Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine muss auch die bisherige Energieversorgung in Deutschland und Europa hinterfragt werden. Wie gelingt es, die Abhängigkeit von Russland etwa bei der Versorgung mit Gas zu beenden? Wie organisieren wir unsere Wärme- und Stromversorgung und verlieren gleichzeitig nicht den Klimaschutz aus den Augen?
Die Antworten auf die wichtigsten Fragen finden Sie hier im Überblick:
Die Versorgungssicherheit mit Gas ist aktuell gewährleistet.
Dazu trägt nun auch bei, dass durch die Nord Stream 1 nach der Revision seit 21. Juli 2022 wieder etwas Gas fließt. Während der jährlichen Revisionsarbeiten waren diese planmäßig abgestellt worden. Allerdings umfassen die Gasflüsse nicht die vor dem Krieg gelieferte Menge. Wie bereits im Juni hat Russland die Lieferungen einseitig auf nur noch 20 Prozent der über diese Pipeline maximal möglichen Kapazität gekürzt.
Die fehlenden Mengen können aktuell zwar noch anderweitig am Markt beschafft werden, allerdings zu hohen Preisen. Auch die Länder Österreich, Frankreich und Italien sind von den Lieferkürzungen betroffen.
Das Krisenteam Gas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, an dem auch die Länder beteiligt sind, steht im engen Austausch mit allen Akteuren. Zudem gibt es einen engen Schulterschluss mit unseren europäischen Partnern. Das Monitoring wurde nochmal erhöht.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat am 23. Juni nach Abstimmung innerhalb der Bundesregierung die zweite Stufe des Notfallplans Gas ausgerufen, die sogenannte Alarmstufe. Dies erfolgte, nachdem Russland die Gasflüsse in den Tagen davor deutlich, auf 40 Prozent der regulären Menge reduziert hat.
Die Versorgungssicherheit in Deutschland ist weiter gewährleistet. Aber vor dem Hintergrund der Kürzung der Gaslieferungen aus Russland und dem anhaltend hohen Preiseniveau am Gasmarkt war dieser Schritt notwendig.
Mit aktuell rund 67,5 Prozent (Stand 29. Juli 2022) sind die Gasspeicher zwar besser gefüllt als im Vorjahr, aber Berechnungen der Bundesnetzagentur zeigen, dass bereits jetzt absehbar ist, dass selbst bei einem kontinuierlichen Verbleib der Lieferungen durch Nord Stream 1 auf dem Niveau von 20 Prozent, die Speicherfüllung bis zum 1. Dezember 2022 auf die gesetzlich vorgeschriebenen notwendigen 95 Prozent kaum mehr möglich ist. Damit liegt aktuell eine Störung der Gasversorgung vor, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Gasversorgungslage führt. Damit war die Ausrufung der Alarmstufe erforderlich.
Die Alarmstufe sendet das klare Signal an alle Gasverbraucherinnen und Gasverbraucher – von der Industrie bis zu den privaten Haushalten – dass dort, wo es irgend geht, bereits jetzt im Sommer Gas eingespart werden muss. Sprich: Der Verbrauch muss schon jetzt runtergehen, um sicher durch Herbst und Winter zu kommen. Zudem wird mit der Alarmstufe die Beobachtung noch einmal intensiviert.
Das Krisenteam Gas des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, an dem auch die Länder beteiligt sind, ist dazu im ständigen Austausch mit allen Akteuren.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
In der Alarmstufe gibt es keine von der Bundesnetzagentur verordneten Abschaltungen oder vergleichbare Markteingriffe. Diese sind erst in der Notfallstufe, also der höchsten Stufe, möglich.
Dennoch sind zusätzliche Maßnahmen zur Gaseinsparung erforderlich. Erste Maßnahmen hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 19. Juni 2022 vorgelegt. Diese Maßnahmen werden jetzt konsequent weiter umgesetzt.
Um den Gasverbrauch zu senken, soll weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen werden Kohlekraftwerke stärker zum Einsatz kommen müssen. Das entsprechende Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) trat am 12. Juli 2022 in Kraft.
Das Bundeskabinett hat dazu bereits eine erste Verordnung auf Basis des neuen Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz beschlossen („Verordnung zur befristeten Ausweitung des Stromerzeugungsangebots durch Anlagen aus der Netzreserve“). Diese erlaubt es Kraftwerken, die mit Öl und Kohle betrieben werden und sich aktuell in der Netzreserve befinden, bis zum Ende des Winters 2022/2023 befristet an den Strommarkt zurückzukehren. Mit der Ausrufung der Alarmstufe sind die formellen Voraussetzungen geschaffen, um die Verordnungen zu ziehen.
Es ist wichtig, dass der Gasverbrauch auch in Betrieben, Bürogebäuden und privaten Haushalten sinkt. Dazu plant das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz neue Regelungen auf der Grundlage des novellierten Energiesicherungsgesetzes (Paragraf 30). Ein Teil der Maßnahmen wird auf sechs Monate befristet sein, ein Teil auf zwei Jahre, um auch schon den kommenden Winter mit in den Blick zu nehmen.
