Atomenergie – Meldepflichtiges Ereignis

Kühlwasserleckage an einem Notstromdieselmotor im Kernkraftwerk Philippsburg (Block 2) – Meldepflichtiges Ereignis vom 22. April 2016

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Einstufung: Meldekategorie N (Normalmeldung) – Nach internationaler Bewertungsskala INES „Stufe 0“ – Ereignis hat keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung

Am 28. April hat das Umweltministerium Baden-Württemberg Informationen zu einem meldepflichtigen Ereignis im Kerkraftwerk Philippsburg (Block 2) veröffentlicht. Zum Zeitpunkt dieses Ereignisses hatte sich das Kernkraftwerk in Revision befunden.

Damals war zum Abschluss von Arbeiten an einer Redundanz des Sicherheitssystems eine Prüfung des zugehörigen Notstromdieselaggregats erfolgt. Während dieser Prüfung war eine Schraube, die zur Befestigung eines Flanschs der Kühlwasserleitung an einem Zylinderkopf dient, gebrochen. Dadurch war Kühlflüssigkeit ausgetreten und der Motor hatte abgeschaltet werden müssen. Aufgrund der starken Dampfentwicklung sprach die Brandmeldeanlage an.

In Folge dieses Ereignisses überprüfte der Betreiber die jeweils 60 Flansch-schrauben aller vier Notstromdieselmotoren des so genannten D1-Netzes. Bei der Überprüfung der Schrauben an dem Notstromdiesel, an dem der Schraubenbruch aufgetreten war, wurde festgestellt, dass sich 33 der verbliebenen 59 Schrauben geringfügig nachziehen ließen.

Der Betreiber wertete das im April als befundfrei in der Annahme, dass für die „gelockerten“ Schrauben das normale Setzungsverhalten der Flanschdichtung ursächlich gewesen sei.
(Siehe Pressemitteilung vom 28.04.2016).

Bei der Überprüfung der drei weiteren Notstromdiesel (nach Meldung des Schraubenbruchs gemäß atomrechtlicher Meldeordnung, AtSMV) musste der Betreiber feststellen, dass an zwei Aggregaten alle Schrauben fest saßen, dass aber an einem Aggregat bei 17 von 60 Schrauben ein geringeres Anzugmoment vorlag. Der Betreiber hat daraufhin den Sachverhalt mit dem folgenden Ergebnis neu bewertet: Bei dem ursprünglich betroffenen Notstromdieselaggregat und bei einem weiteren der vier Notstromdieselaggregate des D1-Netzes waren 33 beziehungsweise 17 der jeweils 60 Befestigungsschrauben nicht mit dem vorgeschriebenen Anzugmoment angezogen.

Einstufung durch den Kraftwerksbetreiber: Meldekategorie N (Normalmeldung); INES 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung)

Maßnahmen des Kraftwerksbetreibers: Der Betreiber hat die defekte Schraube ausgetauscht und die übrigen Befestigungsschrauben von Kühlwasseraustrittsflanschen an allen vier Notstromdieseln auf ihren spezifikationsgerechten Zustand (Anzugmoment, Schraubenqualität und Schraubeneigenschaften) überprüft und ersetzt. Die ausgetauschten Schrauben wurden einer Oberflächenrissprüfung unterzogen. Bei der Oberflächenrissprüfung wurden keine weiteren Befunde festgestellt. Die Ursachenklärung dauert noch an.

Die Notstromversorgung im Kernkraftwerk Philippsburg ist vierfach redundant aufgebaut. Da die betroffene Redundanz für Revisionsarbeiten freigeschaltet war, hat der Ausfall des Notstromdiesels nicht zu einer ungeplanten Nichtverfügbarkeit im Sicherheitssystem geführt und hatte damit keinen Einfluss auf das Sicherheitsniveau der Anlage. Eine übergeordnete Bedeutung des Ereignisses ergibt sich daraus, dass an zwei von vier Notstromdieselaggregaten Bauteile (in diesem Fall Kühlwasseranschlüsse) nicht wie spezifiziert montiert waren. Die Montage der Kühlwasseranschlüsse wurde im Rahmen einer Wartung bei dem Hersteller der Motoren durchgeführt. Es ergaben sich keine Auswirkungen auf Personen und die Umwelt.

Ergänzende Informationen

Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung – AtSMV zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen.

Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):

Kategorie S (Unverzügliche Meldung)
Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.

Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden)
Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell – aber nicht unmittelbar – signifikante Ereignisse.

Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag)
Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von 5 Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.

Internationale Bewertungsskala INES: Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.

Die Skala umfasst sieben Stufen:

1 – Störung
2 – Störfall
3 – ernster Störfall
4 – Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
5 – Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
6 – schwerer Unfall
7 – katastrophaler Unfall

Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 – 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.