Klimawandel

Was geschieht nach dem Hochwasser?

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01.06.2018, Baden-Württemberg, Stuttgart: Voll Wasser gelaufen ist eine Unterführung in Vaihingen nach einem Starkregen.

Frau Walker, der Klimawandel wird vor Ort immer spürbarer. Was bedeutet das für die Menschen, die beispielsweise an Flüssen und Bächen leben?

THEKLA WALKER: Das hängt von der konkreten Situation vor Ort ab. Die Kommunen müssen herausarbeiten, wo eine besondere Gefahr besteht und können sich bei ihren Maßnahmen am Starkregen-Management des Landes orientieren.

Sind in den nächsten Jahren Umsiedlungen nötig, falls der Hochwasserschutz an seine Grenzen stößt?

THEKLA WALKER:: Es muss künftig noch stärker berücksichtigt werden, dass man nicht mehr in Überschwemmungsgebieten baut. In diesen Lagen sollten künftig keine Wohngebiete und Bauplätze mehr ausgewiesen werden. Hier stehen die Kommunen in der Verantwortung, die sich beispielsweise an Bächen und Flüssen befinden. Nach Hochwasserkatastrophen wie zuletzt in Rheinland-Pfalz werden sich manche Betroffene die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, wieder in die alten Häuser zurückzuziehen. Das ist eine schwere Entscheidung. Hier kann es Härtefälle geben.

Was kann das Land tun?

THEKLA WALKER: Bei den großen Flüssen wurde bereits viel getan. Für den Rhein, die Donau und den Neckar ist das Land zuständig, das sind die sogenannten Flüsse erster Ordnung. Bei den kleineren Flüssen muss jetzt mehr passieren. Das ist Aufgabe der Kommunen. Ich appelliere an die Städte und Gemeinden, sich am Starkregenmanagement-Konzept des Landes zu beteiligen. Wir finanzieren bis zu 70 Prozent der Kosten. Diese Konzepte sind sehr sinnvoll, weil dadurch schon kleinere wirksame bauliche Veränderungen herausgearbeitet und umgesetzt werden können. Darüber hinaus plädiere ich für eine verpflichtende Elementarversicherung als Standard. Das Land hilft im Katastrophenfall, das ist klar. Aber es ist auf Dauer nicht leistbar, nach Hochwasser und Starkregen in jeder Kommune Aufbauhilfe zu leisten. Dazu ist das Land rechtlich auch nicht verpflichtet.

Ist es also nicht möglich, nach Katastrophen alles finanziell abzufedern?

THEKLA WALKER: Die Kommunen werden für den Hochwasserschutz und auch für die möglichen Folgen von Umweltkatastrophen Mittel in die Hand nehmen müssen. Das ist ihre Aufgabe. Sie bekommen vom Land Konzepte, und natürlich stellen wir auch ausreichend Fördermittel zur Verfügung.

Überfordert das die Kommune nicht?

THEKLA WALKER: Aus meiner Sicht sind viele Kommunen nicht überfordert und leisten hier schon gute Arbeit. Es kann einzelne Kommune geben, für die es schwieriger ist, weil sie nicht genügend Rücklagen haben. Auf kommunaler Sicht müssen sich jetzt die Prioritäten verschieben. Hochwasserschutzmaßnahmen sollten vorgezogen werden.

Ist beim Klimawandel der Point Of Return schon überschritten?

THEKLA WALKER: Nein. Die Extremwetterereignissen zeigen nur, dass der Klimawandel weiter eingedämmt werden muss. Wenn wir das nicht machen, schnell und konsequent, dann werden die Konsequenzen unbeherrschbar. Wenn wir in den nächsten zehn Jahren nicht klimaneutral werden, dann hat das dramatische Folgen.

Reicht das Klimaschutzgesetz des Landes hier aus?

THEKLA WALKER: Es ist das weitreichendste in Deutschland, aber es ist nur der Einstieg. Es geht zunächst nur um die Rahmendaten – unter anderem also um das Zwei-Prozent-Ziel bei der Landesfläche für Solar- und Windkraftanlagen sowie um die neuen, noch ehrgeizigeren CO2-Ziele. Als Nächstes brauchen wir klare Sektorenziele für die Bereiche Wärme, Mobilität oder Landwirtschaft. Dazu wollen wir das Klimaschutzgesetz noch mal novellieren. Die Novelle soll bis zum Sommer 2022 auf den Weg gebracht werden.