Außerdem soll das im Juni geschmiedete Bündnis für Energieeinsparung, bestehend aus Verbänden, aus Zivilgesellschaft, Verbraucherschutz, Wirtschaft und Städten und Kommunen eingeladen werden, um über zusätzliche Effizienzmaßnahmen zu sprechen.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Seit 21. Juli 2022 liefert Russland über die Nord Stream 1 wieder Gas. Allerdings nur in sehr reduziertem Umfang. Das kann sich aber jederzeit wieder ändern. Wir müssen deshalb auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein.
Für die kommenden Wochen und den Sommer könnten wir dank der bereits ergriffenen Vorsorgemaßnahmen auf russisches Gas verzichten. Zu nennen sind hier vor allem
- das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz und
- der schnelle Aufbau von LNG Terminals (liquefied natural gas – Flüssiggas) im Norden. Bereits im Dezember sollen die ersten Terminals in Betrieb gehen.
Um im kommenden Winter die Versorgung auch ohne russisches Gas weiter zu gewährleisten, müssen jetzt aber noch weitere Maßnahmen ergriffen werden. Es gilt: Je mehr jetzt im Sommer verbraucht wird, desto schwieriger wird die Lage im Winter. Umgekehrt: Je mehr Energie wir jetzt sparen, desto besser kommen wir durch den Winter. Daher ist jede Gasverbraucherin und jeder Gasverbraucher gehalten, so viel Energie wie möglich einzusparen.
Den Stand der Maßnahmen, um Deutschland unabhängiger von russischen Energieimporten zu machen, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Fortschrittsbericht Energiesicherheit [PDF] vom 20. Juli 2022 vorgestellt. Wie Verbraucherinnen und Verbraucher selbst einfach Energie sparen und damit selbst einen Beitrag leisten können, finden Sie auf Deutschland macht's effizient und unter Energiespartipps.
Außerdem plant das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz neue Regelungen auf der Grundlage des novelliertenEnergiesicherungsgesetzes (Paragraf 30). Ein Teil der Maßnahmen wird auf sechs Monate befristet sein, ein Teil auf zwei Jahre, um auch schon den kommenden Winter mit in den Blick zu nehmen.
Außerdem soll das im Juni geschmiedete Bündnis für Energieeinsparung, bestehend aus Verbänden aus Zivilgesellschaft, Verbraucherschutz, Wirtschaft und Städten und Kommunen eingeladen werden, um über zusätzliche Effizienzmaßnahmen zu sprechen.
Bei einem kompletten Stopp der Lieferungen ist zudem über die Ausrufung der Notfallstufe zu entscheiden.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Eine zentrale Rolle spielen die Gasspeicher in Deutschland. Sie waren am 29. Juli 2022 zu rund 67,5 Prozent gefüllt. Schon jetzt ist aber klar, dass die angestrebten und für eine sichere Versorgung im Winter zwingend notwendigen Füllstände nur mit Mühe erreicht werden können.
Sollte der Gasfluss aus Russland wieder versiegen, werden auch die Speicher nicht mehr gefüllt werden können. Bei einem sehr kalten Winter, kann die Vollversorgung dann nicht sichergestellt werden.
Da die Gasversorgung in Deutschland im Winter mit bis zu einem knappen Drittel über die Speicher gestützt wird, müssen sie im Herbst so gut wie möglich gefüllt sein. Vorgeschrieben wären hier zum 1. September 75 Prozent, zum 1. Oktober 85 Prozent und zum 1. November 95 Prozent. Deshalb müssen wir jetzt Gas einsparen, das dann in die Speicher fließen kann. Dabei sind alle gefordert: die Wirtschaft, die Kommunen, die privaten Haushalte und die Verwaltung.
Nein. Auch die Wärmeerzeugung, insbesondere bei der Nah- und Fernwärme, wird zu großen Teilen zum Beispiel in Kraft-Wärme-Kopplungs-Gaskraftwerken hergestellt. Auch unsere Stromversorgung läuft in Deutschland zu 15 Prozent über Gaskraftwerke. Es kommt also darauf an, dass jeder seinen Energieverbrauch hinterfragt und reduziert.
Hinweise, wie Verbraucherinnen und Verbraucher einfach Energie sparen und damit selbst einen Beitrag leisten können, finden Sie auf Deutschland macht's effizient und unter Energiespartipps.
