Baden-Württemberg kann aufgrund seiner abwechslungsreichen Topografie mit einer großen landschaftlichen Vielfalt punkten. Von der lieblichen Landschaft am Bodensee über das Alpenvorland mit seinen zahlreichen Seen und Mooren über die Wacholderheiden und beeindruckenden Kalkfelsen der Schwäbischen Alb bis hin zu den wildromantischen Schluchten und einsamen Hochflächen des Schwarzwaldes reicht die Spanne. Auch was die Naturausstattung angeht, ist Baden-Württemberg ein echtes Schatzkästchen. Eine Vielzahl unterschiedlicher Biotope wie Wacholderheiden, Magerrasen, naturnahe Fließgewässer, Moorlebensräume und blumenbunte artenreiche Wiesen prägen unser Land. Diese artenreichen Wiesen werden auch Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Mähwiesen genannt, da sie nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie geschützt sind. Sie stellen einen sehr wertvollen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten dar und bereichern das Landschaftsbild unserer schönen Heimat. Sie speichern Kohlenstoff, filtern Nähr- und Schadstoffe und tragen so zum Klima- und Grundwasserschutz bei.
Den Landwirtinnen und Landwirten in Baden-Württemberg sind diese Kleinode der Natur zu verdanken. Sie haben diese Wiesen jahrzehntelang extensiv bewirtschaftet und damit diesen wertvollen Lebensraum geschaffen. Das bedeutet in der Regel, je nach Standort, dass sie nur ein bis zwei Mal im Jahr gemäht und nur wenig bis gar nicht gedüngt werden. Der Schwerpunkt der FFH-Mähwiesenvorkommen in Deutschland, ja sogar in ganz Europa, liegt in Baden-Württemberg und Bayern. Seit 1992 sind sie über die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union geschützt. Zudem hat der Bund diese Wiesen im Jahr 2022 unter den gesetzlichen Biotopschutz des Bundesnaturschutzgesetz gestellt.
Was bedeutet der gesetzliche Schutz?
Der Biotopschutz bedeutet: FFH-Mähwiesen dürfen nicht beeinträchtigt oder zerstört werden. Dieser Schutz gilt unmittelbar kraft Gesetz: Alle Flächen, die die charakteristischen Eigenschaften einer FFH-Mähwiesen aufweisen, stehen unter dem gesetzlichen Schutz. Einer gesonderten Kartierung, Unterschutzstellung oder Ausweisung eines Schutzgebietes bedarf es hierfür nicht. Durch eine Kartierung entsteht kein Biotop, sondern sie stellt nur fest, dass und wo ein gesetzlich geschütztes Biotop, beispielsweise eine FFH-Mähwiese, bereits vorhanden ist. Die Kartierung ermöglicht es den Betroffenen, ihre bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen besser zu erkennen und sich rechtmäßig verhalten zu können. Deshalb stellt die Kartierung eine wichtige Dienstleistung des Landes dar.
Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg ist gesetzlich beauftragt, diese Biotope in regelmäßigen Abständen zu erfassen und in Form von Listen und Karten im Internet zu veröffentlichen. Die Kartierung unterstützt damit die Kommunen, die im Rahmen ihrer Bauleitplanung betroffenen Belange zu berücksichtigen. Auch bei der Zulassung von Einzelvorhaben liefert sie eine wichtige Hilfestellung. Über die gesetzlich verankerten Instrumente der naturschutzrechtlichen Ausnahme und Befreiung ist ein Ausgleich zwischen dem gesetzlichen Biotopschutz und den mit der Bauleitplanung verfolgten Interessen möglich.
Die veröffentlichten Daten dienen darüber hinaus auch als landwirtschaftliche Förderkulisse. Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter können in der Regel ihre bisherige Nutzung beibehalten, solange sie nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Biotops führt. Gerne beraten die unteren Naturschutzbehörden bei den Landratsämtern und kreisfreien Städten sowie die Landschaftserhaltungsverbände.
In welchem Verhältnis steht der gesetzliche Biotopschutz zur kommunalen Bauleitplanung?
Der gesetzliche Biotopschutz gilt grundsätzlich auch für solche FFH-Mähwiesen, die auf einer bereits durch einen Bebauungsplan überplanten Fläche liegen. Dies gilt nicht, wenn die Gemeinde bereits im Rahmen der Bauleitplanung erfolgreich eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz mögliche Ausnahme oder eine Befreiung beantragt hat. Der Bundesgesetzgeber, der die FFH-Mähwiesen unter Biotopschutz gestellt hat, hat für bereits rechtskräftig überplante Flächen keine Übergangsregelung vorgesehen. Insbesondere wenn eine Kommune von allen Seiten von bis an den Ortsrand heranreichenden FFH-Mähwiesen umgeben ist, kann der für eine Ausnahme vom gesetzlichen Biotopschutz erforderliche Ausgleich im räumlichen Zusammenhang nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich sein. Beim Vorliegen der Voraussetzungen des Paragraf 67 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz kann hier für Vorhaben, die im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen, eine gesetzliche Befreiung in Frage kommen.
Auch wenn der gesetzliche Biotopschutz zu Beschränkungen des Grundeigentums und sogar dazu führen kann, dass bestehende Baurechte aufgehoben werden, dürfte diese Norm nach der bisher vorliegenden Rechtsprechung verfassungsrechtlich unbedenklich sein. Denn bei den Nutzungsbeschränkungen von Grundstücken durch den Biotopschutz handelt es sich um verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässige Bestimmungen zum Inhalt und den Schranken des Eigentums im Sinne des Artikel 14 Grundgesetz. Unverhältnismäßige oder unzumutbare Beeinträchtigungen durch den gesetzlichen Biotopschutz können durch Ausnahmen nach Paragraf 30 Absatz 3 Bundesnaturschutzgesetz und durch Befreiungen nach Paragraf 67 Absatz 1 Bundesnaturschutzgesetz vermieden werden. Falls dies nicht möglich sein sollte, sieht das Bundesnaturschutzgesetz für bestimmte Fallkonstellationen, in denen Eigentümer aufgrund des gesetzlichen Biotopschutzes unzumutbar belastet werden, zudem eine Entschädigung in Geld vor.
