Baden-Württemberg ist mit einer schönen und vielfältigen Natur ausgestattet. Von den Rheinauen, dem Odenwald und dem Tauberland über die Grindenflächen im Schwarzwald, die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb bis hin zu den Mooren in Oberschwaben oder dem Bodensee verfügt unser Land über einzigartige Lebens- und Naturräume.
Der Biotopverbund ist dabei das Netzwerk der Natur, das die Lebensräume von Tieren und Pflanzen miteinander verbindet, sodass diese wandern und sich genetisch austauschen können. Die Vernetzungen zwischen den Lebensgemeinschaften und funktionsfähige ökologische Wechselbeziehungen sind die Basis für die biologische Vielfalt und damit auch unserer Lebensgrundlage.
Daher ist es oberstes Ziel der Landesregierung, in den kommenden Jahren einen funktionalen landesweiten Biotopverbund in Baden-Württemberg zu schaffen.
Landesweiter Biotopverbund soll Rückgang der Arten aufhalten
Nach wie vor haben wir in Baden-Württemberg leider einen hohen Verlust an biologischer Vielfalt zu verzeichnen. Sehr viele unserer Tier- und Pflanzenarten haben abnehmende Bestände. So sind nach den Roten Listen etwa 40 Prozent der Arten unseres Landes als gefährdet eingestuft. Dazu zählen zum Beispiel die Smaragdeidechse, der Moorfrosch, das Auerhuhn oder die Schachblume, die alle vom Aussterben bedroht sind. Auch viele Lebensräume unserer Arten wie zum Beispiel Trockenrasen, Mähwiesen, Moore oder Binnendünen sind bedroht.
Zersiedelung und die intensive Landnutzung sind dafür die wesentlichen Ursachen. Viele Biotope sind für das Überleben von Arten zu klein und die isolierte Lage der Lebensräume erschwert den Austausch zwischen den Populationen. Auch die Klimaentwicklung erfordert Anpassungen der Natur, da sich Verbreitungsgebiete von Arten verschieben. Ein landesweiter Biotopverbund unterstützt und fördert zum einen den Erhalt der wertvollen biologischen Vielfalt in Baden-Württemberg. Zum anderen ermöglicht er aber auch Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse von Tieren und Pflanzen als Reaktion auf den Klimawandel.
Rechtliche Verankerung
Bereits seit 2002 ist der Biotopverbund im Paragraf 20 Bundesnaturschutzgesetz verankert. Es gibt vor, einen Biotopverbund auf mindestens zehn Prozent der Landesfläche zu verwirklichen. Zur Umsetzung dieser Vorgabe hat Baden-Württemberg 2015 den Fachplan Landesweiter Biotopverbund – eine landesweite Fachplanung für einen solchen Biotopverbund – in das Naturschutzgesetz des Landes (Paragraf 22) aufgenommen. Dieser ist seither bei allen Planungen verbindlich zu berücksichtigen.
Zur inhaltlichen Weiterentwicklung des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ entstand im Jahr 2019 ein Eckpunktepapier der Landesregierung, das gerade auch dem Biotopverbund eine enorme Bedeutung für den Schutz und die Sicherung der heimischen Tier- und Pflanzenarten beimisst. In einem breiten Beteiligungsprozess haben Politik, Naturschutz und Landwirtschaft die Inhalte des Eckpunktepapiers konkretisiert. In der daraus resultierenden geplanten Novelle des Naturschutzgesetzes verpflichtet sich das Land, bis zum Jahr 2030 insgesamt mindestens 15 Prozent Offenland der Landesfläche als funktionale Biotopverbundfläche zu entwickeln.
Für die Umsetzung erstellen die Gemeinden für ihr Gebiet auf Grundlage des Fachplans Landesweiter Biotopverbund einschließlich des Generalwildwegeplans Biotopverbundpläne oder passen die Landschafts- oder Grünordnungspläne an (Paragraf 22 Naturschutzgesetz).
Tiere und Pflanzen stellen unterschiedliche Ansprüche an ihren Lebensraum. Der Fachplan Landesweiter Biotopverbund beinhaltet deshalb spezifische Planungsgrundlagen für die offene Landschaft auf trockenen, mittleren und feuchten Standorten und zielt insbesondere auf wenig mobile Arten wie Insekten oder Amphibien ab. Vervollständigt werden diese durch den Fachplan Gewässerlandschaften (also Fließgewässer und Auen).
Ergänzend dazu ist der Generalwildwegeplan in den Fachplan Landesweiter Biotopverbund integriert. Dieser beinhaltet die notwendigen großräumigen Wildtierkorridore zur Vernetzung der vor allem im Wald lebenden heimischen Säugetiere wie Schwarz- und Rotwild oder Wildkatze. Siedlungen oder große Verkehrswege stellen Barrieren in diesen Korridoren dar, die zum Beispiel durch Grünbrücken über Straßen aufgelöst werden können. Weiterhin werden im Fachplan Landesweiter Biotopverbund überregionale und international bedeutsame Biotop-Verbundachsen dargestellt. Sie zeigen die notwendigen Verbindungen der Lebensräume innerhalb und über die Landesgrenzen hinaus auf – denn die Natur kennt keine Grenzen!
Mit dem Fachplan Landesweiter Biotopverbund wird sichergestellt, dass Planungen und Maßnahmen zum Biotopverbund auf Basis einer landesweit einheitlichen Grundlage erstellt und verwirklicht werden. Überörtliche Zusammenhänge sind einfacher erkennbar und können so besser berücksichtigt werden. Ziel des landesweiten Biotopverbunds ist es, funktionsfähige ökologische Wechselbeziehungen in der Landschaft zu bewahren, wiederherzustellen oder zu entwickeln, um die Vorkommen unserer heimischen Arten sowie ihre Lebensräume dauerhaft zu vernetzen und zu sichern.