Die Bundesregierung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz haben seit Monaten ein breites Portfolio an Maßnahmen ergriffen, um die Vorsorge zu stärken und Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. Dazu zählen insbesondere folgende Maßnahmen:
a) Einkauf von Gas
Das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits im März 2022 über den Marktgebietsverantwortlichen Trading Hub Europe (THE) Gas beschaffen lassen. Dieses Ankaufprogramm ist mittlerweile abgeschlossen. Insgesamt konnten rund 950 Millionen Kubikmeter Erdgas erworben werden, die bis Ende Mai in die Speicher eingebracht wurden. Seit dem 18. März 2022 wurden die Gasspeicher überwiegend wieder gefüllt. Nach niedrigen Speicherständen im Winter liegen die Stände aktuell bei rund 67,5 Prozent (Stand 29. Juli 2022) und damit über den Speicherständen des Vorjahres im gleichen Zeitraum.
b) Sicherung der Liquidität der Akteure auf dem Markt für Gaseinkauf
Um das Funktionieren des Energiemarktes – und damit der Energieversorgung - sicherzustellen und besonders betroffenen Unternehmen angesichts der stark gestiegenen Gaspreise die notwendige Liquidität zu sichern, hat die Bundesregierung mit KfW-Krediten unterstützt.
Zusätzlich hat die Bundesregierung als Teil des Schutzschildes für vom Ukraine-Krieg betroffenen Unternehmen ein neues Absicherungsinstrument geschaffen. Hierbei geht es um Unternehmen, die an den Terminbörsen mit Strom, Erdgas und Emissionszertifikaten handeln. Sie müssen Sicherheitsleistungen (sogenannte Margins) finanzieren, die umso höher sind, je stärker die Preise steigen. Damit die Energiehändler genug Liquidität haben, stellt die Bundesregierung finanzielle Mittel in Form von Kreditlinien der KfW bereit und sichert sie über eine Bundesgarantie ab. Seit dem 17. Juni 2022 können Beratungsgespräche zum Programm geführt werden. Weitere Informationen finden Sie hier.
c) Gasspeichergesetz
Das am 25. März 2022 vom Deutschen Bundestag verabschiedete „Gasspeichergesetz“ ist am 30. April 2022 in Kraft getreten. Es regelt erstmals, dass Gasspeicher zu Beginn der Heizperiode fast vollständig gefüllt sein müssen, um sicher durch den Winter zu kommen. Dafür werden konkrete Füllstände vorgegeben. Das Gesetz wurde zum 29. Juli 2022 sogar verschärft. Nun gilt: Zum 1. September müssen die Speicher zu 75 Prozent gefüllt sein, zum 1. Oktober zu 85 Prozent, zum 1. November zu 95 Prozent und am 1. Februar 2023 immer noch zu 40 Prozent. Die Verschärfung erfolgte, um vorzeitige Ausspeicherungen durch Händler zu vermeiden.
d) Befüllung des größten Gasspeichers Rehden sowie weiterer Gasspeicher
Um ausreichende Füllstände von Gasspeichern in Deutschland sicherzustellen, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 1. Juni 2022 eine Ministerverordnung erlassen, die am 2. Juni 2022 in Kraft getreten ist.
Diese Verordnung ermöglicht es, Speicheranlagen mit besonders niedrigen Ständen rechtzeitig aufzufüllen. Damit kann jetzt auch Deutschlands größter Gasspeicher in Rehden, der noch im Mai historisch niedrige Stände aufwies, befüllt werden. Die Einspeicherung geschieht durch den Marktgebietsverantwortlichen THE, der nun noch einmal Kreditlinien für die Einspeicherung erhalten soll (siehe oben).
Der Gasspeicher in Rehden steht im Eigentum der Gazprom-Germania-Gruppe (künftig SEFE, siehe hier). Er wurde anders als Speicher anderer Eigentümer über Monate nur in geringfügigem Maß befüllt (Füllstand lag bei nur zwei Prozent). Erst durch die Aktivitäten von THE in den letzten Wochen sind die Füllstände wieder gestiegen. Derzeit (Stand 29. Juli 2022) liegen sie bei circa 37 Prozent.
e) Zügiger Ausbau der LNG-Infrastruktur (liquefied natural gas – Flüssigerdgas)
Deutschland hat bislang keinen Hafen, an dem Flüssiggas angelandet werden kann. Das ist aber nötig, um die Gasversorgung aus nicht-russischen Quellen zu stärken und so unabhängig von russischen Importen zu werden.
Die Bundesregierung treibt daher mit Hochdruck die Errichtung von sogenannten schwimmenden LNG-Terminals voran. Sie hat erstens vier Spezialschiffe, sogenannte FSRU (Floating Storage Regasification Unit), gesichert, auf denen Flüssiggas wieder in Gas umgewandelt werden. Zweitens hat sie mit einem LNG-Beschleunigungsgesetz die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um den Bau der nötigen Anbindungen an Land zu beschleunigen, damit bereits im Winter zwei der vier FSRU-Schiffe in Betrieb gehen können und so LNG in das deutsche Gasversorgungsnetz eingespeist werden kann. Hieran arbeiten alle Beteiligten mit Hochdruck.
f) Absicherung der Treuhandverwaltung GPG (Gazprom Germania nunmehr Securing Energy for Europe GmbH, SEFE)
Um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten, hat die Bundesregierung die Treuhandverwaltung der Gazprom Germania längerfristig abgesichert durch Überführung der bisherigen Treuhand nach Außenwirtschaftsrecht in eine Treuhand nach dem Energiesicherungsgesetz. Zugleich hat die Bundesregierung das durch Sanktionen von russischer Seite ins Straucheln geratene Unternehmen über ein Darlehen in einem Umfang von 9 bis 10 Milliarden Euro vor der Insolvenz bewahrt.