Wie werden FFH-Mähwiesen kartiert?
Für die vorgeschriebene Kartierung der gesetzlich geschützten Biotope in einem regelmäßigen Turnus ist die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg zuständig. Hierfür beauftragt sie fachlich geeignete Vegetationsexpertinnen und Vegetationsexperten. Jedes Jahr werden die Kartierungen in zwei bis vier Kreisen ausgeschrieben und vergeben. Ein Betreuungsbüro unterstützt die Kartierenden.
Kartiergebiet der Offenland-Biotopkartierung ist das gesamte Offenland mit Ausnahme von militärischen Sicherheitsbereichen (Zuständigkeit Bundeswehr). Aus praktischen Gründen ausgenommen sind zudem geschlossene Siedlungsbereiche, da hier in der Regel keine oder nur sehr wenige gesetzlich geschützte Biotope vorkommen. Im Wald erfolgt die Biotopkartierung durch die Forstverwaltung.
Die Kartierung der FFH-Mähwiesen erfolgt, indem die Vegetationsexpertinnen und Vegetationsexperten das Offenland ablaufen, FFH-Mähwiesenflächen auf einer Kartengrundlage abgrenzen und ergänzende Sachinformationen aufnehmen. Dazu gehören eine Beschreibung und Bewertung der Fläche und Angaben zu vorkommenden Arten. Die Kriterien zur Einstufung einer Fläche als FFH-Mähwiese gibt die Landesanstalt für Umwelt den Kartierenden in einer detaillierten Kartieranleitung genau vor. Die Kartieranleitung ist auf der Internetseite der Landesanstalt für Umwelt abrufbar.
Es muss sich unter anderem um artenreiche Bestände einer Magerwiese handeln. Eine Mindestzahl an typischen Arten muss auf der Fläche vorkommen. Pflanzenarten, die für magere Standorte typisch sind, kommen häufiger vor. Andere Arten, die beispielsweise stickstoffreiche Böden bevorzugen, dürfen dagegen einen bestimmten Anteil nicht überschreiten. Auch die Vegetationsstruktur ist ein Kartiermerkmal. Die Flächen werden nicht anhand einzelner Arten identifiziert, sondern auf Grundlage eines ganzen Artensets. Selbst wenn es durch ungewöhnliche Witterungsverläufe zu Abnahme, Zunahme oder Ausfall einzelner Arten kommt, kann anhand der Gesamtheit der Arten erkannt werden, ob eine FFH-Mähwiese vorliegt. Die im Gelände erfassten Daten werden anschließend digitalisiert.
Die Kartierung erfasst die FFH-Mähwiesen lagegenau. Die abgegrenzten FFH-Mähwiesen können mehrere Flurstücke, einzelne Flurstücke oder nur Teile eines Flurstückes umfassen. Bereiche, die keine FFH-Mähwiese sind, werden ausgegrenzt, sofern dies im Kartiermaßstab 1:5.000 möglich ist. Bei sehr kleinen Strukturen ist das teils nicht der Fall, so dass diese in die Mähwiesenfläche integriert sein können. Dies kann in Einzelfällen dazu führen, dass sehr kleine Bereiche, in die FFH-Mähwiesenfläche mitaufgenommen sind, die nicht dem Schutzstatus und demnach auch keinen Nutzungseinschränkungen unterliegen. Ein Beispiel in Gartenhausgebieten können Grillstellen sein. Hinweise darauf gibt die Beschreibung der FFH-Mähwiese. Bei Fragen zur Nutzung beraten die unteren Naturschutzbehörden und die Landschaftserhaltungsverbände.
Wie wird über die Kartierung informiert?
Eine personenscharfe Information aller betroffener Personen durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg ist im Rahmen der Offenland-Biotopkartierung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich und auch aufgrund der Vielzahl an Flurstücken in der Praxis nicht durchführbar. Deshalb nutzen wir andere Informationswege. Ein wichtiger Baustein ist die frühzeitige Information der Gemeinden. Wir veranlassen bei den Gemeinden eine Veröffentlichung von Informationen zu Kartierungen in ihren jeweiligen Mitteilungsblättern. Wir geben die Information auch über begleitende Pressearbeit und die Einbindung kommunaler Nutzer- und Naturschutzverbände weiter. Zu Beginn der Kartierung finden vor Ort Informationstermine für alle Interessierten statt.
Wo sind die Ergebnisse einsehbar?
Wir veröffentlichen die qualitätsgeprüften Daten in der Regel im November des Folgejahres im Daten- und Kartendienst der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Hier werden die kartierten Mähwiesen und weitere Biotope als Karte veröffentlicht. Auch die Sachinformationen zu den einzelnen Flächen, beispielsweise Beschreibung und Bewertung, können dort bequem von allen Bürgerinnen und Bürgern abgerufen werden.
Weitere Informationen
Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: Offenland-Biotopkartierung
Autoren
Julia Raddatz, Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg, Leiterin des Referats Flächenschutz, Fachdienst Naturschutz
Frank Lorho, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft, Leiter des Referats Arten- und Habitatschutz, Kompensations- und Ökokontenmanagement
Quelle: Verbandsmagazin des Gemeindetags Baden-Württemberg, die:gemeinde, Ausgabe 12/2024