Klimaschutz

„Die Klimakrise spitzt sich zu“

Ministerin Thekla Walker, MdL

Beim Klimaschutz drückt Umweltministerin Thekla Walker aufs Tempo. Im Interview mit dem Staatsanzeiger plädiert sie für klare Verantwortlichkeiten in Bund und Land für die Klimaziele. Das Gespräch führten Rafael Binkowski und Stefanie Schlüter.

Staatsanzeiger: Sie sind jetzt knapp zwei Jahre Ministerin. Was hat Sie am meisten überrascht?

Thekla Walker: Überrascht hat mich, was durch den Ukraine-Krieg und die Angst um unsere Energieversorgung plötzlich in Bewegung gekommen ist. Die damit einhergehende Energiekrise hat uns zusätzlich vor Augen geführt, dass wir die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden müssen. Zugleich spitzt sich die Klimakrise immer weiter zu.

Staatsanzeiger: An Ihrem Maßnahmenregister zum Klimaschutzgesetz gab es viel Kritik vom Sachverständigenrat.

Thekla Walker: Es wird zu Recht kritisiert, dass die Maßnahmen nicht ausreichen, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Das Maßnahmenregister muss deshalb jedes Jahr von den Ressorts weiterbearbeitet werden. Der Sachverständigenrat hat ja auch gerade die Aufgabe, uns zu kritisieren oder Hinweise zu geben.

Auch wenn es nicht so erfreulich für mich war, dass die ganze Kritik auf mich als Umweltministerin niederprasselte, als ich das Maßnahmenregister vorgestellt habe.

Staatsanzeiger: Widerstand gab es auch von unionsgeführten Ministerien. Steht die CDU auf der Bremse?

Thekla Walker: Das Gute in dieser Legislaturperiode ist ja, dass wir beim Klimaschutz mit der CDU schon einiges hinbekommen haben. Die beiden Klimaschutznovellen sind richtige Meilensteine. Allein, dass wir den Vorrang des Ausbaus der erneuerbaren Energien eingebracht haben, ist ein großer Fortschritt. Das haben wir mit der CDU hinbekommen. Insofern herrscht in dieser Legislaturperiode schon ein anderer Geist. Aber wenn es darum geht, die Sektorziele zu erreichen, gibt es noch unterschiedliche Positionen. Da hätten wir uns in manchen Bereichen mehr gewünscht.

Staatsanzeiger: Zum Beispiel?

Thekla Walker: Bei der Freiflächenphotovoltaik haben wir für die Regionalplanung einen Mindestanteil von 0,2 Prozent vorgegeben. Da hätte deutlich mehr sein können. Ein Beispiel sind auch die Förderprogramme des Landes, bei denen wir einen Klimacheck durchführen wollen. Da wäre mehr Tempo wichtig gewesen. Denn wir können es uns nicht leisten, Geld in Programme zu geben, die das Klimaschutzziel konterkarieren.

Staatsanzeiger: Nachdem die Ampel in Berlin die Sektorziele aufgehoben hat, gibt es von der CDU fürs Land solche Forderungen. Was halten Sie davon?

Thekla Walker: Ich halte die Sektorziele für sehr sinnvoll. Sie schaffen Transparenz. Die wissenschaftlichen Institute haben sehr glaubwürdig dargestellt, dass es zwischen den Sektoren keinen Verschiebebahnhof gibt. Es ist richtig und wichtig, klar aufzuzeigen, wer womit seinen Beitrag leisten muss. Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe, vor der sich keiner wegducken darf. Wir geben auch keine unrealistischen Ziele vor.

Staatsanzeiger: Beim Verkehr hakt es, die CDU ist gegen die Mobilitätsgarantie …

Thekla Walker: Das ist richtig. Und deshalb wird da jetzt auch intensiv weiterverhandelt. Als diejenige, die mit ihrem Ministerium das Klimaschutzregister vorangetrieben hat, kann ich nur sagen: Jeder, der etwas kritisiert, muss Alternativvorschläge machen, die auch zum Ziel führen. Es reicht nicht, zu sagen, was man nicht will.