Mit diesem Vorgehen behält die Bundesregierung den Einfluss auf diesen Teil der kritischen Energieinfrastruktur und verhindert eine Gefährdung der Energiesicherheit. Die Pressemitteilung der Bundesregierung dazu finden Sie hier. Nähere Informationen und eine FAQ-Liste finden Sie hier.
g) Schutz von energie- und handelsintensiven Unternehmen
Um energie- und handelsintensive Unternehmen, die besonders von Erdgas- und Strompreisanstiegen betroffen sind, zu unterstützen, ist ein viertes Programm im Rahmen des Schutzschildes für vom Ukraine-Krieg betroffene Unternehmen auf der Zielgraden. Es ergänzt die drei bereits angelaufenen Unterstützungsmaßnahmen bestehend aus KfW-Krediten, dem Sonderbürgschaftsprogramm und dem Margining-Absicherungsinstrument. Dieses vierte Programm zur temporären Kostendämpfung ermöglicht einen zeitlich befristeten und eng umgrenzten Kostenzuschusses ohne Rückzahlungspflicht. Die erforderliche beihilferechtliche Genehmigung wird in Kürze erwartet, entsprechend ist mit dem Start der Antragstellung in den kommenden Wochen zu rechnen.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
a) Gasreduktion im Stromsektor
Um den Gasverbrauch zu senken, soll weniger Gas zur Stromproduktion genutzt werden. Stattdessen werden Kohlekraftwerke stärker zum Einsatz kommen müssen.
Mit dem Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, das am 12. Juli 2022 in Kraft getreten ist, können Kraftwerke, die bereits heute als Reserve dem Stromsystem zur Verfügung stehen, kurzfristig an den Markt zurückkehren. Dies führt angesichts des Preisgefüges dazu, dass Gaskraftwerke aus dem Markt verdrängt werden. Gas trug 2021 zu circa 15 Prozent zur öffentlichen Stromerzeugung bei, der Anteil dürfte in den ersten Monaten 2022 aber schon geringer sein. Durch die Maßnahmen zur Reduktion des Gasverbrauchs kann das Stromerzeugungsangebot in einer kritischen Gasversorgungslage um bis zu 10 Gigawatt ausgeweitet werden, wodurch der Gasverbrauch zur Stromerzeugung substantiell reduziert wird.
Um die Ersatzkraftwerke zum Laufen zu bringen, benötigen die Betreiber technischen Vorlauf. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat daher die Kraftwerksbetreiber frühzeitig aufgefordert, die vorbereitenden Maßnahmen zu ergreifen, damit die Kohlekraftwerke im Bedarfsfall einsatzbereit sind.
b) Gasauktions-Modell zur Reduktion von Industriegas
Noch im Sommer soll ein Gasauktions-Modell an den Start gehen, das industrielle Gasverbraucher anreizt, Gas einzusparen. Dazu entwickeln der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE), die Bundesnetzagentur (BNetzA) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ein Gas-Regelenergieprodukt, mit dem Industriekunden gemeinsam mit ihren Lieferanten gegen eine rein arbeitspreisbasierte Vergütung ihren Verbrauch in Engpasssituationen reduzieren und Gas dem Markt zur Verfügung stellen können (Demand-Side Management). Damit wird – einer Auktion gleich – ein Mechanismus geschaffen, der industriellen Gasverbrauchern einen Anreiz gibt, Gas einzusparen, das dann wiederum zum Einspeichern genutzt werden kann. Das Modell soll dafür sorgen, dass möglichst viele Gas-Mengen für etwaige Engpasssituationen im kommenden Winter bereitstehen.
c) Stärkung der Einspeicherung
Um die Einspeicherung von Gas zu sichern, hat die Bundesregierung zusätzliche KfW-Kreditlinien zur Verfügung gestellt. Damit erhält zunächst der Marktgebietsverantwortliche THE die nötige Liquidität, um Gas einzukaufen und die Befüllung der Speicher voranzutreiben. Der Kredit wird über eine Garantie des Bundes abgesichert.
In einem ersten Schritt hat die Bundesregierung 15 Milliarden Euro zur Speicherbefüllung zur Verfügung gestellt. Es ist klares Ziel der Bundesregierung, dass trotz der aktuellen Situation die Speicher so schnell wie möglich befüllt werden sollen.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Wichtig ist es jetzt, „vor der Lage zu bleiben“. Das heißt, wir müssen jetzt im Sommer vor allem Gas einsparen, um die eingesparte Menge zusätzlich in die Gasspeicher einzuspeisen. Die Wiederaufnahme der Gaslieferungen über die Nord Stream 1 am 21. Juli 2022 spiegelt eine sehr trügerische Sicherheit vor.
