„Klimaschutz und aktive Anpassung an den Klimawandel sind eine Win-win-Strategie für Mensch und Natur“, sagt Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg. Im Exklusiv-Interview mit dem Azubimagazin Durchstarter erklärt sie, wie jeder Einzelne von uns, aber auch Gesellschaft und Wirtschaft von mehr Nachhaltigkeit profitiert. Die Fragen stellte Vera Hiller vom Reutlinger Generalanzeiger.
Die Diskussion um Umweltthemen erscheint zunehmend emotional aufgeheizt. Um das Ganze einmal von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten: Was hat jeder Einzelne von uns davon, wenn die gemeinsamen Anstrengungen um mehr Umweltschutz, Klimafreundlichkeit und Nachhaltigkeit Früchte tragen?
Ministerin Thekla Walker: Wir alle haben von mehr Anstrengungen für Klima und Umwelt mehr Lebensqualität. Die Sommer der vergangenen Jahre waren extrem. Und das spüren wir direkt und indirekt – Hitze, die uns belastet, starke Unwetter, die große Schäden verursachen, Dürren, die zu schlechteren Ernten und teureren Lebensmitteln führen.
Die Erderhitzung zu begrenzen und uns gleichzeitig an die Folgen anzupassen ist eine Frage der Daseinsvorsorge: Vorsorge für ausreichend Wasser in guter Qualität, für Ernährungssicherheit, für Gesundheitsschutz.
Mit den richtigen Maßnahmen schützen wir beides: Mensch UND Natur. Nehmen wir das Beispiel Renaturierung: Wiedervernässte Moore und gesunde, widerstandsfähige Wälder können CO2 speichern und bieten gleichzeitig Heimat für viele Tier- und Pflanzenarten. Renaturierte Flüsse und Auen bieten gleichzeitig Schutz vor Hochwasser und erhalten Lebensräume im Wasser, auch in langen Trockenphasen.
Zugleich sind sie Erholungsorte für Menschen. Das gleiche Prinzip gilt im städtischen Kontext. Parks und urbanes Grün kühlen unseren Lebensraum, sind Oasen für Insekten und zugleich sind Grünflächen wichtige Orte der Begegnung für uns Menschen. Klimaschutz und aktive Anpassung an den Klimawandel sind eine Win-win-Strategie für Mensch und Natur.
Welche Ideen und Projekte haben Sie in Ihrem Hause im Sinne von Nachhaltigkeit umgesetzt, die Sie anderen Arbeitgebern zur Nachahmung empfehlen können?
Ministerin Thekla Walker: Ein kleines Beispiel: Wir fördern ein Programm namens „UnternehmensNatur“. Es regt Firmen dazu an, ihre Standorte wo immer möglich naturnah zu gestalten.
Der Naturschutzbund und die Flächenagentur Baden-Württemberg beraten interessierte Unternehmen, was bei ihnen individuell gut funktioniert – vom Wechsel von Rasenflächen zu artenreichen Wiesen, blühenden Stauden und Kräuterbeeten, von Hecken und Bäumen über begrünte Dächer und Fassaden bis zu insektenfreundlicher Außenbeleuchtung. Das hat etwa beim Daimler-Truck-Werk Gaggenau gut funktioniert. Kürzlich war ich beim EnBW-Standort Biberach zum Projektstart. Mit einfachen Maßnahmen können Unternehmen viel tun für die Artenvielfalt – und für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. An viel Grün und bunter Pflanzenvielfalt erfreuen sich nicht nur Insekten, sondern auch Menschen. Auch hier zeigt sich: Einsatz für die Umwelt nützt uns allen.
Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind Themen, die zunehmend auch Berufsbilder mit beeinflussen. In welchen Berufsfeldern sehen Sie das größte Wachstumspotenzial und damit auch sehr gute Beschäftigungschancen für junge Menschen, die ihr ökologisches Interesse mit ihren Berufszielen vereinbaren wollen?
Ministerin Thekla Walker: In der Wirtschaft ist längst angekommen, dass Klimaschutz ein Treiber nachhaltigen Wachstums ist: Das Handwerk hat kürzlich eine bundesweite Kampagne gestartet unter dem Motto „Werde fürs Klima aktiv – hauptberuflich“. Für die Erreichung der Klimaziele braucht es Menschen, die Solaranlagen auf die Dächer montieren, Gebäude dämmen und durch Smart-Home-Anwendungen effizienter machen, Wärmepumpen installieren und warten und vieles mehr.
Die Transformation vieler Lebensbereiche – von der Stromerzeugung übers Heizen bis zur Mobilität – ist eine riesige Herausforderung. Zugleich ist sie ein Konjunkturprogramm, das neue Arbeitsplätze und neue Berufsfelder entstehen lässt. Kleine und mittlere (Handwerks-)Betriebe sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Dieses Kreuz wird durch die Energie- und Wärmewende breiter.
Der Journalist Dirk Steffens hat einmal gesagt: Wenn jeder der acht Milliarden Menschen auf der Erde auch nur einen ganz kleinen Beitrag dazu leistet, dann ist in der Summe schon viel für den Umweltschutz getan. Könnten Sie uns abschließend dafür ein paar Beispiele nennen, die jeder problemlos in seinen Alltag integrieren kann?
Ministerin Thekla Walker: Wer sich klimabewusst ernährt, lebt gesünder. Wer klimabewusst mobil ist, bleibt fit. Aber als Ministerin möchte ich die Verantwortung für eine Lösung der Klimakrise nicht allein auf die Einzelnen abwälzen. Der größte Hebel sind klima- und umweltfreundliche Rahmenbedingungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Wohlstand und gutes Leben brauchen einen gesunden Planeten. Dauerhaften Wohlstand erreichen wir, wenn die Entscheidung für nachhaltige Produktion, für nachhaltige Produkte zugleich auch die wirtschaftlich vernünftigste und tragfähigste ist.
Quelle: Durchstarter – Das Azubimagazin (veröffentlicht am 27. Oktober 2023). Die Fragen stellte Vera Hiller, Reutlinger General-Anzeiger