Umweltministerin Thekla Walker: „Jeder Biberkonflikt muss weiterhin individuell begutachtet und bewertet werden“
Bei einem Vorort-Termin im Landkreis Biberach stellten Umweltministerin Thekla Walker und Landwirtschaftsminister Peter Hauk das Biber-Modellprojekt nach bayerischem Vorbild vor (11.03.). Im Rahmen dieses zu Beginn des Jahres gestarteten Projektes soll geprüft werden, inwieweit das bisherige Bibermanagement um die letale Entnahme als ultima ratio erweitert werden kann, wenn in Ausnahmefällen Konflikte durch aktuelle Methoden nicht zumutbar gelöst werden können. Ein weiteres Ziel ist es, die Jägerschaft verstärkt in das landesweite Bibermanagement einzubinden.
Umweltministerin Thekla Walker betonte: „Bereits jetzt haben wir mit unserem Bibermanagement einen umfangreichen Katalog an Präventionsmaßnahmen, aber auch die Möglichkeiten zu Vergrämungen und Umsiedlungen. Damit können wir den allergrößten Teil der Biberkonflikte lösen. Für die wenigen Einzelfälle mit großem Konfliktpotenzial, bei denen andere Möglichkeiten zur Lösung nicht möglich oder erfolglos sind, entwickeln und erproben wir gegebenenfalls mit der letalen Entnahme als ultima ratio nun eine weitere Option. Klar ist aber, dass jeder Biberkonflikt weiterhin individuell und umfassend begutachtet und bewertet werden muss.“
Landwirtschaftsminister Peter Hauk: „Das Projekt wird zu einer Erweiterung des bisherigen Bibermanagements beitragen“
Landwirtschaftsminister Peter Hauk sagte: „Die Artenschutzmaßnahmen im Land funktionieren. Dies sieht man am zunehmenden Besatz des Bibers in den letzten Jahren. In einigen Regionen führt dies zu Konflikten mit der Land- und Forstwirtschaft, die wir gemeinsam lösen müssen. Es braucht ein sinnvolles Management, das Mensch und Tier gerecht wird. Die Ergebnisse und Erkenntnisse des Bibermodellprojekts sollen nach dessen Abschluss in rund zwei Jahren in das landesweite Bibermanagement integriert werden.“
Im Rahmen dieses Projektes soll auch geklärt werden, wie die Jägerschaft in das Bibermanagement verstärkt integriert werden kann – insbesondere, wie Mitglieder der Jägerschaft als zusätzliche Biberberaterinnen und Biberberater gewonnen werden können. Zudem wird die gezielte Ausbildung interessierter Jägerinnen und Jäger zur Unterstützung einer letalen Entnahme auf den Weg gebracht.
Zur Örtlichkeit der Informationsveranstaltung
Seit über zehn Jahren wird ein Bahnseitengraben der Deutschen Bahn-Strecke zwischen Warthausen und Schemmerberg auf einer Länge von rund 1,3 Kilometern von zwei Biberfamilien als Lebensraum genutzt. Mehrere durch die Biber angelegte Röhren und Baue sorgten für eine Untergrabung des Bahndammes. Dadurch kam es in der Vergangenheit zu Gleisabsenkungen und in Folge zu einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit.
Als Gegenmaßnahme wurden im Spätherbst 2021 von der Deutschen Bahn AG auf einer Länge von etwa 500 Metern Biberschutzmatten in den Bahndamm eingebaut. Zudem wurden diejenigen Biberröhren und Biberbaue verfüllt, die zur Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit geführt hatten. Anhand dieses Beispiels wird ersichtlich, dass mit den bisherigen Maßnahmen selbst schwere Biberkonflikte gelöst werden können, ohne dass hierfür Biber getötet werden müssen.
Ergänzende Informationen
Startschuss für das Bibermodellprojekt nach bayerischem Vorbild war im Januar. Hinter der Entwicklung und Finanzierung stehen die Ministerien für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft sowie Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz.
Das Projektgebiet erstreckt sich über die Landkreise Sigmaringen, Ravensburg, Biberach, den Stadtkreis Ulm sowie den Alb-Donau-Kreis. Die ausgewählte Projektregion hat mit circa 4.350 Bibern ein erhöhtes Konfliktpotential.
Welche Gemeinden letztlich im Bibermodellprojekt beteiligt werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt. Aktuell werden bekannte, potenziell geeignete Biberkonfliktfälle identifiziert. Weitere können an den Projektkoordinator gemeldet werden.
Die baden-württembergische Biberpopulation wird auf etwa 7.500 Tiere geschätzt. Mit etwa 4.350 Tieren kommen im Regierungsbezirk Tübingen am meisten, im Regierungsbezirk Karlsruhe mit etwa 400 Tieren am wenigsten Biber vor. Die meisten Biber leben landesweit im Landkreis Biberach (circa 1.150 Tiere), gefolgt vom Landkreis Ravensburg (circa 1.050 Tiere) und dem Landkreis Sigmaringen (circa 800 Tiere). Aufgrund der Lebensweise des Bibers ist jedoch eine genaue Erfassung der Population sehr schwierig, weshalb bisher keine flächendeckende Erhebung der Biberpopulation in Baden-Württemberg stattfindet.
Mit dem bestehenden Bibermanagement werden schon jetzt selbst schwere, komplexe Biberkonflikte in der Regel gelöst. Sollten in Ausnahmefällen Konflikte durch aktuelle Methoden nicht zu einer zumutbaren Lösung kommen, soll nun innerhalb des Modellprojekts die letale Entnahme als ultima ratio geprüft werden. Um dieses Instrument etablieren zu können, muss die letale Entnahme rechtssicher entwickelt und gegebenenfalls erprobt werden.
Der Biber ist in den Anhängen II und IV der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) der EU gelistet und somit nach Paragraf 7 Absatz 2 Nr. 14 Bundesnaturschutzgesetz eine besonders und streng geschützte Art. Eine mögliche letale Entnahme erfordert immer eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung gemäß Paragraf 45 Absatz 7 Bundesnaturschutzgesetz – dies auch im Modellprojekt.
Im Bibermodellprojekt zu bearbeitende Fragestellungen sind auch die praktische Vorgehensweise bei einer möglichen letalen Entnahme sowie das Erarbeiten von entsprechend praktikablen Strukturen in der Verwaltung.