Die Landesregierung hat deshalb in allen Ressorts nach Möglichkeiten gesucht, wie dieses Ziel kurzfristig (!) umgesetzt werden kann, zum Beispiel in den landeseigenen Gebäuden oder im nachgeordneten Bereich. So wird die Raumtemperatur reduziert und das Warmwasser abgestellt. Dies sind zwei sehr schnell umsetzbare Beispiele. In zahlreichen Gesprächen mit Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern und den Kommunalen Landesverbänden hat die Landesregierung außerdem intensiv für das Energiesparen geworben.
Am 25. Juli 2022 fand auf Einladung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein Gas-Gipfel statt. Ziel war es vor allem, Vorschläge zu sammeln, wie Verbraucher und Industrie schnell Energie sparen können. In einer gemeinsamen Erklärung wurde dann ein Fünf-Punkte-Programm verabschiedet in dem sich die Landesregierung, die Kommunen, die Arbeitgeber und Gewerkschaften, das Handwerk und die Energieversorger sowie Verbraucherinnen und Verbraucher in Baden-Württemberg dazu verpflichten, „ein kurzfristig wirksames Sparprogramm“ umsetzen.
Darüber hinaus ist es grundlegend, für die jeweilige Lage ein gemeinsames aktuelles Bild zu haben, um gegebenenfalls aufkommende Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig Lösungen zu finden. Die Landesregierung ist deshalb im ständigen Austausch mit ihren Ansprechpartnern in der Energiebranche, beim Bund und in den anderen Ländern. Dafür sind auf verschiedenen Ebenen regelmäßige Treffen eingerichtet, bei denen nächste Schritte abgestimmt werden können.
Mit Blick auf den kommenden Winter kommt es darauf an, dass die Gasspeicher in Deutschland bereits im Herbst gut gefüllt sind. Dafür ist es notwendig, dass alle – Industrie, Unternehmen, öffentliche Hände und private Haushalte – an einem Strang ziehen und bereits jetzt im Sommer so viel Energie wie möglich einsparen. „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not”. Dieses alte Stichwort ist jetzt aktueller denn je. Das gilt für Produktionsprozesse, Gebäude, Heizungen et cetera gleichermaßen.
Private Haushalte
Die privaten Haushalte können durch Energiesparen in allen Bereichen zum Ziel beitragen. Sie müssen aber jetzt handeln (Vorbereitungen, technische Optimierungen) und ab Herbst Verhalten/Nutzung anpassen.
Was muss jetzt passieren:
- Heizungswartung/-einstellung und hydraulischer Abgleich (Einsparpotential bis zu 15 Prozent)
- Neue, effiziente Heizungs- und Zirkulationspumpe
- Dämmmaßnahmen, um den Verbrauch im Herbst und Winter zu reduzieren (auch niederschwellige Maßnahmen wie Dämmen der Heizungsrohre und Kellerdecken, Fenster und Türen abdichten)
- Sofortmaßnahme: Abstellen von Heizungen im Sommer. Wiederanschalten erst zum Beginn der Heizperiode (1. Oktober).
Maßnahmen in der Heizperiode
- Generelles Absenken der Temperatur im Innenraum: wird die Raumtemperatur um 1˚C gesenkt, werden bis zu sechs Prozent Heizenergie eingespart
- Absenken der Temperatur in selten oder nie genutzten Räumen; Frostschutz und Schimmelgefahr sind zu beachten
- Lüften: Stoßlüften statt Dauerlüften
- Programmierbare Heizkörperthermostate erleichtern die raumweise Nachtabsenkung und ermöglichen damit Einsparungen
Auch wenn der Beitrag einzelner Haushalte gering erscheint, es gibt Baden-Württemberg rund 5,25 Millionen Haushalte, in Deutschland rund 41 Millionen. Ihre Beiträge summieren sich dadurch zu sehr großen Summen.
Unternehmen
Unternehmen sollten sich aufgrund der aktuellen Situation dringend mit ihren Energieverbräuchen und Einsparpotenzialen auseinandersetzen. Es gibt nach wie vor enorme Effizienzpotenziale (Wärme, Strom, Druckluft, ...), die gehoben werden können und zwar nicht nur in den Querschnittsbereichen oder bei den Produktionsprozessen, sondern beispielsweise auch durch Mitarbeitersensibilisierung.
Kommunen
Auch Kommunen beschäftigen sich bereits mit den Energieverbräuchen ihrer Einrichtungen. So werden beispielweise einzelne Frei- und Hallenbäder nicht mehr beheizt und die Kühlung von Rathäusern reduziert.
Die Gaspreise in Deutschland sind in den letzten Monaten stark gestiegen – insbesondere wegen des Ukraine-Krieges. Das Jahresfuture 2023 kostete im Mai durchschnittlich 91 Euro pro Megawattstunde und damit vier Mal mehr als im Mai des Vorjahres. Ende Juni notierte der Preis oberhalb der 100 Euro-Marke. Im Kurzfristhandel überschritten die Preise Ende Juni die 130 Euro-Marke.