Staatsanzeiger: Sind die Grünen beim Klimaschutz manchmal zu abgehoben? Viele Bürger haben Sorge, dass Sie alles nicht bezahlen können. Zum Beispiel den Heizungsaustausch.

Thekla Walker: Wir dürfen auf Bundesebene daher Themen wie das Energiegeld nicht aus den Augen verlieren. Es ist im Koalitionsvertrag vereinbart und soll durch eine pauschele Erstattung an alle Bürgerinnen und Bürger den Anstieg des CO2-Preises kompensieren. Das heißt: Wer viel verbraucht, wird unter dem Strich mehr belastet und soll sparen. Klar ist: Niemand darf unter die Räder kommen. Aber: Man muss auch so ehrlich sein und die Perspektive weiten: Der CO2-Preis wird steigen. Wer jetzt nicht umstellt, wird später sehr viel mehr bezahlen müssen.

Staatsanzeiger: Bei der Windkraft hatte Ministerpräsident Kretschmann von 100 Windrädern pro Jahr gesprochen. Davon sind Sie noch weit entfernt.

Thekla Walker: Es gibt inzwischen eine Reihe von neuen Regeln und Gesetzen, die es uns einfacher machen, Windenergie im Land auszubauen. Ich sehe an den vielen Konferenzen, die jetzt landauf und landab stattfinden, dass wir in Baden-Württemberg den Hochlauf erleben werden.

Staatsanzeiger: Wann wird das sein?

Thekla Walker: Wir werden in den kommenden Jahren sukzessive mehr Genehmigungen bekommen und mehr Windräder, die auch gebaut werden. Mir wird auch von Projektierern gesagt, sie seien in Baden-Württemberg noch nie so gut unterstützt worden, wie das derzeit der Fall ist. Ja, es ist für uns schwer auszuhalten, dass es immer heißt: Baden-Württemberg hat nicht so viele Genehmigungen vorzuweisen. Doch wir wissen: Im Hintergrund zeichnet sich jetzt schon ein anderes Bild ab. Die Richtung stimmt, auch wenn es noch ein wenig dauern wird.

Staatsanzeiger: Radikale Aktivisten kleben sich auf die Straße. Haben Sie Verständnis für die Ungeduld oder überziehen da nicht manche?

Thekla Walker: Wenn ich die Bilder aus Spanien sehe, wo Gebiete kein Wasser mehr haben, wo es im April Hitzewellen mit über 35 Grad gab, empfinde ich einen sehr großen Druck, dass wir schnell vorwärtskommen müssen. Und ich kann verstehen, dass manche Leute regelrecht verzweifelt sind und sich fragen, ob die Politik den Ernst der Lage verstanden hat.

Staatsanzeiger: Handelt Berlin schnell genug?

Thekla Walker: Ich glaube, dass parteipolitische und taktisch motivierte Auseinandersetzungen, wie wir sie zuletzt gesehen haben, nicht hilfreich sind. Zugleich fürchte ich, dass Aktionen wie das Festkleben auf der Straße, mit denen Menschen in ihrem Alltag gestört werden, viele Menschen vom Klimaschutz eher wegtreiben. Doch wir brauchen genau das Gegenteil.

Staatsanzeiger: Sie wurden auch schon als mögliche Nachfolgerin von Ministerpräsident Winfried Kretschmann gehandelt. Freut Sie das?

Thekla Walker: Ich möchte mich an den Spekulationen nicht beteiligen. Der Ministerpräsident wird bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt bleiben, ist sehr aktiv und fordernd. Ich kann verstehen, dass man darüber redet, weil klar ist: 2026 macht er nicht mehr weiter. Doch es ist noch zu früh. Und mir macht mein Amt als Umweltministerin wirklich Spaß und ich habe viel zu tun. Ich bin damit vollständig ausgelastet.

Quelle: Staatsanzeiger Baden-Württemberg (veröffentlicht am 12. Mai 2023). Das Gespräch führten Rafael Binkowski und Stefanie Schlüter

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