Umweltminister Franz Untersteller und LUBW-Präsidentin Eva Bell: „Der Klimawandel ist auch in Baden-Württemberg längst spürbar. Wir müssen beim Klimaschutz von Anfang an mitdenken, wie wir seine Folgen abmildern können“
Die Folgen des Klimawandels sind – auch in Baden-Württemberg – dramatisch. So könnte bis zum Jahrhundertende aktuellen Berechnungen zufolge die Durchschnittstemperatur im Vergleich zum Zeitraum zwischen 1971 und 2000 um 3 bis 4 Grad Celsius steigen. In den Höhenlagen des Schwarzwalds könnten dann Temperaturen herrschen wie sie heute im Oberrheingraben gemessen werden – mit gravierenden Folgen für Mensch und Natur.
„Aber nicht nur die Prognosen sind für uns alle tiefgreifend, sondern auch der Ist-Zustand“, sagte der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller heute (03.02.) in Stuttgart bei der Vorstellung des zweiten „Monitoringberichts 2020 zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel“. Mit 10,4 Grad Celsius sei 2018 ein neuer Höchstwert der Jahresmitteltemperatur für Baden-Württemberg erreicht worden. Zudem nehmen extreme Wetterereignisse wie Starkregen weiter zu.
„Schon jetzt sehen und spüren wir im Land die Auswirkungen des Klimawandels deutlich. Er ist nachweisbar und längst bei uns auch im eigenen Garten mit verbrannten Rasenflächen oder überschwemmten Kellern angekommen“, betonte Untersteller: „Aber wir schauen dabei nicht zu. Wir tun was dagegen.“
Mit dem „Monitoringbericht 2020 zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel“ hat das Umweltministerium dem Kabinett gestern (02.02.) eine Bestandsaufnahme zu den Folgen des Klimawandels im Land vorgelegt. Der Bericht gibt darüber hinaus auch Auskunft über den Stand der Maßnahmen, mit denen das Land dem Klimawandel begegnen möchte.
Untersteller bezeichnete die Ergebnisse und die rasante Entwicklung des Klimawandels als ein erwartetes Alarmsignal: „Wir müssen aber noch viel mehr tun, damit wir unseren Enkeln und deren Enkeln ein Land hinterlassen, das mit einer intakten biologischen Vielfalt noch schön und lebenswert ist“, sagte Umweltminister Untersteller. Dabei sei es unerlässlich den Klimaschutz mit den Anpassungen an den Klimawandel von Anfang an mitzudenken. „Es zeigt sich nämlich, dass gewinnbringende Investitionen in den Klimaschutz die Folgekosten des Klimawandels und damit auch die Kosten für die Anpassungen an den Klimawandel deutlich nach unten drücken können.“
Eva Bell, Präsidentin der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, ergänzte: „Ich freue mich, dass wir das Land mit dem neuen ‚Kompetenzzentrum für Klimawandel und Anpassung‘ in Zukunft noch stärker bei dieser im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtigen Aufgabe unterstützen werden.“
Seit 2000 zählen 16 Jahre zu den wärmsten 20 je gemessenen im Land
In neun Handlungsfeldern untersucht der Monitoringbericht die Klimafolgen: Wald und Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Boden, Naturschutz und Biodiversität, Wasserhaushalt, Tourismus, Gesundheit, Stadt- und Raumplanung sowie Wirtschaft und Energiewirtschaft. In den meisten Feldern lassen sich bereits Veränderungen belegen, die auf den Klimawandel zurückgeführt werden können. „Besonders die Landwirtschaft, die Wald- und Forstwirtschaft sowie Wasser und Biodiversität sind bereits stark betroffen“, betonte Umweltminister Franz Untersteller. „Während die Temperaturen von Seen und das Waldbrandrisiko von Jahr zu Jahr steigen, sinken die Bodenwasservorräte unter landwirtschaftlichen Böden.“
Seit dem Jahr 2000 zählen 16 zu den 20 wärmsten jemals in Baden-Württemberg gemessenen Jahren. „Unsere Auswertungen zeigen, Pflanzen blühen früher, Sommer werden heißer und die Natur leidet unter der wiederkehrenden Trockenheit, weil sich Schädlinge im Wald oder im Ackerbau weiter ausbreiten. Dies hat erheblichen Einfluss auf die Vielfalt der Lebensräume im Land und unsere Lebensgrundlagen“, erläuterte LUBW-Präsidentin Bell.
Die Beispiele im Monitoringbericht dokumentieren eine Entwicklung, die sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter fortsetzen werde. „Wenn wir dieser Entwicklung tatenlos zusehen, wird Baden-Württemberg in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein anderes Land sein, in dem die Lebensqualität spürbar nachgelassen hat“, hob Untersteller hervor.
Wärmeliebende Fruchtarten werden in Baden-Württemberg heimisch
Bereits vor sechs Jahren habe die Landesregierung deshalb eine Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels verabschiedet, führte der Minister aus. „Darin sind 76 Handlungsempfehlungen enthalten, unter anderem zur Stadt- und Raumplanung, zum Tourismus, zur Gesundheitsprävention und zum Hochwasserschutz. Von den Empfehlungen wurde der Großteil bereits angegangen.“ So wurde etwa ein Leitfaden für Kommunen zum Umgang mit Starkregen entwickelt oder eine Studie zur besseren gesundheitlichen Versorgung älterer Menschen bei Hitze erstellt.
Für eine umfassende Wirkungsanalyse sei es derzeit noch zu früh, sagte Untersteller. „Wir sehen aber, welche konkreten Folgen der Klimawandel in Baden-Württemberg schon hat. In der Landwirtschaft ändert sich beispielsweise der Anbau, es werden bei uns verstärkt wärmeliebende Fruchtarten wie Körnermais und Soja oder Merlot-Trauben im Weinbau heimisch. In der Forstwirtschaft wird der standortgerechte und klimaangepasste Waldumbau vorangetrieben, weg von den Reinbeständen der Fichte oder Kiefer hin zu widerstandfähigeren Baumarten und Mischbeständen. Und im Land haben wir, nur ein Beispiel, den Hochwasserschutz deutlich aufgewertet.“
Aber um die Maßnahmen noch zielführender umsetzen zu können, hält es der Umweltminister für die kommende Fortschreibung der Anpassungsstrategie für zwingend erforderlich, ressortübergreifend die Verantwortlichkeiten und Abläufe für die Umsetzung der Anpassungsstrategie festzulegen
Ergänzende Informationen
Die baden-württembergische Landesregierung hatte 2013 das Klimaschutzgesetz beschlossen, 2015 die Klima-Anpassungsstrategie. Alle drei Jahre wird nun systematisch erfasst, welche wesentlichen Folgen sich aus dem Klimawandel für Baden-Württemberg ergeben und wie man damit umgehen kann.
Im novelliertem Klimaschutzgesetz ist festgelegt, bis Ende 2022 eine fortgeschriebene Anpassungsstrategie zu verabschieden. Von 2024 an wird dann alle fünf Jahre ein Monitoring zur aktualisierten Klimaanpassungsstrategie gemacht.