REUTLINGEN. Kunstrasenplätze sind wegen der Granulatfüllung ein Problem für die Umwelt und werden vom Land nicht mehr gefördert. Im Interview mit dem Reutlinger Generalanzeiger (GEA) erklärt Umweltministerin Thekla Walker, was Vereine machen können und welche ökologisch nachhaltigen Alternativen es gibt. Das Interview führte Davor Cvrlje.
GEA: Frau Walker, Sie sind jetzt fast ein Jahr Umweltministerin. Zuvor waren Sie unter anderem Grüne-Landesvorsitzende, Naturpädagogin und Pressereferentin der Waldorfschulen. Sind Sie jemals auf einem Kunstrasenplatz gestanden oder haben sogar darauf Fußball gespielt?
Thekla Walker: In meiner Jugend habe ich das nicht kennengelernt. Doch in meiner Nachbarschaft gibt es auch einen Kunstrasensportplatz auf dem Kinder und Jugendliche trainieren. Von daher ist mir das schon unter die Füße gekommen.
GEA: Warum sind Kunstrasenplätze aus ökologischer Sicht ein Problem?
Walker: Kunstrasenplätze sind nicht das Problem, sondern das Kunststoffgranulat, mit dem sie befüllt werden. Jeder, der mal auf einem solchen Platz stand, hat es schon an den Schuhen oder gar Füßen oder an den Kleidern gehabt: schwarze oder grüne Plastikkörner. Dieses Granulat ist unser Hauptproblem. Denn es liegt locker auf dem Kunstrasen und gelangt durch Regen,Wind oder falsche Platzpflege in die umliegenden Böden und Gewässer.
GEA: Wie groß ist dieses Problem?
Walker: Der Reifenabrieb ist der größte Verursacher von Mikroplastik, diese winzigen Teilchen landen dann in der Umwelt. Einen Spitzenplatz nimmt auch das Kunststoffgranulat ein. Allein in Baden-Württemberg gibt es rund 1 000 Kunstrasensportplätze. Wenn man das auf Deutschland hochrechnet, erkennt man schnell, dass das eine problematische Dimension erreicht.
GEA: Wie wollen Sie als baden-württembergische Umweltministerin zu einem Umdenken bei den Vereinen beitragen? Welche rechtlichen Mittel haben Sie?
Walker: Kunstrasenplätze sind grundsätzlich nicht verboten. Doch wenn man bedenkt, wie viel Mikroplastik durch Kunstrasenplätze in die Umwelt gelangt, muss jedem klar sein: Wir können so nicht weitermachen. Natürlich habe ich Verständnis dafür, dass Sportvereine sich das überlegen. Es geht ja darum, wie lange und wie oft man so einen Platz nutzen kann, auch in der Winterzeit. Doch wir haben im Land mit Blick auf den Umweltschutz bereits 2019 beschlossen, den Bau von Kunstrasensportplätzen mit Kunststoffgranulat-Füllungen nicht mehr zu fördern. In der EU wird sogar über ein Verbot noch in diesem Jahr diskutiert.
GEA: Wie hoch war die Förderung durch das Land?
Walker: Im Land können Vereine und Kommunen über die Förderung des Vereinssportstättenbaus beziehungsweise über die Förderung des kommunalen Sportstättenbaus Zuschüsse für Sportanlagen wie Kunststoffrasenplätze erhalten. Beim Neubau von Kunststoffrasenplätzen beträgt die Förderquote in der Regel 30 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben. Für die Vereine und Kommunen ist das eine große Hilfe, weil so ein neuer Kunststoffrasenplatz zwischen 400 000 und 700 000 Euro kosten kann.
GEA: Welche Alternativen gibt es, um das umweltschädliche Plastikgranulat zu ersetzen?
Walker: Grundsätzlich würde ich alle Vereine zuerst bitten, zu prüfen, ob sie überhaupt einen Kunststoffrasenplatz brauchen oder ob man nicht auch mit einem Naturrasenplatz auskommt. Der hat ja auch viele Vorteile. Ein wichtiger Punkt bei den Kunstrasensportplätzen ist auch, an die Entsorgung zu denken. Man sollte die alten nach rund 15 Jahren nicht einfach verbrennen, sondern unbedingt in den Kreislauf zurückbringen, um ihn hochwertig recyceln zu können. Falls man sich doch für einen Kunstrasenplatz entscheidet, gibt es schon sehr gute und ökologische Alternativen, zum Beispiel Kork oder geschredderte Olivenkerne als Füllmaterial. Man kann auch Sand oder Quarzsand verwenden. Alles Materialien, die ökologisch gut abgebaut werden können.
GEA: Gibt es schon Vereine im Land und in der Region, die auf die Öko-Variante umgestellt haben?
Walker: Es gibt schon einige Vereine in Baden-Württemberg, die kein Plastikgranulat mehr verwenden. Der VfB Bühl hat Kork als Einfüllmaterial, der TV Möglingen hat Quarzsand und der Sportverein Neunkirchen nutzt geschredderte Olivenkerne. In den Landkreisen Reutlingen und Tübingen ist der TSV Betzingen Vorreiter. Dort wurde ein Kunstrasenplatz gebaut, der ganz ohne Füllung auskommt. Das ist vorbildlich, genauso wie die Tatsache, dass sie in Betzingen ihre Flutlichtanlage auf LED-Beleuchtung umgestellt haben. Der SV Weiler bei Rottenburg verwendet Kork. Diese Beispiele zeigen, dass das Umdenken bereits einsetzt.
GEA: Wie sieht es mit den Kosten aus? Ist das ökologische Füllmaterial teurer als Plastik-Granulat?
Walker: Den genauen Preisunterschied kann ich nicht beziffern. Doch man muss bedenken, dass jeder Verein dafür Sorge tragen sollte, dass das Granulat nicht in die Böden und Gewässer gelangt. Dafür kann man etwa ein Filtersystem bauen und der zeitliche Aufwand fürs fachgerechte Fegen ist ebenfalls viel höher.
GEA: Wir haben immer über Kunstrasenplätze gesprochen. Gibt es noch andere Sportarten, die davon betroffen sind?
Walker: Auch im Reitsport ist das ein Thema. Dort gibt es kunststoffhaltige Tretschichten auf den Plätzen. Wir tauschen uns intensiv mit dem Landessportverband Baden-Württemberg aus, weil man auch auf diesen Plätzen ökologische Alternativen einsetzen will. Dazu haben wir mit Mitteln aus der Glücksspirale ein Forschungsprojekt aufgelegt, an dem das Haupt- und Landgestüt Marbach beteiligt ist.
GEA: Was kann ein Verein tun, wenn er grüner und ökologischer werden will? Wo erhält er Informationen?
Walker: Auf der Internetseite des Umweltministeriums gibt es eine ganze Reihe von Informationsangeboten von Filmen bis zu Broschüren. Darüber hinaus werden wir Ende Oktober eine Fachtagung zu dem Thema veranstalten, zu der wir die Sport- und Reitsportvereine sowie die Planungs- und Architekturbüros einladen. Mir ist es aber auch ein Anliegen, dass sich Vereine Gedanken machen, wie man Kunstrasenplätze bewirtschaftet, damit möglichst wenig Mikroplastik in die Umgebung gelangt. Da kann man einiges machen. Das fängt schon damit an, wie man den Schnee abträgt, ohne das Granulat in der Umgebung zu verstreuen. Man kann auch mit einfachen Methoden wie Schmutzfangmatten und Gitterroste viel für die Umwelt tun.
Quelle: Reutlinger Generalanzeiger (veröffentlicht am 18.02.2022); Davor Cvrlie