Es wird wahrscheinlich zu weiteren Preissteigerungen kommen. Diese Preissteigerung an den Gasmärkten wird zeitlich nachgelagert auch die Verbraucherpreise erhöhen. Zahlreiche Gas-Grundversorger haben deutliche Preiserhöhungen (durchschnittlich 50 Prozent) für die folgenden Monate angekündigt. Falls die Gaslieferungen weiter gedrosselt werden sollten, wird derzeit mit einer Verdreifachung der Gaspreise gerechnet. Eine Rückkehr zum Preisniveau vor dem Ukrainekrieg ist auch langfristig nicht zu erwarten.
Der durchschnittliche Erdgaspreis für Haushalte in Einfamilienhäusern liegt im bisherigen Jahresmittel 2022 gegenüber 2021 um 95 Prozent höher und für Haushalte in Mehrfamilienhäusern um 105 Prozent höher. Die Kosten für Beschaffung und Vertrieb sind aufgrund der insbesondere ab dem 4. Quartal 2021 sehr stark gestiegenen Großhandelspreise für Erdgas um 170 Prozent für Einfamilienhäuser und 191 Prozent für Mehrfamilienhäuser gestiegen.
Deswegen hat die Ampel-Koalition in diesem Jahr schon zwei Entlastungspakete beschlossen. Auch wird die Bundesregierung die weitere Preisentwicklung genau beobachten und jeweils im Lichte der aktuellen Lage prüfen, ob und welchen Handlungsbedarf es gibt.
Bereits Ende 2019 wurde die gemeinsame Erklärung der Initiative „Energieeinsparung in einkommensschwachen Haushalten“ zwischen vier Landesministerien (Umweltministerium, Sozialministerium, Landwirtschaftsministerium und Wirtschaftsministerium) und 14 Institutionen und Verbänden unterzeichnet. Die Mitglieder der Initiative haben sich dazu verpflichtet, die Energieberatung für einkommensschwache Haushalte auszubauen und Versorgungsunterbrechungen zu vermeiden. Im Mittelpunkt der Diskussionen steht dabei immer die Frage, wie die einkommensschwachen Haushalte Geld und Energie einsparen können.
Das Umweltministerium hat mit der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg einen Dienstleistungsvertrag mit dem Ziel abgeschlossen, die Energieberatung für einkommensschwache Haushalte voranzubringen und zu begleiten. Um die flächendeckende Einführung lokaler Runder Tische zu ermöglichen, arbeiten die Partner mit dem Sozialministerium und den nachgeordneten Sozialämtern zusammen.
Die Ausrufung der Alarmstufe als solche führt zunächst einmal zu keinen unmittelbaren Folgen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Klar ist, dass auch im Fall von Versorgungsengpässen private Haushalte und gewisse soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser besonders geschützt sind. Das heißt, auch bei einer Gasknappheit ist ihre Versorgung gewährleistet.
Aber die Lage ist angespannt. Daher geht mit der Alarmstufe das klare Signal an alle Verbraucherinnen und Verbraucher – sowohl in der Industrie, in öffentlichen Einrichtungen wie in den Privathaushalten – den Gasverbrauch aus Vorsorgegründen weiter zu reduzieren.
Auch ist davon auszugehen, dass es zu weiteren Preissteigerungen kommen wird. Die Preissteigerung an den Gasmärkten wird zeitlich nachgelagert auch Auswirkungen auf die Verbraucherpreise haben. Daher hat die Ampel-Koalition in diesem Jahr schon zwei Entlastungspakete beschlossen. Auch wird die Bundesregierung die weitere Preisentwicklung genau beobachten und jeweils im Lichte der aktuellen Lage prüfen, ob und welchen Handlungsbedarf es gibt.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Ja, die Versorgungssicherheit ist weiter gewährleistet. Aber die Lage ist ernst. Daher gibt es mit der Alarmstufe die klare Aufforderung schon jetzt im Sommer den Gasverbrauch aus Vorsorgegründen weiter zu reduzieren.
In der Alarmstufe wird das Monitoring erhöht. Es gibt aber in dieser Stufe noch keine direkten Markteingriffe durch die Bundesnetzagentur.
Zu den Auswirkungen der Sanktionen der Europäischen Union auf die Wirtschaft hat die Bundesregierung am 8. April die Ausarbeitung eines Schutzschildes für vom Ukraine-Krieg betroffene Unternehmen angekündigt. Die einzelnen Programmteile sind in der Umsetzung. Das KfW-Kreditprogramm ebenso wie das Bürgschaftsprogramm sind bereits Ende April beziehungsweise Anfang Mai gestartet. Das Zuschussprogramm für die energieintensive Industrie startet in Kürze.
Damit Unternehmen der Energieversorgung genügend Liquidität haben, hat die Bundesregierung ein Programm zur Abfederung von sogenannten Sicherheitsleitungen (Margening-Kosten) aufgelegt, die Antragstellung voraussichtlich ab Ende Juni 2022 erfolgen.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Aktuell sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz keine Versorgungsengpässe und damit auch keine Beeinträchtigungen in der Produktion. Die Lage wird aber intensiv beobachtet. Durch die hohen Energiepreise sind jedoch für viele Unternehmen die Produktionskosten deutlich gestiegen.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Mit dem Energiesicherungsgesetz (EnSIG) wurde ein Preisanpassungsmechanismus geschaffen (Paragraf 24 und 26 Energiesicherungsgesetz), um bei extrem hohen Preisen einen Kollaps der Unternehmen in der Energieversorgungskette zu verhindern. Dieser Mechanismus wird aber noch nicht genutzt.
