Die Klimaziele des Landes sehen eine Reduktion der Emissionen um 65 Prozent bis 2030 (gegenüber 1990) und Treibhausgasneutralität bis 2040 vor. Baden-Württemberg will damit fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der Europäischen Union treibhausgasneutral sein. Dieses ambitionierte Ziel erfordert entsprechend ambitionierte Emissionsminderungsbeiträge der einzelnen Sektoren (Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft, Landnutzung und Abfallwirtschaft).
Um die Umsetzungsgeschwindigkeit der zur Emissionsminderung erforderlichen Maßnahmen deutlich zu erhöhen und flexibleres Handeln zu ermöglichen, wurde im Frühjahr 2022 das bisher bestehende Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept (IEKK) zu einem Klima-Maßnahmen-Register (KMR) weiterentwickelt.
Das Klima-Maßnahmen-Register enthält nach Sektoren gegliederte Maßnahmen und dient als zentrale, öffentlich über eine Online-Datenbank einsehbare Dokumentation aller Klimaschutz-Aktivitäten der Landesregierung.
Das für den entsprechenden Sektor verantwortliche Ressort (Ministerium) entwickelt Maßnahmen, die geeignet sind, das jeweilige Sektorziel zu erreichen, oder entwickelt diese weiter. Dabei bezieht es andere Ministerien aktiv ein, sollten einzelne sektorale Maßnahmen in deren Zuständigkeitsbereich fallen. Das Klima-Maßnahmen-Register folgt damit einer dezentralen Verantwortlichkeit innerhalb der Landesregierung.
Die Sektoren sind folgendermaßen aufgeteilt:
- Energiewirtschaft (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft)
- Industrie (Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus)
- Gebäude (Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen)
- Verkehr (Ministerium für Verkehr)
- Landwirtschaft (Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz)
- Abfallwirtschaft (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft)
- Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz).
Neben den einzelnen Sektoren wird im Klima-Maßnahmen-Register auch ein Querschnittsbereich aufgenommen, der übergreifende Maßnahmen enthält.
Das Klima-Maßnahmen-Register ist jederzeit erweiterbar, wird somit kontinuierlich überprüft und weiterentwickelt. Grundlage dafür sind sowohl der Emissionsbericht des Statistischen Landesamts als auch sektoral gegliederte Ressortberichte zum aktuellen Umsetzungsstand der Maßnahmen, die alle einmal jährlich vorgelegt werden. Der Klima-Sachverständigenrat nimmt auf dieser Basis zur aktuellen Entwicklung Stellung und schlägt der Landesregierung gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen vor.
Jedes Jahr im Frühjahr erfolgt eine Bürgerbeteiligung über das Beteiligungsportal des Landes. Dadurch haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, die bestehenden Maßnahmen im Klima-Maßnahmen-Register zu kommentieren und eigene Vorschläge einzubringen. Sofern es die jeweilige konkrete Maßnahme nahelegt beziehungsweise erfordert, erfolgt zudem eine Beteiligung der Verbände und der Öffentlichkeit durch das jeweils zuständige Ressort.
Bis 2030 müssen nach dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes Baden-Württemberg (KlimaG BW) des Landes 65 Prozent Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden, das entspricht auf alle Sektoren verteilt einem Emissionsziel von rund 32 Millionen CO2-Äquivalenten im Jahr 2030. Auch die Beiträge zur Emissionsminderung, welche die einzelnen Sektoren liefern müssen, die sogenannten Sektorziele, sind Bestandteil des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes:
- Energiewirtschaft: 75 Prozent
- Industrie: 62 Prozent
- Verkehr: 55 Prozent
- Gebäude: 49 Prozent
- Landwirtschaft: 39 Prozent
- Abfallwirtschaft und Sonstiges: 88 Prozent
- Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft: -4,4
Hinweis: Die Minderungsziele sind in Prozent jeweils im Vergleich zu den Treibhausgasemissionen des Jahres 1990 angegeben. Für den Sektor „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ handelt es sich um die erforderliche Senkenleistung in Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid-Äquivalenten.
Exkurs: Forschungsvorhaben „Sektorziele 2030 und klimaneutrales Baden-Württemberg 2040“
Ein wissenschaftliches Konsortium unter der Führung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) hat im Forschungsvorhaben „Sektorziele 2030 und klimaneutrales Baden-Württemberg 2040“ den Pfad aufgezeigt, wie Baden-Württemberg innerhalb von weniger als 20 Jahren die Treibhausgas-Neutralität erreichen kann und welche Treibhausgas-Mengen die einzelnen Sektoren von der Industrie über den Verkehr bis hin zur Landwirtschaft bis 2030 einsparen müssen, um die im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz gesteckten Ziele einhalten zu können. Das Projekt lief von Anfang 2022 bis Mitte 2023.
Zentrale Aussagen des Forschungsvorhabens
- Der Kohleausstieg bis 2030 ist für das 2030-Ziel zwingend erforderlich.
- Aufgrund der erforderlichen Elektrifizierung im Gebäudesektor, der Industrie und im Verkehrssektor werden wir eine deutliche Erhöhung des Strombedarfs (von 72 Terrawattstunden in 2019 auf 88 Terrawattstunden in 2030 sowie 111 Terrawattstunden in 2040) erwarten können.
- Wir brauchen weiter einen drastisch steigenden Anteil erneuerbarer Energien an der Bruttostromerzeugung (von 82 Prozent bis 2030 auf 98 Prozent bis 2040).
- Im Verkehrssektor soll der motorisierte Individualverkehr (MIV) durch Verkehrsverlagerung und Vermeidung bis 2040 um 38 Prozent gegenüber 2019 sinken. Bis 2030 soll der Neuzulassungsanteil von Elektroautos auf 100 Prozent steigen; 34 Prozent der Fahrleistung wird dann elektrisch erbracht; 2040 ist der Verbrenneranteil nur noch marginal.
- Im Sektor Landwirtschaft sind die Reduktion der Tierbestände sowie eine Verringerung des Konsums tierischer Produkte die zentralen Hebel zur Emissionsreduktion.
Dem Konsortium, das die Beiträge für die einzelnen Ressorts berechnet hat, gehören das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg, das Öko-Institut Freiburg und das Hamburg Institut an.
Im Endbericht des Forschungsvorhabens „Sektorziele 2030 und klimaneutrales Baden-Württemberg 2040“ werden aus wissenschaftlicher Sicht Strategien und Maßnahmen dargelegt, um die ambitionierten Ziele des Klimagesetzes Baden-Württemberg zu erreichen. Damit liefern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Landesregierung eine Diskussionsgrundlage mit Vorschlägen zu weiteren Emissionsminderungsmaßnahmen in den einzelnen Sektoren. Die gemäß Klima-Maßnahmen-Register verantwortlichen Ministerien können auf Basis des Berichts für ihren jeweiligen Bereich festlegen, ob sie die im Bericht enthaltenen Impulse aufgreifen oder andere Mittel und Wege ergreifen, um die gesetzlich festgelegten Sektorziele 2030 und mittelfristig Treibhausgasneutralität bis 2040 in Baden-Württemberg zu erreichen.