Atomenergie – Meldepflichtiges Ereignis

Abgebrochenes Federende in Einspritzdüse eines Notstromdieselmotors im Kernkraftwerk Neckarwestheim (Block II)

Kernkraftwerk Neckarwestheim

Einstufung: Meldekategorie N (Normalmeldung)
Nach internationaler Bewertungsskala INES „Stufe 0“ – keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung

Beim Probelauf eines Notstromdieselaggregats im Block II des Kernkraftwerks Neckarwestheim am 14. Oktober 2019 kam es zu einem Abfall der Abgastemperatur an einem Zylinder. Das Aggregat hat dennoch seine volle Leistung erbracht. Der Betreiber der Anlage hat die Einspritzdüse des betroffenen Zylinders vorsorglich getauscht. Der anschließende Probelauf verlief ohne Befund.

Die Einspritzdüse wurde zur weiteren Untersuchung zum Hersteller des Notstromdiesels gebracht. Die Untersuchung im Beisein des zugezogenen Sachverständigen ergab, dass die Einspritzdüse teilweise mit Fremdkörpern zugesetzt war. Die Fremdkörper wurden als Bruchstücke einer im Bereich der Kraftstoffzuführung befindlichen Feder identifiziert. Als Ursache für das Abbrechen wurde ein teilweise zu spitzes Anschleifen von Federenden beim Hersteller der Federn erkannt. Derartige Federn kommen seit 2016 zum Einsatz. Der Mangel betrifft lediglich einen kleinen Teil der eingesetzten Federn und führt bei diesen bereits nach wenigen Betriebsstunden zum Abbrechen.

Einstufung durch den Kraftwerksbetreiber: Meldekategorie N (Normalmeldung); INES 0 (keine oder sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung).

Maßnahmen des Genehmigungsinhabers: Der Betreiber plant den Austausch der betroffenen Komponenten. Durch die bereits vorhandene Überwachung der Abgastemperatur der einzelnen Zylinder kann weiterhin sichergestellt werden, dass ein Verstopfen der Einspritzdüsen frühzeitig erkannt wird.

Eine Unverfügbarkeit der Notstromversorgung lag nicht vor. Es war nur eine Einspritzdüse eines von insgesamt 16 Zylindern betroffen. Die geringere Leistung dieses Zylinders wurde über die Motorregelung kompensiert.

Nach den Untersuchungen des Herstellers des Notstromdiesels ist von einem systematischen Fehler bei der Fertigung beziehungsweise der Qualitätssicherung der Federn auszugehen. Der Mangel betrifft stochastisch verteilt einen kleinen Teil der eingebauten Federn. Abgebrochene Federenden führen nur bei größeren Bruchstücken und damit nicht zwangsläufig zu einem Zusetzen der Einspritzdüse.

Der Ausfall des betroffenen Notstromdiesels ist nicht zu besorgen. In den anderen drei Notstromdieseln haben die eingesetzten Federn bereits deutlich höhere Betriebsstunden. Daher ist das Auftreten des beobachteten Schadensbildes hier nicht zu erwarten.

Der Befund hat eine geringe sicherheitstechnische Bedeutung. Das Ereignis hatte keine Auswirkungen auf die Anlage, Personen oder die Umwelt.

Ergänzende Informationen für die Redaktionen

Die für die kerntechnische Sicherheit bedeutsamen Ereignisse sind den atomrechtlichen Aufsichtsbehörden der Länder nach den bundeseinheitlichen Kriterien der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung – AtSMV zu melden. Ziel des Meldeverfahrens ist, den Sicherheitsstand der Kernkraftwerke zu überwachen, dem Auftreten ähnlicher Fehler in anderen Kernkraftwerken vorzubeugen und die gewonnenen Erkenntnisse in sicherheitstechnische Verbesserungen einfließen zu lassen.

Die meldepflichtigen Ereignisse sind unterschiedlichen Kategorien zugeordnet (Erläuterungen zu den Meldekriterien für meldepflichtige Ereignisse):

Kategorie S (Unverzügliche Meldung)
Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde unverzüglich gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kürzester Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Vorkommnisse, die akute sicherheitstechnische Mängel aufzeigen.

Kategorie E (Meldung innerhalb von 24 Stunden)
Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde binnen 24 Stunden gemeldet werden müssen, damit sie gegebenenfalls in kurzer Frist Prüfungen einleiten oder Maßnahmen veranlassen kann. Hierunter fallen auch die Ereignisse, deren Ursache aus Sicherheitsgründen in kurzer Frist geklärt und gegebenenfalls in angemessener Zeit behoben werden muss. In der Regel handelt es sich dabei um sicherheitstechnisch potentiell - aber nicht unmittelbar - signifikante Ereignisse.

Kategorie N (Meldung bis zum fünften Werktag)
Ereignisse, die der Aufsichtsbehörde innerhalb von 5 Werktagen gemeldet werden müssen, um eventuelle sicherheitstechnische Schwachstellen frühzeitig erkennen zu können. Dies sind in der Regel Ereignisse von geringer sicherheitstechnischer Bedeutung, die über routinemäßige betriebstechnische Einzelereignisse bei vorschriftsmäßigem Anlagenzustand und -betrieb hinausgehen. Unverfügbarkeiten von Komponenten/Systemen, die durch im Betriebshandbuch spezifizierte Prozeduren temporär beabsichtigt herbeigeführt werden, sind nicht meldepflichtig, wenn dies auch in der Sicherheitsspezifikation des Betriebshandbuches entsprechend berücksichtigt ist.

Internationale Bewertungsskala INES: Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Betreibern der Kernkraftwerke und dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit werden meldepflichtige Ereignisse in Kernkraftwerken auch nach der Bewertungsskala INES (International Nuclear and Radiological Event Scale) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Nuklearenergie-Agentur (NEA) der OECD bewertet. Sie hat eine rasche und für die Öffentlichkeit verständliche Bewertung eines Ereignisses zum Ziel.

Die Skala umfasst sieben Stufen:
1 - Störung
2 - Störfall
3 - ernster Störfall
4 - Unfall mit örtlich begrenzten Auswirkungen
5 - Unfall mit weitergehenden Auswirkungen
6 - schwerer Unfall
7 - katastrophaler Unfall

Meldepflichtige Ereignisse, die nach dem INES-Handbuch nicht in die Skala (1 – 7) einzuordnen sind, werden unabhängig von der sicherheitstechnischen Bedeutung nach nationaler Beurteilung der „Stufe 0” zugeordnet.