Dies hat folgende Gründe: Erstens hat dieser Mechanismus hohe Auswirkungen und soll deshalb nur sehr bedacht eingesetzt werden. Zum anderen liegen die gesetzlichen Voraussetzungen nach Paragraf 24 und 26 Energiesicherungsgesetz aktuell nicht vor. Denn zusätzlich zur Ausrufung der Alarmstufe ist es dafür nötig, dass die Bundesnetzagentur eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland durch Verkündung im Bundesanzeiger feststellt. Das bedeutet faktisch, es muss eine verstetigte Reduzierung des Gesamtimportmengen geben.
Damit wird dieser Mechanismus jetzt nicht genutzt. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass er zu einem späteren Zeitpunkt notwendig werden kann. Parallel arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aber auch an alternativen Konzepten, um den Markt trotz hoher zusätzlicher Kosten am Laufen zu halten.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Nein, eine Alarmstufe nach dem Notfallplan wurde in Deutschland bisher noch nicht ausgerufen.
(siehe auch: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Im Fall einer eskalierenden Gasmangellage werden zunächst Industriekunden mit so genannten abschaltbaren Verträgen durch die Gasnetzbetreiber vom Netz getrennt. Diese haben einer Abschaltung im Notfall vorab vertraglich zugestimmt und dafür einen günstigeren Gastarif erhalten. Reicht dieses Abschaltpotenzial nicht aus, um die Gaslücke zu decken, sind als nächstes auch Industriekunden ohne abschaltbare Verträge betroffen. Welche Unternehmen davon betroffen sind, bestimmen zunächst die Netzbetreiber, in der Notfallstufe dann die Bundesnetzagentur in ihrer Funktion als Bundeslastverteiler.
Sogenannte geschützte Kunden nach Paragraf 53 a Energiewirtschaftsgesetz (das sind unter anderem private Haushalte, soziale Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser und Pflegeheime, kleinere und mittlere Gewerbebetriebe, die nach einem sogenannten Standardlastprofil abgerechnet werden, und Gaskraftwerke, die zugleich auch der Wärmeversorgung von Haushalten dienen) müssen solange bedient werden, wie eine Restmenge an Gas vorhanden und dies dem Gasversorger wirtschaftlich zumutbar ist. Für Gaskraftwerke zur Erzeugung von Strom gelten gegebenenfalls weitere Ausnahmen.
Die in einer Mangellage zu treffenden Entscheidungen der Bundesnetzagentur sind immer Einzelfall-Entscheidungen, weil die dann geltenden Umstände von so vielen Parametern (unter anderem Gasspeicherfüllmengen, Witterungsbedingungen, europäische Bedarfe, erzielte Einsparerfolge) abhängen, dass sie nicht vorherzusehen sind. Daher bereitet die Bundesnetzagentur auch keine abstrakten Abschaltreihenfolgen vor.
Der wiederholt vorgetragene Wunsch hiernach ist aus Gründen der Planungssicherheit für die potenziell betroffenen Unternehmen natürlich nachvollziehbar. Gleichwohl wird eine abstrakte Regelung der Komplexität des Entscheidungsprozesses weder gerecht noch ist sie geeignet, tragfähige Lösungen im Vorfeld herbeizuführen.
Vielmehr müssen Entscheidungen mit Blick auf Belange und Bedeutung der betroffenen Akteure, aber insbesondere eben auch mit Blick auf die netztechnische Situation und die bestehenden Gasflüsse in einer Gesamtabwägung getroffen werden. Die Bundesnetzagentur erarbeitet daher aktuell Kriterien, die für diese Gesamtabwägung maßgeblich herangezogen werden können.
Nein. Dritte, wie etwa die Länder, haben weder auf die Kriterienfestlegung der Bundesnetzagentur noch auf die Einzelfallentscheidungen zur Abschaltung einen Einfluss. Beides obliegt allein der Bundesnetzagentur. Auch Unternehmen können die Abschaltreihenfolge nicht beeinflussen.
Aktuell gibt es keine Hinweise auf Störungen bei der Stromversorgung. Die Kohlespeicher der Kraftwerke sind gefüllt, Gaskraftwerke stehen weiterhin zur Verfügung. Aber Deutschland bezieht neben Erdgas auch Steinkohle aus Russland. Daher arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck daran, die Abhängigkeit bei allen Energieimporten aus Russland zu verringern.
