisse und die damit verbundenen Folgen des zweiten Stresstests ein, der von den vier Übertragungsnetzbetreibern im Auftrag des BMWK durchgeführt wurde. Das Ergebnis hat das BMWK am 5. September der Öffentlichkeit präsentiert.

Die Übertragungsnetzbetreiber empfahlen, alle Möglichkeiten zur Erhöhung der Stromerzeugungskapazitäten zu nutzen. Der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke wird dabei als ein Baustein zur Beherrschung der kritischen Situation aufgeführt.

Aus diesem Grund hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt, eine zeitlich begrenzte AKW-Einsatzreserve aus den beiden südlichen Atomkraftwerken Isar 2 und Neckarwestheim II zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit für den Winter 2022/2023 zu schaffen. In einem Eckpunktepapier, das am 27. September der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hatten das BMWK sowie die Betreiber der beiden südlichen Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim II die Randbedingungen der Ausgestaltung dieser Kernkraftwerke in der Einsatzreserve geregelt.

Nach internen Diskussionen in der Ampelkoalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz am 17. Oktober 2022 von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht. Er ordnete an, dass die gesetzlichen Grundlagen für einen Weiterbetrieb aller drei noch im Betrieb befindlichen Kernkraftwerke, also auch des Kernkraftwerks Emsland, bis längstens Mitte April geschaffen werden.

Das Bundeskabinett hat daraufhin den Entwurf für die Novelle des Atomgesetzes verabschiedet. Dieser sieht nun vor, dass keine Anforderung der Kernkraftwerke im Sinne der ursprünglich geplanten Einsatzreserve erfolgt. Ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ist längstens bis zum 15. April 2023 möglich, die Betreiber sind hierzu jedoch nicht verpflichtet und es besteht auch keine Verlustabsicherung für die Betreiber.

Für einen solcher befristeten Weiterbetrieb von Neckarwestheim II stellt Abteilungsleiter Thomas Wildermann zwei mögliche Optionen vor. Bei der ersten, sehr intensiv diskutierten Option, wird Neckarwestheim II zum 31. Dezember 2022 heruntergefahren und dann nach zwei bis drei Wochen, die für eine Rekonfiguration des Reaktorkerns benötigt werden, wieder angefahren. Bei der Beladung des Reaktorkerns werden diejenigen Brennelemente des aktuellen Kerns und des Brennelementlagerbeckens eingesetzt, mit denen noch am meisten Energie erzeugt werden kann. Mit diesem neukonfigurierten Kern könnte nach Wiederanfahren rund zwei Drittel der Leistung erzielt werden, die bis zum endgültigen Ende des Betriebs Mitte April auf circa 55 Prozent abfällt. Insgesamt könnten somit noch bis zu 1,7 Terrawattstunden Strom ab dem 1. Januar 2023 erzeugt werden.

Alternativ ist ein unterbrechungsfreier Weiterbetrieb ohne Stillstand und neuer Beladung des Reaktorkerns im Gespräch. Hierbei könnte das Kernkraftwerk bis Mitte Februar im Streckbetrieb betrieben und circa 0,5 Terrawattstunden Strom zusätzlich erzeugt werden.

Der Weiterbetrieb von GKN II bedeutet den Ausführungen des Abteilungsleiters zufolge auch für das Umweltministerium als Aufsichtsbehörde zusätzliche Aufgaben. Ein eventueller Kurzstillstand würde ähnlich einer Jahresrevision ablaufen. Der Betreiber würde auch hier eine Revisionsliste vorlegen, die vom Umweltministerium und den Sachverständigen geprüft wird. Auch die Thematik der Dampferzeugerheizrohre wird erneut betrachtet. Die Bewertung der Sachverständigen, dass während des Betriebs mit keinen wanddurchdringenden Rissen an den Dampferzeugerheizrohren zu rechnen ist, bezog sich formal auf den bislang vorgesehenen und gesetzlich verankerten Zeitpunkt der Abschaltung, den 31. Dezember 2022.

Für die Zeitdauer bis Mitte April muss daher eine ergänzende Bewertung vorgenommen werden. Da jedoch der aktuelle Zyklus auch mit einem anschließenden befristeten Weiterbetrieb kürzer als die Zyklen der Vorjahre ausfiele, ist grundsätzlich kein anderes Bewertungsergebnis zu erwarten.

Auch bei einem Weiterbetrieb wird das Umweltministerium die Einhaltung der gleichen hohen Sicherheitsstandards wie bisher und die Erfüllung der Auflagen der Betriebsgenehmigung aufsichtlich sicherstellen.

Diskussion und Beantwortung von Fragen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Die an die Vorträge anschließende Diskussion vertieft unterschiedliche Aspekte zum Thema Kernkraftwerk Neckarwestheim II. Die folgende Darstellung enthält die in der Veranstaltung besprochenen Sachverhalte.

Thematik möglicher Weiterbetrieb

Thematik Sicherheit und Dampferzeugerheizrohre

Thematik Netzstabilität und Energieversorgung

Hinweise zum Protokoll und Termin des nächsten Infoforums

Das Umweltministerium erstellt und veröffentlicht zu jeder Veranstaltung des Infoforums einen Rückblick auf seiner Internetseite. Fragen und Themenwünsche für das Infoforum können jederzeit formlos per E-Mail infoforum@um.bwl.de an das Umweltministerium gerichtet werden.

Die nächste Veranstaltung des Infoforums „Nukleare Sicherheit und Strahlenschutz“ findet am Donnerstag, den 2. Februar 2023 um 18:00 Uhr statt. Voraussichtlich wird das Thema „Freigabe radioaktiver Abfälle“ sein.