Weitere Informationen
Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: Infomaterialien und Arbeitshilfen zum Biotopverbund
Der Biotopverbund wird von öffentlichen Planungsträgern (Regierungspräsidien, Landratsämter, Städte und Gemeinden), aber auch von Stiftungen, Privatinitiativen, Vereinen oder Naturschutzverbänden umgesetzt. Er wird in den verschiedenen Ebenen der Landschaftsplanung konkretisiert, planerisch festgeschrieben und rechtlich gesichert.
Das Umweltministerium unterstützte den Ausbau des landesweiten Biotopverbundes auf 15 Prozent Offenland der Landesfläche nach der Novelle des Naturschutzgesetzes mit zwölf Millionen Euro in den Jahren 2020 und 2021. Auch in den kommenden Jahren unterstützt das Ministerium finanziell. Damit können Planungen gefördert und Maßnahmen umgesetzt werden. Im Rahmen des Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt, das die Landesregierung seit 2018 aufgelegt hat, stehen zusätzliche Haushaltsmittel für Biotopverbundmaßnahmen zur Verfügung.
Bei der Schaffung des landesweiten Biotopverbunds sind insbesondere die Städte und Gemeinden verpflichtet, Biotopverbund-Planungen zu erstellen und planungsrechtlich zu sichern. Zudem sollen auch Biotopverbund-Maßnahmen umgesetzt werden. Hierfür wurden die Fördersätze der Landschaftspflegerichtlinie (LPR) für kommunale Biotopverbund-Planungen auf 90 Prozent erhöht. Kommunale Umsetzungsprojekte können mit 70 Prozent der Kosten gefördert werden.
Zur Unterstützung und Koordinierung wurden in allen Landkreisen Biotopverbundbotschafterinnen und -botschafter bei den Landschaftserhaltungsverbänden (LEV) beziehungsweise den Kreisverwaltungen (bei zwei Landkreisen ohne Landschaftserhaltungsverbände) für zunächst 5 Jahre angestellt. Sie sollen zwischen Flächeneigentümerinnen und -eigentümern, Landnutzenden, Privatinitiativen, Vereinen oder Naturschutzverbänden und Verwaltung vermitteln.
Außerdem können Landnutzende über das Förderprogramm für Agrarumwelt, Klima und Tierschutz (FAKT) oder die Landschaftspflegerichtlinie (LPR) Mittel für die Umsetzung von Biotopverbund-Maßnahmen beantragen. Auch bei Stiftungen wie der Stiftung Naturschutzfonds können solche Projekte beantragt werden. So wird in den kommenden Jahren ein landesweites Netz von miteinander verbundenen Lebensräumen entstehen, das den Austausch von Arten untereinander ermöglicht und den unterschiedlichen Populationen die Möglichkeit eröffnet, sich gerade auch vor dem Hintergrund des Klimawandels zu stabilisieren und auch wieder auszubreiten.
Bereits umgesetzte Maßnahmen im Land
Baden-Württemberg hat zudem mehrere Modellvorhaben gefördert, um den Biotopverbund auf verschiedenen Ebenen voranzubringen. Die Vorhaben erstrecken sich über das ganze Land, vom Markgräfler Land über die Schwäbische Alb bis zum Bodensee. Kommunen und Landkreise setzen diese mit Unterstützung von Naturschutzverbänden und -initiativen sowie der Naturschutz-, Landwirtschafts- und Forstverwaltung, der Stiftung Naturschutzfonds oder der Heinz Sielmann Stiftung um.
Die Maßnahmen in den Modellprojekten reichen von Untersuchungen der vor Ort vorkommenden Tier- und Pflanzenarten über die Planung von Biotopverbund-Maßnahmen bis hin zu deren Umsetzung. Realisiert wurden dabei ganz unterschiedliche, kleinere wie größere Maßnahmen wie zum Beispiel:
- Lebensräume durch Gehölzstrukturen entlang von Fließgewässern oder durch Wanderschäferei miteinander zu verbinden
- die Pflege von Streuobstgebieten
- die Schaffung von Brachen für das Rebhuhn
- Trockenmauersanierungen
- die Anlage von Kleingewässern
Auch im Rahmen des Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt bestand im Landkreis Ravensburg von Mai 2018 bis Juli 2021 ein Modellprojekt und seit 2020 wird ein Pilotvorhaben im Landkreis Calw gefördert. Ebenso fördert und unterstützt die Stiftung Naturschutzfonds umfangreiche Biotopverbund-Maßnahmen. Ein Leuchtturmprojekt ist der Biotopverbund Bodensee.
Was jeder einzelne tun kann
Darüber hinaus kann sich auch jeder und jede Einzelne für den Biotopverbund engagieren, zum Beispiel im eigenen Garten:
- eine blühende Wiese zulassen
- alte Obstbäume erhalten
- heimische statt exotische Pflanzen verwenden
- auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln zu verzichten
- Unterstützung und Mitarbeit in einem der vielen Naturschutzvereine, Obst- und Gartenbauvereine oder anderer lokaler Initiativen im Land, die sich für den Erhalt einer vielfältigen und gesunden Natur und Umwelt für unsere heimischen Arten und Lebensräume engagieren
Der im Naturschutzgesetz des Bundes wie auch des Landes gesetzlich vorgeschriebene Biotopverbund wird in Baden-Württemberg über die Landschaftsplanung planerisch festgeschrieben und in der Folge realisiert. Grundlage ist der Fachplan Landesweiter Biotopverbund.