Der Windkraft-Ausbau stockt. Wann werden die Genehmigungsverfahren endlich beschleunigt?

THEKLA WALKER: Dazu sind wir jetzt in intensivem Austausch. Wir als Land können dafür sorgen, dass die Flächen schnellstmöglich zur Verfügung stehen. Wir setzen uns mit der kommunalen Seite zusammen, um das zu beschleunigen. Auf ein Landesentwicklungsgesetz und eine neue Raumordnung können wir nicht warten, das dauert Jahre. Wir können kein europäisches Recht aushebeln und im Moment auch kein Bundesimmissionsschutzrecht verändern. Aber auf Landesebene werden wir alle Akteure zusammenbringen, um die Verfahren zu beschleunigen.

Hat die Windkraft Ihrer Wahrnehmung nach an Akzeptanz gewonnen?

THEKLA WALKER: Es gibt schon noch Ressentiments gegen die Windkraft. Aber wir haben Unterstützungsformate, um vor Ort die Bürgerinnen und Bürger bei Entscheidungen mit einzubinden. Ich habe den Eindruck, dass sich die Stimmung geändert hat, dass sich das Bewusstsein gewandelt hat, dass auch bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern sowie den Landräten der Wille da ist.

Es geht ja auch um die Versorgungssicherheit. Wir steigen aus der Atomkraft aus, Ende nächsten Jahres wird Neckarwestheim II abgeschaltet. Fakt ist, dass wir den Zubau von erneuerbaren Energien brauchen. Und jeder Ort und jede Gemeinde, die das jetzt plant, handelt vorausschauend. Denn am Ende ist es auch eine Frage von Kosten. Wer’s jetzt nicht macht, für den kann es am Ende teuer werden, weil die Preise für regenerative Energien sinken und der CO2-Preis in jedem Fall steigt.

Baden-Württemberg war schon immer ein Stromimportland, das wird auch in Zukunft so sein. Aber wenn wir klimaneutral werden wollen, brauchen wir mehr erneuerbare Energien bei uns und auch aus dem Norden.

Ein Blick auf den Haushalt: Wäre es aus Ihrer Sicht richtig, den Klimawandel zur Notlage zu erklären, damit die Schuldenbremse nicht zieht und neue Kredite aufgenommen werden können?

THEKLA WALKER: Ich sehe im Moment nicht, dass es am Geld liegt. Wir haben Klimathemen priorisiert. Da ist viel zu investieren, das ist teuer, aber Bund und Land unterstützen die Kommunen dabei. Das Credo ist ja, zu schauen, wo man geschickt komplementär finanziert und nicht parallel. Man muss die Mittel klug einsetzen. Aber im Moment sehe ich nicht, dass für den Klimaschutz die Ausnahmeregel gezogen werden müsste.

Alle Ministerien müssen sparen und Streichlisten für den nächsten Haushalt vorlegen. Haben Sie schon überlegt, wo das Umweltministerium sparen kann?

THEKLA WALKER: Ich will auf keinen Fall, dass beim Klimaschutz, beim Ausbau der erneuerbaren Energien, beim Wasserstoff und bei der Biodiversität der Rotstift angesetzt wird. Es ist ganz normal, dass man Abläufe strafft und sich bei Projekten anschaut, ob die noch notwendig sind. Aber das Umweltministerium ist ein kleines Haus, hier sind keine goldenen Töpfe zu holen. Und beim Hochwasserschutz und bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu sparen – auf diese Idee kommt nun wirklich keiner.

Wie läuft die Zusammenarbeit beim Klimaschutz in der Koalition mit der CDU?

THEKLA WALKER: Was mein Thema angeht, habe ich schon den Eindruck, dass jetzt eine ganz andere Bereitschaft da ist als in der vergangenen Legislatur. Ich habe jetzt das Klimaschutzgesetz über die Fraktionen in den Landtag eingebracht. Das wäre in der letzten Legislatur undenkbar gewesen. Natürlich gibt es Leute, die schon länger dabei sind, von denen denkt man, die werden sich vielleicht im Innersten ihres Herzens nicht komplett umgestellt haben. Aber es gibt auch viele jüngere Abgeordnete, die andere Anforderungen haben. Deswegen habe ich den Eindruck, dass sich wirklich etwas verändert hat.

QuelleSüdkurier und Heilbronner Stimme (veröffentlicht am 31.07.2021); Von Ulrike Bäuerlein und Michael Schwarz