Bei der Steinkohle beispielsweise konnte der Anteil bereits auf 25 Prozent reduziert werden. Das am 8. April 2022 von der Europäischen Union angekündigte Kohle-Embargo mit einer Übergangsfrist von vier Monaten hat kurzfristig keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit des Landes. Aber die Planungen auf Bundesebene und der Kraftwerksbetreiber für Vertragsumstellungen sowie die Diversifizierung der Kohleimporte und deren Auswirkungen müssen intensiviert werden.
Die Laufzeiten der letzten Kernkraftwerke in Deutschland sind bis Ende dieses Jahres gesetzlich begrenzt. Das bedeutet in der Konsequenz, dass ein Weiterbetrieb gesetzlich verboten ist. Notwendig wäre also eine Atomgesetzänderung durch den Deutschen Bundestag.
Um Atomkraftwerke über das gesetzliche Abschaltdatum hinaus und über einen längeren Zeitraum zur Stromgewinnung einsetzen zu können, wären auch frische Brennelemente nötig. Diese müssen für jedes Kraftwerk speziell hergestellt werden, was etwa eineinhalb Jahre dauern würde.
Die Unternehmen haben sich in ihren Planungen auf den Abschaltzeitpunkt eingestellt. Zum Beispiel haben sie mit Beschäftigten Vorruhestandsverträge abgeschlossen. Verträge mit Auftragnehmern, die für den Betrieb oder für Versorgung mit Ersatzteile erforderlich sind, haben die Betreiber gekündigt. Für Arbeiten, die nach der Abschaltung vorgesehen sind, haben sie teilweise schon Aufträge vergeben.
Die Vorbereitungen, um die Laufzeiten der Kernkraftwerke zu verlängern, würden insgesamt erhebliche Zeit in Anspruch nehmen, sodass Kernkraftwerke in der gegenwärtigen Situation nach einer Prüfung des Bundeswirtschaftsministeriums keine Hilfe darstellen. Vor diesem Hintergrund ist es einfacher ein zur Abschaltung vorgesehenes oder ein abgeschaltetes Kohlekraftwerk weiter zu betreiben, als die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verlängern.
In einer erläuternden FAQ-Liste [PDF] sind die Ergebnisse der Prüfung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz prägnant dargestellt.
Fazit der Prüfung ist: Eine Verlängerung der Laufzeiten könnte nur einen sehr begrenzten Beitrag zur Lösung des Problems leisten, und dies nur mit sehr hohem Aufwand. Im Ergebnis einer Abwägung von Nutzen und Risiken ist eine Laufzeitverlängerung der drei noch bestehenden Atomkraftwerke auch angesichts der aktuellen Gaskrise nicht zu empfehlen.
Wegen der zahlreichen aufgrund technischer Probleme abgeschalteten Kernkraftwerke in Frankreich und wegen der Vermutung, dass der Strombedarf beim Gebäudeheizen beispielsweise durch Heizlüfter und Wärmepumpen steigt, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die Übertragungsnetzbetreiber beauftragt, die Stromversorgungslage und Netzstabilität unter verschärften Randbedingungen erneut zu analysieren. Zu prüfen ist dabei auch, ob es zu regionalen Versorgungsengpässen zum Beispiel in Bayern kommen kann. Sollte dies der Fall sein und eine begrenzte Laufzeitverlängerung eine geeignete Abhilfe darstellen, ist eine erneute Bewertung eines Weiterbetriebs angezeigt. Denkbar wäre ein sogenannter Streckbetrieb. Mit Streckbetrieb wird ein Weiterbetrieb mit dem im Reaktorkern befindlichen Brennstoff bezeichnet, bei dem die erzeugbare Leistung durch das Aufbrauchen des Brennstoffs kontinuierlich von 100 Prozent auf etwa 50 Prozent absinkt. Im Kernkraftwerk Isar II wäre ein Streckbetrieb bis Ende März 2023 möglich, im Kernkraftwerk Neckarwestheim II nur bis Anfang Februar 2023. Eine Bewertung dieser Option kann in realistischer Weise erst erfolgen, wenn erwähnte Analyse der Übertragungsnetzbetreiber vorliegt.
Aktuell läuft die Rohölversorgung sowie die Mineralölverarbeitung und -versorgung hierzulande an allen Standorten normal. Die Versorgung ist gesichert.
Bei Erdöl und Mineralölerzeugnissen gibt es außerdem eine nationale 90-tägige Sicherheitsreserve (Strategische Ölreserve). Sie wird durch den Erdölbevorratungsverband (EBV) bewirtschaftet. Seine Aufgabe ist es, Vorräte an Erdöl und Erdölerzeugnissen (Benzin, Dieselkraftstoff, Heizöl EL und Flugturbinenkraftstoff [Kerosin]) im Umfang von mindestens 90 Tagen vorzuhalten.
Dennoch wurden in den vergangenen Wochen im Austausch zwischen dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der Mineralölwirtschaft Schritte eingeleitet, um russische Importe zu ersetzen (Diversifizierung der Lieferketten). Bis Mitte des Jahres sollen die russischen Ölimporte nach Deutschland voraussichtlich halbiert sein. Zum Jahresende wird angestrebt, nahezu unabhängig von russischen Ölimporten zu sein.